„Man muss mich schon mit Gewalt entfernen“

Regisseur Robert Dornhelm dreht mit 75 Jahren mehr und größer

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FOTOTERMIN ORF ANL. PRSENTATION "VIENNA BLOOD - DIE LETZTE © APA/Hochmuth

Ab 30. Dezember zeigt der ORF neue Folgen von „Vienna Blood“, verantwortlich zeichnet erneut Robert Dornhelm, der kürzlich seinen 75. Geburtstag feierte. Ab Mitte Jänner dreht der Regisseur in Ungarn die vom ORF koproduzierte Serie „Rise of the Raven“ weiter und erzählt darin ein Stück europäische Geschichte.

VOLKSBLATT: Sie haben einmal gesagt, gerade historische Stoffe müssen für heutiges Publikum relevant sein. Inwiefern trifft das auf die drei neuen Folgen von „Vienna Blood“ zu?

ROBERT DORNHELM: Man sagt das leicht dahin, was ich dahingesagt habe, aber es ist nicht dieser Fingerzeig „Habt ihr nichts von der Geschichte gelernt?“. Es ist nicht diese 1:1-Relevanz. Man erkennt Dinge vielleicht in Nuancen und wird sensibilisiert für Fehler, die wir schon einmal gemacht haben. Wenn Symbolismus zufällig entsteht und die Sache trifft, ist es wunderbar. Wenn man Symbole aber bewusst einsetzt, das ist wie mit dem Holzhammer. Das ist nicht das, was ich meine.

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Sie haben mir auch schon ‚mal — in Bezug auf die Linzer Klangwolke — gesagt, dass Sie nie zufrieden seien.

Das stimmt nach wie vor …

Macht eine Serie vielleicht zufriedener, wenn man Staffel für Staffel daran arbeitet?

Ich bin im Nachhinein kritisch. Bis sie zur Welt kommen sind die Filme meine lieben Babys, die lernen müssen, zu gehen. Für mich ist „Vienna Blood“ keine Serie, jede Folge ist eine Geschichte für sich. Eine Serie mache ich gerade zum ersten Mal, die Geschichte des ungarischen Feldherren Janos Hunyadi. Da habe ich anfangs gesagt, ich mache nur die ersten zwei Teile, aber jetzt hat sich herausgestellt, dass sie mehr von mir wollen, jetzt werden es fünf Stück.

Ich würde gerne mit Ihnen über „Rise of the Raven“ sprechen, aber noch einmal zurück zu „Vienna Blood“: Wie historisch korrekt geht’s da zu, bzw., das würde mich noch mehr interessieren: Wie wichtig ist Ihnen das?

Das ist mir überhaupt nicht wichtig Ich möchte eindeutige Fehler natürlich vermeiden, aber ich bin nicht kleinlich. Es ist kein historischer Archivfilm, wo alles stimmig sein muss. Wo die Leute dann sagen, das Gebäude stand aber damals noch nicht da. Ich bin kein Bankbeamter, der alles kontrolliert, das ist nicht mein Stil. Ich kenne Kollegen, denen genau das wichtig ist. Für mich ist es der Geist der Geschichte, der stimmig sein muss.

Gibt es noch genug Stoff für weitere „Vienna Blood“-Geschichten?

Stoff, ich weiß nicht. Aber Matthew Beard ist ein sehr gefragter Schauspieler, der hat viele Spielfilmangebote, und es wird sehr schwierig werden, das terminlich hinzubekommen. Aber einen Schluss sollte es schon geben, finde ich. Es wird vielleicht keine drei Folgen mehr geben, aber irgendeinen würdigen Abschluss schon.

„Rise of the Raven“ — war das auch wieder einer dieser Fälle, wo Produzenten nicht sehr fantasievoll sind, und Sie als Spezialisten für Historisches holen?

Die wissen, der kann das, der geht nicht übers Budget, der hat keine Angst vor Soldaten, vor Schlachten. Ja, da habe ich schon einige gewonnen. Ich habe schon mit Römern, Ägyptern, Nazis gekämpft, und ich habe immer überlebt. (lacht) Daher vertraut man mir. Ich habe keine Angst vor Armeen, die tragen nur immer unterschiedliche Uniformen. Ich habe die Erfahrung, ich will nicht Routine sagen — ich will nicht aus der Routine heraus arbeiten, sondern aus der Leidenschaft heraus. Und man hat gute Feldwebel, also Assistenten, die mit Lautsprechern herumgehen. Ich habe bei „Rise of the Raven“ ein Team von 265 Mann. Alleine, Toiletten und Wasser zu organisieren, ist eine militärische Aufgabe. Dazu kommen 80 Pferde, Stallungen, Futter, das Wegbringen von den Pferdeäpfeln … Ich habe gesagt, ich übernehme die Pferdeäpfel, das sind Unmengen.

