Ischler Millöcker-Operette als Triumph der Vielfalt

Bettel-Student Symon träumt zu viel von Freiheit und Liebe

Großartig: Ischl-Rückkehrerin Miriam Portmann als Palmatica und Loes Cools als ihre Tochter Bronislwa © www.fotohofer.at

AIso ehrlich: Wilder geht’s nimmer. Nach der rasanten Aufführung der ebenso unbekannten wie grandiosen Paul-Abraham-0perette „Märchen im Grand Hotel“ zur Eröffnung des Bad Ischler Lehár Festivals 2024 beschäftigte sich am Samstagabend die herausragende Salzburger Regisseurin Angela Schweiger im Kongress&Theaterhaus mit einem Standardwerk der Goldenen Operette, Carl Millöckers „Bettelstudent“ mit den Texten von Camillo Walzel und Richard Genée.

Während Schweiger in Ischl in den beiden vergangenen Jahren perfekte halbszenische Inszenierungen zeigte, hat sie diesmal gleichsam „Hundertschaften“ sowie eine Besetzung zur Hand, die ihr alle Möglichkeiten zur Entfaltung originaler und eigener Fantasien zur grenzenlosen „Ausnutzung“ ihres künstlerischen und technischen Ensembles, das tatsächlich über sich hinauswächst.

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Höchstleistungen in jeder Hinsicht

Die Darbietungen gipfeln in stimmlichen Höchstleistungen oft unter atemberaubender darstellerischer Anstrengung, alle Kategorien des Musiktheaters werden dabei publikumswirksam bis an die Grenzen der Belastbarkeit strapaziert. Auch schauspielerisch durchaus grenzwertige Szenen werden scheinbar problemlos bewältigt und vom begeisterten Publikum belohnt.

Der geeichte Besucher von Standardwerken wie „Der Bettelstudent“ stellt sich bei aller Bewunderung irgendwann die Frage: Ist es tatsächlich nötig, in einem klassischen Standardwerk der Marke „Gold“ so viele neue Ideen unterbringen zu müssen? Nicht jeder Satz müsste eine Pointe versprühen, nicht jeder Ton müsste eine Tanzeinlage herausfordern. Es könnte auch für dramaturgisch wesentliche Szenen das Original ohne Bezüge zur Gegenwart, ohne sexistische Parallelwelt zu den Liebesszenen die Betonung auf die Vielfalt des Originals gelegt werden.

Wir wollen in Ischl nicht unbedingt dem Mörbischer Weg folgen, der die ehemalige Operetten-Metropole von Harald Serafin zum Miscal-Allerlei des Alfons Haider verfolgt. Ischl profitiert bislang von der burgenländischen Sinnesänderung. So soll es bleiben und möglichst mit einem intelligenten Regisseur, in dem Fall von Angela Schweiger mit ihrer überbordenden Leidenschaft für das Gesamtkunstwerk Operette.

Student Symon kämpft noch vor der Beginn der eigentlichen Handlung um die Freiheit des Menschen. Wie sich nach knapp drei Stunden zeigt, ist Paul Schweinester alias Symon zu Beginn eingeschlafen und hat nur geträumt. So ist also, nachdem auch sein Erfolg über den Tyrannen der Liebe und Politik, Oberst Ollendorf, nur ein scheinbarer, sind alle inhaltlichen Ereignisse nur ein Vorwand der Ausführenden des Abends, musikalisch und darstellerisch ein Optimum an Können zu offerieren.

Lobeshymnen für alle Mitwirkenden

Das gelingt in perfekter Manier, sodass man nur Lobeshymnen über alle Protagonisten und deren Partner gießen kann. Die nach längerer Absenz in Ischl auf die Bühne zurückgekehrte Miriam Portmann ist die stimmlich und darstellerisch unübertreffliche Palmatica, deren Töchter Laura und Bronislawa in ihrer Vielseitigkeit mit Corina Koller und Loes Cools brillieren. Als scheinbare Studenten im gräflichen Gewand setzen Paul Schweinester seinen schmelzend-durchschlagskräftigen Tenor und Christoph Gerhardus seinen mächtigen Bariton prachtvoll ein. Martin Achrainer ist in seinen großen Arien samt den Couplets „Schwamm drüber“ baritonal sehr präsent, wobei sein Charme die angezeigte Bosheit durchaus im Griff hat. Mit tiefen Basstönen hilft Markus Raab als Rittmeister Henrici aus. Philipp Guirola Pagaganini, Ivo Kovrigar und Ana Maric ergänzen die Gefolgschaft Ollendorfs, als Enterich ist Walter Sachers, als Piffke Claudio Sola und als Puffke und Bogumil Matthias Schoberwalter mit von der Partie.

Vom Publikum umjubelt

Der vom Publikum umjubelte Abend hatte freilich von viele höchst kompetente Helfer. Die Choreografie von Lukas Ruzicka brachte Katharina Glas und weitere fünf Spitzensolisten in vielfältigen Auftritten auf die Bühne, der Chor unter Matthias Schoberwalter zeigte einmal mehr, dass in Ischl jeder Sänger ein perfekter Solist ist. Dazu das vielschichtige Bühnenbild von Markus Olzinger.

Bleibt als musikalisch orchestraler Mittelpunkt das unter Marius Burkert einmal mehr über sich selbst hinauswachsende Franz Lehár Orchester, das alle Aufgaben in erstaunlich präziser Zusammenarbeit mit dem Ensemble souverän bewältigt.

Von Ingo Rickl

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