Von Kopftuch und Eiernockerl

Hijab-Verbot an Österreichs Schulen ist passé, aber im Iran-Kontext eine neue Überlegung wert

Das Veröffentlichen eines Eiernockerl-Fotos in mutmaßlich braunem Kontext wird hierzulande strafrechtlich geahndet...
Das Veröffentlichen eines Eiernockerl-Fotos in mutmaßlich braunem Kontext wird hierzulande strafrechtlich geahndet... © babsi_w — stock.adobe.com

Eiernockerl mit grünem Salat — gibt es politisch Unbedenklicheres? Was überhaupt soll daran politisch sein? Nichts, denkt man. Weit gefehlt. Eiernockerl mit grünem Salat mögen per se unpolitisch sein. Doch wer sie am 20. April genießt und das öffentlich kundtut, steht mit einem Bein im Häf’n.

Auf Kontext kommt es an

Denn auf den Kontext kommt es an. Deshalb wurde ein burgenländischer Polizist mit FPÖ-Hintergrund zu zehn Monaten bedingter Haft und 6300 Euro verurteilt, weil er am 20. April 2021 dieses gepostet hatte: „Mittagessen heute! Eiernockerl mit grünem Salat!“ Alle Beteuerungen, nichts mit Nazis am Hut zu haben, nützten nichts. Der Kontext wog schwerer.

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Die Justiz erfreut sich auf diesem Feld tatkräftiger Unterstützung. Am 20. April des Vorjahres twitterte Armin Wolf empört: „Es gibt tatsächlich noch immer Lokale, die zufällig am Tag von Hitlers Geburtstag dessen Lieblingsgericht auf die Tageskarte setzen.“ Der ORF-Anchorman hatte einen Wirten gefunden, der die Nazinockerl noch dazu um 8,80 Euro anbot. Wo doch 88 ein Neonazi-Code für „Heil Hitler“ sei.

Es kann nicht schaden, wenn die Gesellschaft wachsam ist und alles brandmarkt, was im NS-Kontext gesehen werden kann, selbst wenn der strenge Maßstab Missverständnisrisiken birgt. Wer nicht weiß, was der Gröfaz gern gegessen oder getrunken hat, sollte am 20. April beim Posten vorsichtig sein. Obacht, Veganer: Hitler war Vegetarier.

Selektive Sensibilität

So löblich das empfindliche Sensorium für den Nationalsozialismus ist, so schwach ausgeprägt ist der kontextualisierende Eifer in Bezug auf anderen „Ismen“.

Stichwort: Sozialismus. Weder Justiz noch Politik oder Medien kümmert die Existenz einer Partei, die gerade das 100. Gründungsjubiläum der Sowjetunion als „größte staatspolitische Errungenschaft der revolutionären Arbeiterklasse“ abgefeiert und deren Untergang als „Sieg der Konterrevolution“ betrauert hat. Die „Partei der Arbeit“ darf dies ungeachtet aller historischen Kontexte ungestraft tun und sogar für ein Sowjetsystem in Österreich kämpfen. Kratzt keinen.

Stichwort Islamismus: Man hat sich damit abgefunden, dass ein zentrales Symbol der Islamisten nicht zu tilgen ist. Nachdem der Verfassungsgerichtshof vor zwei Jahren das Kopftuchverbot für Schülerinnen als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz ausgehebelt hat, musste die ÖVP realistischerweise auch das mit dem grünen Koalitionspartner vereinbarte, diesem ohnehin nicht schmeckende Vorhaben eines Kopftuchverbotes für Lehrerinnen aufgeben.

Kopftuch und Gottesstaat

Diesen Triumph verdankt der politische Islam einem höchstrichterlichen Äpfel-Birnen-Vergleich. Der monierte Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz resultiert aus der Tatsache, dass nur das islamische Kopftuch, nicht aber die jüdische Kippa oder die katholische Nonnentracht von dem Verbot betroffen sein sollten.

Da weder Kippa noch Velan ein extremistisches Symbol darstellen, böte sich eine Neuauflage der Kopftuchdebatte vor dem Hintergrund des Aufstandes gegen die iranische Theokratie an. Der hatte bekanntlich seinen Ursprung im Tod einer ihr Kopftuch nicht vorschriftsmäßig tragenden Frau. Viele Menschen mussten seither sterben, weil der Gottesstaat die Kopftuchpflicht mit aller Gewalt durchzusetzen versucht. Da eine solche auch in anderen islamischen Staaten gilt oder zumindest propagiert wird, ergibt sich ein eindeutiger Kontext: Entgegen allen muslimbruderschaftlichen Bemühungen, den Hijab sogar als Akt der Befreiung umzudeuteln, ist das islamische Kopftuch ein Symbol der Unterdrückung — mittlerweile nicht nur von Frauen, sondern auch von Männern, die Hijab-Verweigerinnen beistehen. In Deutschland etwa kämpft der Religionspädagoge Abdel-Hakim Ourghi, der ein Buch wider das Kopftuchgebot geschrieben hat, gegen den von Islam-Fundis betriebenen Entzug der Lehrbefugnis.

Jeder kopftuchttragenden Muslima und jedem sie dazu verdonnernden Muslim sollte daher — auch per Gesetz — klar gemacht werden: die Unschuldsmiene zieht hier genauso wenig wie bei Eiernockerl mit grünem Salat am 20. April.

Eine Analyse von Manfred Maurer