Die kann man ja verkaufen …

Ich habe mal in Malibu, als ich einen Feigenbaum gepflanzt habe, einen Lastwagen mit Pferdemist bekommen. Daraufhin ist der Feigenbaum explodiert.

Es sind bei „Rise of the Raven“ auch unglaublich viele Schauspieler dabei. Mögen Sie diese Dimensionen?

Nein, sie sind mir eigentlich suspekt und zuwider. Ich mache lieber so kleine Familiendramen oder persönliche Filme. Ich komme ja vom Dokumentarfilm, von kleinen Geschichten. Bei so Großprojekten muss man zum Kern der Sache kommen, dann geht es wieder. Das ist wie mit einem Riesenkreuzfahrtschiff herumzufahren, da brauchst du eigentlich drei Kapitäne, um das Publikum am Schiff irgendwie bei Laune zu halten. Das ist gewöhnungsbedürftig, und ich tue mir am Anfang immer schwer mit so großen Teams. Da weiß ich nach zwei Wochen Dreh noch nicht, wer wer ist. Da müssten sie so Täfelchen tragen, wo drauf steht, wie sie heißen und was sie machen.

Es sind bei den vielen Darstellern auch einige aus Österreich dabei, Laurence Rupp, Murathan Muslu, Cornelius Obonya … Welche Rollen haben Sie bekommen?

Große! Der Muslu ist der Sultan, eine sehr schöne Rolle. Cornelius Obonya spielt König Friedrich III. und Laurence Rupp einen österreichischen Habsburger, der seine Ehe nicht vollziehen kann. Für die Gründe haben wir uns noch nicht entschieden. Vielleicht hat er keine Vorliebe für Frauen. Wir haben das so angelegt, dass mehrere Möglichkeiten bestehen. Auf jeden Fall ist er ein anständiger österreichischer Aristokrat.

Und Murathan Muslu ist der große Bösewicht …

Witzigerweise hat er da selber seine Bedenken gehabt. Er hat gesagt, wenn das irgend so ein Vergewaltiger ist, der junge Mädchen in den Harem zieht, dann sei das nichts für ihn. Aber wenn man auch eine gewisse Menschlichkeit sieht und ein Interesse für den Charakter da ist, dann mache er das gerne. Sein Türkisch muss er halt auffrischen, weil das ist nicht mehr so gut, wie es sein sollte. Mit Coach geht das. Der Film wird in sechs Sprachen gedreht. Jede der Nationen muss ihre sprechen. Ich kann einige davon, daher haben sie mich, glaube ich, auch engagiert. Es wird ungarisch, tschechisch, polnisch, italienisch, deutsch und türkisch gedreht.

Es klingt nach einer Mammutaufgabe, das alles unter einen Hut zu bekommen.

Ja! Unsere Verleiher behaupten felsenfest, dass das ansonsten unverkäuflich wäre. Ich denke eher, so ist es unverkäuflich. Aber das ist nicht meine Entscheidung. Ich habe ja schon einige solcher Sachen hinter mir, wie „Krieg und Frieden“. Da waren auch acht verschiedene Länder involviert. Oder bei „Maria Theresia“ haben wir auch tschechisch und deutsch gedreht und dann synchronisiert.

Bis Juni 2023 wird gedreht, dann wird es bis übernächstes Jahr dauern, bis man es zu sehen bekommt, oder?

Ja, weil es gibt sehr viele visuelle Effekte. Aber die ersten beiden Teile wollen wir schon im Sommer in Cannes anbieten, also dann müssen wir damit fertig sein, damit die Serie, die zehn Stunden dauern wird, auf den Markt gebracht werden kann. Ausgestrahlt wird sie, glaube ich, erst 2024.

„Rise of the Raven“ handelt von Skandalen, politischen Machtspielen im Europa des 15. Jahrhunderts. Das könnte man ja 1:1 auf das heutige Europa umlegen …

Ohne Weiteres! Da gibt es den Bezug ja voll. Es gibt die Zuwanderung, die Islamisierung Europas. Im Gegensatz zu damals werden jetzt die guten Christen aus der Ukraine mit offenen Armen empfangen, die Syrer will man nicht ins Land lassen. Da kann man schon Parallelen zur Völkerwanderung ziehen. Aber die einen kamen damals mit Waffen, die anderen wollen nur überleben.

Ihren 75. Geburtstag am 17. Dezember haben Sie im Flugzeug verbracht. Hätten Sie einen anderen Beruf, wären Sie bereits in Pension. Denken Sie ans Aufhören?

Nein, man muss mich schon abschießen, mit Gewalt von der Regiebühne entfernen. Freiwillig gebe ich es nicht auf. Das ist für mich nicht Arbeit, das ist Vergnügen, ein Privileg. Früher hätte ich gefragt, wieviel ich bezahlen muss, um das machen zu können. Ich mache jetzt im hohen Alter mehr als in jungen Jahren. Das empfinde ich als das größte Geschenk, das man mir machen kann.

Interview: Mariella Moshammer