SPD schlägt AfD in Brandenburg – BSW für Mehrheit nötig

SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke bei der Wahlparty © APA/dpa/Kay Nietfeld

Bei der Landtagswahl im deutschen Bundesland Brandenburg hat sich die SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke knapp gegen die AfD durchgesetzt und ist erneut stärkste Kraft geworden. Laut Angaben der Landeswahlleitung folgen dahinter das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und die CDU, die das schlechteste Ergebnis in Ostdeutschland seit 1990 einfährt. Grüne, Linke, FDP und BVB/Freie Wähler bleiben unter der Fünf-Prozent-Hürde und sind nicht im Landtag vertreten.

Der Landeswahlleitung zufolge erreicht die SPD nach Auszählung aller Stimmen 30,9 Prozent (2019: 26,2 Prozent). Die AfD, die vom Verfassungsschutz in Brandenburg als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird, steigert sich auf 29,2 Prozent (23,5). Das BSW kommt aus dem Stand auf 13,5 Prozent. Die CDU sackt ab auf 12,1 Prozent (15,6). Grüne (4,1 Prozent), Linke (3,0 Prozent), FDP (0,8 Prozent) und Freie Wähler (2,6 Prozent) scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde und gewannen auch kein einziges Direktmandat, das ihnen zum Einzug in den Landtag verholfen hätte.

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Die Wahlbeteiligung lag bei 72,9 Prozent und damit so hoch wie noch nie bei Landtagswahlen in Brandenburg. 2019 betrug sie 61,3 Prozent.

Vor der Wahl hatte Woidke angekündigt, dass er nur dann weiter Regierungsverantwortung tragen will, wenn die SPD stärkste Kraft wird – das hat er nun geschafft. Eine Fortsetzung der Koalition aus SPD, CDU und Grünen, die seit 2019 regiert hatte, ist aber mit dem Scheitern der Grünen an der Fünf-Prozent-Hürde nicht möglich.

Die SPD kam auf 32 Mandate, die AfD auf 30, das BSW auf 14 und die CDU auf zwölf. Eine Zweierkoalition aus SPD und CDU käme auf 44 der 88 Landtagsmandate – damit würde ein Sitz auf eine Mehrheit fehlen. Die SPD könnte mit dem BSW allein regieren oder die CDU für ein Dreierbündnis dazu holen.

Die AfD erzielt mit ihren 30 von 88 Sitzen mehr als ein Drittel der Mandate und damit eine Sperrminorität im Landesparlament. Damit kann die Partei Entscheidungen und Wahlen blockieren, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, zum Beispiel die Wahl von Verfassungsrichtern. Auch Verfassungsänderungen sind nur mit einer solchen qualifizierten Mehrheit möglich. Vor drei Wochen hatte die AfD bereits bei der Landtagswahl in Thüringen eine Sperrminorität errungen. In Sachsen hatte sie die Marke knapp verpasst.

BSW-Co-Chefin Amira Mohamed Ali grundsätzliche Bereitschaft ihrer Partei zur Regierungsbeteiligung signalisiert, dies aber an Bedingungen geknüpft. „Wir bringen da eine Offenheit mit. Aber uns ist eben wichtig, dass die Inhalte stimmen und dass es wirklich echte Verbesserungen für die Menschen in Brandenburg gibt“, sagte sie dem TV-Sender Phoenix. In den kommenden Tagen und Wochen werde man die Möglichkeiten ausloten und schauen, „ob Regierungsbeteiligung eine Option ist oder ob wir aus der Opposition für unsere Themen weiter kämpfen“.

Die SPD kann nach zuletzt schlechten Ergebnissen bei der Europawahl und den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen nun etwas aufatmen – auch im Bund. Kanzler Olaf Scholz darf auf leichten Rückenwind für den Wahlkampf im Bund hoffen. Er reagierte zufrieden auf das Ergebnis und will sich erst am Montag ausführlicher äußern. SPD-Chef Lars Klingbeil stellte sich angesichts des Erfolgs hinter Scholz als Kanzlerkandidaten.

