Größte Suizidgefahr besteht für ältere Männer

Telefonseelsorge OÖ und Beziehungeben.at appellieren, sich externe Hilfe zu holen

V. l.: Primar Thomas Kapitany, Ärztlicher Leiter des Kriseninterventionszentrums Wien, Silvia Breitwieser, Leiterin TelefonSeelsorge OÖ, Barbara Lanzerstorfer-Holzner, Referentin TelefonSeelsorge OÖ, und Klemens Hafner-Hanner, Berater bei Beziehungleben.at © Diözese Linz / Piatkowiak

1310 Menschen, davon 132 im Alter von 80 bis 85 Jahren, schieden im Vorjahr in Österreich freiwillig aus dem Leben. 98 Personen nahmen dabei die seit 2022 gesetzlich geregelte Möglichkeit des assistierten Suizides – wenn zwei Ärzte unabhängig voneinander dem Schwerkranken attestieren, dass sein Leidenszustand unveränderbar ist – in Anspruch.

Hauptsächlich sind es Männer, die als einzigen Ausweg aus ihrem seelischen Dilemma den Suizid wählen. 2023 waren es österreichweit 1017. In Oberösterreich nahmen sich im Vorjahr 185 Männer und 47 Frauen das Leben.

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Anlässlich des Weltsuizidtages am 10. September wollen die Telefonseelsorge OÖ und die Familienberatung „Beziehungleben.at“ einmal mehr darauf aufmerksam machen, dass man sich rund um die Uhr Hilfe holen kann. In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt auf den älteren Menschen.

„Mit dem Alter steigt das Suizidrisiko deutlich an. Bei den 75- bis 79-Jährigen liegt es zweieinhalb Mal so hoch wie im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung, ab 85 Jahren bereits fünf Mal so hoch“, weiß Silvia Breitwieser, Leiterin der Telefonseelsorge OÖ. „Männer in höherem Alter hätten sogar ein achtfach so hohes Risiko“, betont Primar Thomas Kapitany, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Psychotherapeut und ärztlicher Leiter des Kriseninterventionszentrums Wien.

Fehlende Sozialkontakte als eine der Hauptursachen

Hauptursachen für die Verzweiflung der Männer seien, „dass ihre Frau verstorben ist oder nach und nach die sozialen Kontakte wegfallen, hinzukommen aber auch die eignen körperlichen Verluste. Und Männer sprechen kaum über ihr seelisches Leid, sie tun sich schwerer Hilfe anzunehmen“, so Kapitany. Einschneidend sei oft auch die Pensionierung und damit einhergehend der Verlust an Bedeutung.

Die Botschaft ist, sich als Betroffener oder als Angehöriger rechtzeitig Hilfe zu holen. Klemens Hafner-Hanner, Teamleiter von „Beziehungleben.at“, schilderte am Donnerstag in Linz einen klassischen Fall: Einem Sohn fiel auf, dass sein Vater nach dem Tod seiner Frau den Lebenswillen verloren hatte und die Angehörigen waren machtlos. Durch die Beratung, die der Sohn in Anspruch nahm, gelang es, den Vater wieder zu motivieren, mehr Sozialkontakte wahrzunehmen.

In Oberösterreich gibt es 27 Familienberatungsstellen, wo man binnen 14 Tagen, manchmal auch früher, einen Beratungstermin bekommt, so Hafner-Hanner. Die Beratung im persönlichen Face-to-Face-Gespräch sei durch Förderungen sehr kostengünstig, das gehe bis zur völligen Kostenfreiheit.

Personen in Krisensituationen können unter der Tel. 0732/773676 einen Beratungstermin vereinbaren und sich unter www.beziehungleben.at über das Angebot informieren.
Im Vorjahr fanden in Oberösterreich 21.992 Beratungen für 8.702 Klienten statt, 60 Prozent waren Frauen. Die Hauptthemen seien Partnerschaft und Trennung, die Themen Tod und Trauer würden nur vier Prozent der Anfragen betreffen.

Niederschwellige Beratung bei der Telefonseelsorge

Noch niederschwelliger ist die Telefonseelsorge Notrufnummer 142, die die ganze Woche rund um die Uhr kostenlos erreichbar ist. Dort kann anonym und vertraulich mit geschulten Personen das jeweilige Problem besprochen werden.

„Wie viel Tapferkeit manchmal zum Altern dazugehört, erleben wir in der Telefonseelsorge immer wieder“, sagt Referentin Barbara Lanzerstorfer-Holzner: „Menschen mit Suizidgedanken wollen meist nicht sterben, sondern nicht so weiterleben wie bisher. Sie suchen einen Ausweg aus ihrem quälenden Zustand. Über die Ausweglosigkeit und Verzweiflung zu sprechen, ist ein erster wichtiger Schritt.“ Bei 142 werde jeder Anrufer ernst genommen und er findet ein offenes Ohr.

Angehörige, die den Eindruck haben, dass ein Suizidgedanke im Raum steht, sollten dies ansprechen und dem Betroffenen das Gefühl geben, dass man sich für sein Problem interessiert. „Meist hilft es nicht, zu sagen, ruf dort an, dort wird dir geholfen, sondern darüber zu sprechen, dass man sich selbst Hilfe geholt hat und es einem dadurch besser geht“, sagt Kapitany.

Knapp 18.000 Beratungen per Telefon, Mail (telefonseelsorge@dioezese-linz.at) und Chat (www.online-beratung-telefonseelsorge.at von 16 bis 23 Uhr) wurden im Vorjahr bei der Telefonseelsorge von 103 ehrenamtlichen und sieben hauptamtlichen Mitarbeitern durchgeführt. In 3267 Telefonstunden konnten Menschen mit ihren Sorgen, Nöten und Fragen von der Seele reden.

Von Michaela Ecklbauer