Der deutsche Kanzler Olaf Scholz ist nach dem Aus seiner Ampel-Koalition gesprächsbereit über den Zeitpunkt einer Vertrauensfrage und der folgenden Neuwahl. Am Rande des informellen EU-Gipfels in Budapest forderte er aber eine Einigung im Bundestag darüber, welche Gesetze noch beschlossen werden sollen. Unionsvertreter lehnten es aber weiter ab, vor einer Vertrauensfrage des Kanzlers über eine Zusammenarbeit bei von Scholz noch gewünschten Gesetzesvorhaben zu sprechen.
Nach dem Bruch der Ampel-Koalition hatte Scholz angekündigt, er wolle die Vertrauensfrage erst am 15. Jänner stellen, um Wahlen „spätestens bis Ende März“ möglich zu machen. Davor will er bis Weihnachten in einer rot-grünen Minderheitsregierung noch mehrere ihm wichtige Gesetzesvorhaben durch das Parlament bringen. Die Opposition fordert hingegen eine Vertrauensfrage schon kommende Woche. CDU-Chef Friedrich Merz hatte Scholz aufgerufen, sie am kommenden Mittwoch zu stellen, wenn der Kanzler eine Regierungserklärung im Bundestag abgibt. Eine Regierungssprecherin sagte aber am Freitag, der Kanzler habe nicht vor, dies zu tun.
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Bei einer Pressekonferenz nach dem EU-Gipfel in Budapest wich Scholz dann der Frage aus, ob er am 15. Jänner für die Vertrauensfrage festhalte. Eine Einigung der Fraktionen im Bundestag zu vor der Wahl noch nötigen Gesetzesvorhaben könne auch die Frage beantworten, „welcher Zeitpunkt dann der richtige ist“, sagte er. Der Wahltermin müsse aber auch „den Anforderungen der Bundeswahlleiterin genügen, um eine ausreichende Zeit für die Organisation einer fairen und demokratischen Wahl zu berücksichtigen.“
Bundeswahlleiterin Ruth Brand warnte vor „unabwägbaren Risiken auf allen Ebenen, insbesondere auf Gemeindeebene“, wenn der Wahltermin zu früh angesetzt werde, wie der „Spiegel“ und die „Rheinische Post“ unter Berufung auf einen Brief an Scholz berichteten. Dies gelte, wenn vorgesehene Fristen in die Zeit um Weihnachten und Neujahr fielen. Laut „Rheinischer Post“ wird in der Betreffzeile des Schreibens dabei auf Wahltermine im Jänner beziehungsweise Februar verwiesen.
Merz begründete seinen Ruf nach einem frühen Wahltermin mit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump am 20. Jänner. „Am 19. Januar könnte man in Deutschland Neuwahlen machen“, sagte er dem Magazin „stern“ und RTL. Dies wäre seine Empfehlung. Mit zweieinhalb Monaten sei auch genug Zeit für die Vorbereitung der Wahl.
Merz hat am Donnerstagabend klar gemacht, dass er erst nach der Vertrauensfrage bereit ist, mit Scholz über eine mögliche Unterstützung von Gesetzesvorhaben zu sprechen. „Vorher werden wir keine Gespräche über irgendein Thema mit der verbleibenden Restregierung führen“, sagte er in der ARD. Er warf Scholz vor, mit dem Hinauszögern von Wahlen zu versuchen, „die Ausgangsposition der SPD für die Bundestagswahl zu verbessern“.
Das Gesprächsangebot von Scholz stieß dann auch auf Ablehnung von Unions-Vertretern. „Es bleibt dabei: Zuerst muss der Bundeskanzler die Vertrauensfrage im Bundestag stellen“, sagte Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) der „Rheinischen Post“ (Samstagausgabe). Zu Gesprächen über die Unterstützung etwaiger Gesetzesprojekte sei die Union erst nach der Vertrauensfrage bereit.
Ähnlich äußerte sich CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt: „Scholz versucht die Reihenfolge zu verdrehen“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Samstagausgabe). „Auf so etwas lassen wir uns nicht ein.“
Eine klare Mehrheit der Deutschen ist laut Umfragen für schnelle Wahlen: Im ZDF-„Politbarometer“ wünschten sich 54 Prozent einen früheren Termin; 30 Prozent befürworten wie Scholz eine Neuwahl im März. Zu ähnlichen Befunden kommt der „Deutschlandtrend“ der ARD: 65 Prozent wollen, dass Scholz sofort die Vertrauensfrage im Bundestag stellt, um Neuwahlen zu ermöglichen. 33 Prozent unterstützen den Zeitplan des Kanzlers.
Wenn am nächsten Sonntag wirklich Bundestagswahl wäre, käme die sozialdemokratische Kanzlerpartei SPD in den beiden Umfragen auf 16 Prozent. Klar auf Platz eins lägen die konservative CDU/CSU mit 33 beziehungsweise 34 Prozent. Die Grünen kämen auf zwölf Prozent. Die liberale FDP kommt im ZDF auf drei Prozent und in der ARD auf fünf. Die rechtspopulistische AfD kommt in beiden Umfragen auf 18 Prozent, das linke Bündnis Sahra Wagenknecht BSW auf sechs.