Seit der Wiedervereinigung 1990 haben die Sozialdemokraten in Brandenburg durchgängig den Ministerpräsidenten gestellt. Im Wahlkampf hatte der 62-jährige Woidke bewusst nicht auf große gemeinsame Auftritte mit Scholz gesetzt – wohl auch wegen der schlechten Umfragewerte der Berliner Ampel. Zur Wahl aufgerufen waren rund 2,1 Millionen Menschen – es gibt in dem Bundesland weniger Wahlberechtigte als in Berlin.

Woidkes SPD hatte unmittelbar vor der Wahl in den Umfragen deutlich zugelegt. „Wir haben eine Aufholjagd hingelegt, wie es sie in der Geschichte unseres Landes noch niemals gegeben hat“, sagte er mit Blick auf die AfD. Wie so oft in der Geschichte seien es Sozialdemokraten gewesen, „die Extremisten auf ihrem Weg zur Macht gestoppt haben“.

Der Generalsekretär der Bundes-CDU, Carsten Linnemann, sprach von einer „bitteren Niederlage“. Woidke habe mit seiner Rücktrittsdrohung alles auf eine Karte gesetzt – und gewonnen. „So sieht Glaubwürdigkeit aus.“ Der CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann will nach der Wahlschlappe nicht vom Landesvorsitz zurücktreten. „Das wäre das ganz falsche Signal“, sagte er.

Linke-Spitzenkandidat Sebastian Walter nannte das Ergebnis seiner Partei „desaströs“. Viele Menschen hätten SPD gewählt – „aber nicht aus Überzeugung“. Grund sei der aus seiner Sicht „Panikwahlkampf des Ministerpräsidenten“ gegen die AfD.

Die AfD hat trotz ihres guten Abschneidens keine Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung: Keine andere Partei will mit ihr zusammenarbeiten. Bundesparteichef Tino Chrupalla sagte, man habe das Ziel verpasst, Woidke „in die Rente zu schicken“. Doch seien die ostdeutschen Wahlen in Thüringen, Sachsen und jetzt Brandenburg erfolgreich verlaufen: „Wir haben einmal Gold und zweimal Silber geholt.“ Das Erstarken der AfD hat zuletzt auch im Ausland Sorgen vor einem Rechtsruck in Deutschland ausgelöst, etwa bei EU- und NATO-Partnern.

Der Zentralrat der Juden äußerte sich besorgt. „Wenn erneut fast ein Drittel der Wähler eine zerstörerische politische Partei wie die AfD an der Macht sehen will und eine populistische Kraft wie das BSW wieder zweistellig wird, dann darf uns das nicht unberührt lassen“, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagte zum schlechten Abschneiden seiner Partei und auch der Grünen: „Die Menschen sind mit der Ampel fertig.“ Er gibt Regierungskoalition im Bund nur noch zwei bis drei Wochen für die Lösung grundlegender Probleme in der Wirtschafts- und Migrationspolitik. Ansonsten ergebe es für die FDP keinen Sinn mehr, „an dieser Koalition weiter mitzuwirken“, sagte er.

FPÖ-Chef Herbert Kickl gratulierte der AfD noch Sonntagabend zum „imposanten“ Wahlerfolg. „Die politischen Reaktionen zeigen, dass das System keine Themen mehr hat, sondern lediglich das destruktive Ziel verfolgt, die AfD vom Spitzenplatz fernzuhalten. Das ist – trotz intensiver Unterstützung der auch von AfD-Wählern zwangsfinanzierten Medien – nur ganz knapp gelungen. Umso höher ist die Leistung der AfD einzuschätzen“, reagierte der Bundesparteiobmann der Freiheitlichen.

Am Montag beraten die Bundesparteien über Ausgang der Landtagswahl. Den Anfang macht am Vormittag die AfD mit einer Pressekonferenz (10.00 Uhr), anschließend folgen die FDP (11.30 Uhr), der Wahlsieger SPD (11.45 Uhr) sowie das BSW (12.00 Uhr). CDU und Linke haben ihre Pressekonferenzen für 13.00 Uhr, die Grünen für 14.00 Uhr angekündigt. In der brandenburgischen Hauptstadt Potsdam ist eine Pressekonferenz mit Spitzenkandidaten und Generalsekretären der Landesparteien geplant (11.00 Uhr).