Der Blues im bairischen Lebensgefühl

Georg Ringsgwandl im Posthof mit dem Programm „Arge Disko“

Der schlaksige, hochgewachsene Herr mit Hut und Anzug kreuzt die Beine und verneigt sich bis zum Boden. Aktiviert dann seine „Damnd fuckin Stubenmusi“, spielt selber Zither, die bairische Keule, vor drei Background-Genies an Gitarre, Bass und Schlagzeug. So schrill wie in den frühen Jahren tritt der 76-jährige Kabarettist und selbsternannte „Multidilettant“ Georg Ringsgwandl nicht mehr auf. Trotzdem: „Mir is so damisch im Hirn, i muas nach Lourdes und was ganz was Schrilles beichten“.

Die große Kunst liegt in der Behutsamkeit

Im großen Saal des Linzer Posthofs feierten am Freitag an die Tausend Leute den abgedrehten Liedermacher, den Oberarzt, der seit 30 Jahren den Blues aus dem bairischen Narrativ generiert.  Aus der alten Chuck-Berry-Nummer „You Never Can Tell, C’est La Vie“ wird bei ihm lakonisch „Irgendwie wird’s scho wern, song die Oidn“. Bassgitarrist Christian Diener fegt sich dazu kurz weg. Ansonsten liegt die große Kunst der Instrumentalgenies in der Behutsamkeit, mit der sie die Gedanken und Wörter wiegen oder Punkte setzen, außer wenn Sologitarrist Daniel Stelter in Hendrix-Manier auswildert und Schlagzeuger Tommy Baldu sein gediegenes Schlagwerk nicht nur mit dem Beserl streichelt.

Ringsgwandl, der auch schon am Bachmann-Wettlesen teilnahm und Theaterstücke schrieb, promotet derzeit seine Autobiografie „Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris“ (Verlag dtv). Deshalb war auch keine Zeit, neue Lieder zu schreiben. Macht nix. Die bewährten schräg-absurden Lieder von früher sind so gültig wie eh und je.  Die staubtrockene Warnung „Hühnerarsch sei wachsam“, braucht es immer wieder, so wie es immer „Gartennazis“ geben wird und „Die Liebe im Wohnmobil“. Im Bodensatz des verortet er das ganz normale Leben, und betrachtet sich selbst liebevoll als Teil und Tiefpunkt dessen.

Weil jede Zeit ein neues Lebensgefühl hat, und einen eigenen Stil braucht, singt er zu einer Art Science-Fiction-Sound vom „Microplastique“, das tödliche Pfeile durch Blutbahnen schießt, mit französischem Akzent. Man ist ja EU-Bürger und Förderung gibt’s nur, wenn man in mindestens zwei Sprachen performt.

Nach der Pause geht’s um Liebe und Tod.  „Mir gebm dem Tod ka Chance, er trifft uns nie aloan“. Zum Klassiker „Nix mitnehma“, lässt der Bass wissen, wie der liebe Gott, Tod und Teufel ausschauen. Am Schluss verliert sich Ringsgwandl in Liebesliedern, so zärtlich und intim, dass jede Frau, jeder Mann im Publikum wirklich spürt :„So wie Du mich siehst, so möchte ich sein“. Fast andächtig verneigt er sich zum Schluss. Applaus sei wie eine Droge, gibt er zu.  Nach fast drei Stunden kriegt Dr. Ringsgwandl eine gewaltige Dosis.

Von Eva Hammer 

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