Düsteres Geheimnis mit Tango und Dreivierteltakt

Premiere Musical-Frühling-Gmunden: „Die Frau in Weiß“ von Lloyd Webber

Anais Lueken und Lukas Müller
Anais Lueken und Lukas Müller © Peter Kainrath

Als breit erzählte düster-romantische Mystery-Krimi-Love-Story legt Regisseur Markus Olzinger die Inszenierung der „Die Frau in Weiß“ beim Gmundner Musical Frühling an.

Kein Geringerer als Lord Andrew Lloyd Webber wollte damit 2004 frei nach dem gleichnamigen Roman aus 1804 von Wilkie Collins an seine Welterfolge („Jesus Christ“, „Evita“, „Cats“, „Phantom der Oper“…) anknüpfen.

Ein hervorragend disponiertes Ensemble

Vor herrschaftlich-britischem Hintergrund trachten zwei Bösewichter gleich drei Frauen nach Körper, Geld und Leben, ein Guter hilft im entscheidenden Moment, über allem schwebt ein schreckliches Geheimnis.

Am Freitag feierte die deutschsprachige Erstaufführung im Stadttheater Premiere. Das hervorragend disponierte Ensemble gab sich gut zwei Stunden der aufwendigen Geschichte aus dem viktorianischen England hin.

Viel gibt es da zu erklären und zu erzählen. Webber löst es mit opernhaften Rezitativen. Dirigent Jürgen Goriup instrumentiert und arrangiert ideenreich, sein Neun-Personen Orchester brilliert. Durchgängig trägt es Stimmungen, erzeugt Spannung, erklärt Gefühle, ordnet Themen zu. Zeichenlehrer Walter Hartright (Sasha di Capri) soll im herrschaftlichen Limmeridge House die Schwestern Laura und Marian unterrichten. Previn Moore erklärt als Bahnwärter die dortigen Verhältnisse.

Düsteres Ambiente für die erste Begegnung mit der geheimnisvollen weißen Frau. Im echten Leben ein Wiedersehen mit Anais Lueken vom Linzer Musicalensemble. Mit durchgeistigt hohem Sprechgesang taucht sie immer wieder auf, von ihrem Geheimnis kündend. Dramatische Ausbrüche zeugen von ihrer musicalspezifisch stimmlichen Potenz. Auch die Kollegen finden dafür ausdrucksstarke Gelegenheiten.

Sofort himmeln die Schwestern ihren feschen Zeichenlehrer an. Nach 20 Minuten wissen Zeichenlehrer und Elisabeth Sikora als Schülerin Laura um ihre unsterbliche Liebe, die aber nicht sein darf, weil die schöne Erbin Sir Percival Glyde versprochen ist. Carin Filipcic mimt als Marian eine Resolute, die letztlich zur Lösung führt. Halb Böser, halb Witzfigur, agiert mit dickem Bühnenbauch Yngve Gasoy-Romdal, tritt auf im Dreivierteltakt als Lebemann, zum Tango erliegt er Marians weiblichen Reizen. Als Rädelsführer versteckt Gerd Achilles in der Rolle des Sir Percival seine Niedertracht hinter glatter Eleganz.

Nach der Pause muss es schnell gehen. Es gilt, Erbe, Mord, Ehe und Liebschaften zu klären. Halsbrecherische Wendungen, unschlüssige Details verzeiht man, wenn die ätherischen Töne von Sikora und Lueken sich im Terzett an die kräftig-klare Stimme von Filipcic schmiegen. Wenn auch keine Hits, sind doch die Lieder eingängig und kunstvoll arrangiert. Zeit darf sich Gasoy-Romdal nehmen für eine schamlose Buffo-Arie. Atemberaubend schnell findet schließlich das Leiden der weißen Frau ein Ende, die Liebenden einander, und die eigentliche Heldin Marian ein frisches Geheimnis, in das sie nur das Publikum einweiht.

Eine durchgehend spannende Story mit eindeutigen Typen, die, Umfang und Tempo geschuldet, ihre sozialen Verwerfungen mehr erzählen als spielen. Video- und Lichtkunst (Visuals von Vame OG, Licht von Ingo Kelp) bestimmen die Bühne. Das Publikum erhebt sich zum Schlussapplaus, beeindruckt von Tod und Düsternis, und applaudiert verhalten.