Nehammer und Totschnig lehnen EU-Renaturierungsgesetz ab

Nehammer und Totschnig fürchten um Österreichs Landwirtschaft © APA/ROLAND SCHLAGER

Die ÖVP hat sich am Donnerstag bei einem Pressetermin weiterhin ablehnend gegenüber dem EU-Renaturierungsgesetz gezeigt. Bundeskanzler Karl Nehammer bezeichnete die Verordnung als „dramatisches Beispiel für den Überregulierungswahn in Brüssel“, Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (beide ÖVP) betonte, dass bei einem möglichen Ende der einheitlichen Stellungnahme der Bundesländer die Verordnung auch sein Ressort betreffe – und er nicht zustimmen könne.

Angesprochen auf einen Alleingang der Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) im EU-Rat bei einer möglichen weiteren Abstimmung zum EU-Renaturierungsgesetz, sagte Nehammer, dass dies zum Schaden der österreichischen Landwirtschaft sein würde. Bei den Rechtsauffassungen zu einem solchen Alleingang haben die beiden Koalitionspartner aktuell jedenfalls divergierende Meinungen.

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Die Gesetzeslage sei klar, stellte Totschnig fest und es gibt auch Expertenmeinungen, die diese Meinung teilen. So hatte Walter Obwexer, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Innsbruck am Mittwoch im „Kurier“ ausgeführt, dass Gewessler bei einem möglichen Ende der Länder-Blockade auch die Zustimmung von Totschnig wie auch jene von Finanzminister Magnus Brunner und Europaministerin Karoline Edtstadler (alle ÖVP) benötige.

Ein solches Vorgehen sieht jedenfalls das Bundesministeriengesetz (BMG) hervor. In der Praxis wurde jedoch eher die Rechtshaltung gelebt, die das Umweltministerium teilt. So stellte die Bundesregierung in der jüngeren Vergangenheit bei Abstimmungen im Rat kein Einvernehmen nach dem BMG her, wenn Angelegenheiten mehrerer Ministerien von einem EU-Rechtsakt betroffen waren. So der Fall, als es am 13. Mai zu einer Abstimmung im EU-Rat kam, mit dem die Verordnungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) geändert wurden. Dabei seien auch die für Landwirtschaft geltenden Umweltstandards massiv gesenkt worden, was laut APA-Informationen zu einem Einspruch aus dem Umweltschutzministerium führte. Trotzdem stimmte Österreich vonseiten der ÖVP für diese Änderung.

Angesprochen auf dieses Vorgehen sagte Totschnig, dass bei der GAP-Änderung eine Prüfung die eindeutige Zuständigkeit in diesem Fall ergeben habe, zudem seien auch 26 der 27 EU-Staaten dafür gewesen, „nur Deutschland hat sich enthalten“. Aus Sicht des Juristen Daniel Ennöckl, Vorstand des Instituts für Rechtswissenschaften der Universität für Bodenkultur Wien (Boku), sei auch der Weg für Gewessler eindeutig frei, sobald sich ein Bundesland offiziell aus der blockierenden „einheitliche Länderstellungnahme“ verabschiedet habe. Sie könne dann dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zufolge auch ohne Zustimmung der anderen Ministerien der EU-Verordnung zustimmen.

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„Ich fordere Wien und Kärnten auf, Farbe zu bekennen und klarzustellen: Stehen sie hinter der Länderstellungnahme oder hinter der Natur. Wenn die Länder ihre einheitliche Position hinter sich lassen, können sich alle auf eins verlassen: Ich werde alles dafür tun, dass Österreich dem EU-Gesetz zum Schutz der Natur zustimmt“, sagte Gewessler in einer ersten Stellungnahme. Totschnig warnte indes vor den Folgen der EU-Pläne, die Verordnung hätte massive Einschnitte in der Landwirtschaft zur Folge, auch auf die Versorgung mit Lebensmitteln wäre betroffen, „die Preise würden steigen und die Wirtschaft geschwächt“. Die Verordnung bedeute zudem auch einen „massiven “Eingriff“ in die Souveränität Österreichs.

Laut Wolfgang Suske, Initiator der Petition Renaturierungsgesetz.at, käme Unterstützung für das Gesetz auch aus der Landwirtschaft: „Zahlreiche Bäuerinnen und Bauern sind für das Renaturierungsgesetz, weil sie tagtäglich in der Natur arbeiten und die Biodiversitätskrise vor ihren Augen sehen. Wenn wir keine Natur mehr haben, dann können wir auch nichts mehr produzieren.“

Für den Bauernbund bedeutet das EU-Gesetz hingegen eine „massive Einschränkung der Produktion“, die einer Enteignung gleichkäme. „Die Erkenntnis, dass es dringend notwendig ist, eine hohe Selbstversorgung mit Lebensmitteln, Energie und Rohstoffen zu haben, muss sich auch in der Politik der Kommission widerspiegeln. Pauschale Maßnahmen helfen niemandem und berücksichtigen die Situation der Menschen in den Regionen nicht ausreichend“, sagte Bauernbund-Präsident Georg Strasser.

„Die sozialdemokratischen Landeshauptleute von Wien und Kärnten, insbesondere Bürgermeister Ludwig mit seinem neuen Vorschlag einer Länder-Stellungnahme, haben den Weg frei gemacht für den europaweiten Schutz von Naturräumen und Artenvielfalt. Umweltministerin Gewessler muss jetzt im Rat die notwendige Zustimmung Österreichs liefern“, wurde SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr in einer Aussendung zitiert.

Die Umweltschutzorganisation WWF Österreich kritisierte die „irreführenden und falschen Aussagen“ von Bundeskanzler Nehammer und Landwirtschaftsminister Totschnig: „Die politische Ablehnung des Gesetzes entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage. Das ist reiner Populismus und schadet dem Ansehen Österreichs in Europa“, sagt WWF-Experte Joschka Brangs. „Intakte Ökosysteme sind unsere wichtigsten Verbündeten. Das EU-Gesetz würde daher auch die Ernährungssicherheit langfristig stärken und wäre eine Rundum-Lösung für viele Probleme. Die wenigen offenen Fragen sind sachlich gut lösbar.“

Das Gesetz sieht vor, dass künftig mehr Wälder aufgeforstet, Moore wiedervernässt und Flüsse in ihren natürlichen Zustand versetzt werden – Maßnahmen zum Schutz der Natur wie im Kampf gegen die Klimakrise.

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