Das kleine Glück auf Rezept

Pop: Die Vöcklabruckerin AVEC gastierte mit Band im Linzer Posthof

Aufrichtigkeit und Verletzlichkeit sind auch eine Waffe: die grandiose AVEC.
Aufrichtigkeit und Verletzlichkeit sind auch eine Waffe: die grandiose AVEC. © Martin Morscher

Erst noch Dunkelheit, die Stimme von AVEC aus dem Off. Flüsternd, seufzend, drängend. Eine Beschwörung in Patti-Smith-Manier, ein Herz quillt über. Die Spannung löst sich im Satz „I feel pretty alone these days“.

„Ziemlich allein“, hohe Kunst des Pop: Zwar verhandelt AVEC eine Urerfahrung von seelischem Schmerz, doch beim Zuhören umspült einen ein warmes Gefühl, ja kommt sogar Heiterkeit auf. Das Gegenteil von stupider Sentimentalität, hier entblößt jemand sein Inneres. Ein intim-öffentliches Wühlen, auch in Erfahrungen von Leben und Tod.

Donnerstag im Linzer Posthof, der Mittlere Saal war g´stopft voll. AVEC gastierte mit Band, ein Heimspiel, wie die Fußballer sagen. AVEC, bürgerlich Miriam Hufnagl, wuchs in Vöcklabruck auf, ist über nationale Grenzen hinaus begehrt. Tritt in Deutschland auf, ein Konzertmitschnitt war im Kultursender arte zu sehen.

Herzliche, überschäumende Stimmung von Beginn an. „So schön“, sagt AVEC, „irre schön!“ Auf der Bühne ist sie ein Phänomen. Keine großen Gesten, nur mit Klampfe, mehr braucht es nicht. Manchmal die E-Gitarre umgeschnallt, schaut super aus, Rock´n´Roll-Gestus im ziemlichen braven Kleid. Klare, einnehmende Stimme, völlig unaufdringlicher Charme.

Früh das hinreißende „Dance Solo“. „I hear you like an echo/ as if you are in my head/ my head.“ Eine Liebkosung, als würde sie jeden Besucher persönlich ansprechen. Corona war und ist, zwei Jahre Zeit, AVEC hatte „irgendwie das Gefühl, den Glauben an die Menschheit zu verlieren“. Ein verbissenes Gegeneinander, und sie fragte sich, „what the fuck geht ab?“ Die Ratlosigkeit in einen Song gegossen, „Look Around“. Und wieder kleines AVEC-Wunder: Das Lied tut richtig gut, macht Freude.

Seit „What If We Never Forget“ von 2016 hat sich breites Liedgut angesammelt. Vom Debütalbum auch der Song „For Me“. Kaum fassbar, dass eine 20-Jährige diesen „klassischen“ Kuschelschunkler schrieb. Eine kumpelhafte Aufforderung das verdreht-witzige „Feel Good“, ein großes Lied „Under Water“. Handelt von Depression und stachelt dennoch zur Bewegung an. Kann nur klug sein, wenn du zu dieser Musik deinen Hintern schwingst!

„Nothing To Me“ läutet die Sperrstund´ ein, als Rausschmeißer „Home“. Vor dem Posthof fröhliche Gespräche, Gekicher. Man verlässt ein AVEC-Konzert als glücklicherer Mensch. Gibt´s das auch auf Rezept?

Von Christian Pichler