„Back to Black“: Das Leben von Amy Winhouse war kein Musical

Kino: Doch Regisseurin Sam Taylor-Johnson macht es in dem glatten und romantisierten Biopic fast dazu

Eine Schicksalspaar: Marisa Abela als Amy Winehouse und Jack O'Connell als deren Ehemann Blake Fielder-Civil
Eine Schicksalspaar: Marisa Abela als Amy Winehouse und Jack O'Connell als deren Ehemann Blake Fielder-Civil © Studiocanal/Rogers

Paris Hilton, Katie Melua, jedes der Spice Girls — Amy Winhouse wusste, wer und wie sie nicht sein wollte. Ihre Stilikone, oder, wie sie später erkennt, ihre Ikone für alles, war ihre Großmutter. Damals, früher, zu ihrer Zeit, als alles besser war.

Ehefrau und Mutter wollte Amy sein, Feministin keine, dafür möge sie die Boys zu sehr, sagt sie in Sam Taylor-Johnsons Film „Back to Black“, ein allzu glatt geratenes Biopic, in dem sich die Regisseurin nichts traut.

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Amy Winehouse ist jedoch nicht nur ein junges Mädchen, das von ihrem Traummann schwärmt, sie ist auch mit einem unfassbaren Selbstbewusstsein ausgestattet, macht gefühlt jedem eine ausgewachsene Szene, der es wagt, ihr Vorschriften zu machen, sie in ihrer Freiheit zu beschneiden. Das darf nur einer, ihr Mann. Da schließt sich dann auch der verfluchte Teufelskreis, der Amy Winhouse vielleicht angetrieben hat, am Ende wohl wesentlich für ihren frühen Tod mit 27 Jahren war.

Alte Schnulzen und kleine Herzschmerzen

Also, da ist Amy, das witzige Mädchen aus London, das mit ihrem Papa alte Schnulzen trällert, mit der Oma in der Erinnerungskiste stöbert, kleine Herzschmerzen an der Gitarre verarbeitet und davon träumt, den Einen zu treffen, um sich nur noch um ihn zu kümmern.

Es gibt aber auch die Amy, die sie nimmt, worauf sie Lust hat, die mehr aus- als angezogen durch die Straßen wandelt und wankt, in Pubs einkehrt und eine um die andere Flasche leert und dieses unglaubliche Musiktalent besitzt, das irgendwann zu Grammys en masse und Berühmtheit führt. Beiden Amys begegnen wir in „Back to Black“, und nähern uns so jenem Bild an, das sich die Regisseurin von der ikonischen Musikerin gemacht hat.

… wie in einem Disney-Märchenfilm

Ja, Amy Winehouse war eine sehr persönliche Künstlerin, wie sie selbst auch immer betonte. Ihre Lieder waren ihr Leben. Das heißt aber noch lange nicht, dass ihr Leben ein Musical war, man ihre Songs zum Soundtrack verkommen lassen sollte. Das genau passiert aber leider in „Black to Black“allzu häufig. Als Amy und ihr späterer Ehemann Blake sich zum ersten Mal begegnen und fast gemeinsam einen ihrer Songs mitträllern, läuft es einem kalt über den Rücken: Wird das jetzt wirklich ein Musical? Es wäre ja nicht das erste Mal, dass aus unmöglichen Stoffen ein Singspiel geschustert wird. Es passiert nicht. Auch nicht, als Amy in der letzten Einstellung alleine durch ihr hübsches Haus geht und vor sich hinsingt, wie in einem Disney-Märchenfilm.

Die Aura solcher Filme — mit ein bisschen Musik und Feenstaub erscheint alles weniger tragisch — haftet dem Film trotz heftiger Thematik an. Das liegt wohl auch daran, dass Alkohol- und Drogensucht sowie eine von beiden Seiten gewaltvoll geführte Beziehung zu Randnotizen verkommen.

Einst führte Sam Taylor-Johnson beim verfilmten Sadomaso-Anfängerkurs „Fifty Shades of Grey“ Regie, diesmal sollte es schwarz werden, die Farbe, die nicht dazwischen ist, sondern immer extrem und absolut.

So ist der Film aber nicht geworden, er traut sich nichts, nicht einmal, die Geschichte von Amy Winehouse etwas abseits einer Chronologie zu erzählen, oder die Musik so einzusetzen, dass ihr die verdiente Bedeutung zukommt. Nichts zu tun hat das damit, dass Hauptdarstellerin Marisa Abela die Parts selbst singt und das ziemlich beeindruckend.

Aus Dokus — etwa der oscarprämierten „Amy – The Girl Behind The Name“ — kennt man die eine oder andere Begebenheit anders, als sie im Spielfilm dargestellt wird (etwa, wie das Lied „Rehab“ entstand), Amys Vater Mitch erscheint in „Back to Black“ auch unzweifelhaft als Guter und wichtigste Stütze seiner Tochter — in der öffentlichen Wahrnehmung war das selten so. Welche Rolle genau Amys Ehemann Blake gespielt hat, als die harten Drogen in Amys Leben kamen, wird auch nicht klar erzählt.

Um die wirklich schwierigen Themen hat sich die Regisseurin herumgedruckst und entstanden ist ein allzu glattes und romantisiertes Bild, das wohl eher Amys eigenen Fantasien entspricht, als der Realität. Die war wohl schwärzer, aber auch weniger beige.

Von Mariella Moshammer

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