Aksel Lund Svindal über Qualen und Temperament

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Man spürt noch deutlich, dass Aksel Lund Svindal das Skifahren mit jeder Faser liebt. Trotzdem hat der 38-Jährige vor zweieinhalb Jahren seine Profikarriere beendet. Ins Kino kehrt der sympathische und tiefenentspannte Norweger in der Doku „Aksel“ zurück. Der Film feierte am Freitagabend auch im Hollywood Megaplex Pluscity im total ausverkauften Saal Premiere.

VOLKSBLATT: Mit dem Ende Ihrer Profikarriere haben Sie den Medienrummel hinter sich gelassen. Jetzt sind Sie wieder mitten drin. Haben Sie es vermisst?

AKSEL LUND SVINDAL: Die Ruhe ist eigentlich ganz schön, aber auch die andere Seite. Filip Christensen (Regisseur, Anm.) hat mich 2015 gefragt, ob er ein bisschen mit mir mitgehen könnte und filmen. Ich habe „ja“ gesagt, und dann ist es irgendwie mehr und mehr geworden. Jetzt ist der Film da und ich habe schon viele gute Rückmeldungen gekriegt. Zuerst in Norwegen und jetzt habe ich die Möglichkeit, den Film in Österreich zu zeigen. Und das Interesse hier schaut auch richtig gut aus. Man muss das als etwas Positives nehmen. Wenn der Film nicht gut wäre, wäre auch kein Interesse da, dann wäre auch keine Presse da. Aber sonst muss ich eigentlich nicht so viel Wirbel haben. Ich kann gut alleine skifahren gehen, und es wird auch schön, wenn es eine Weihnachtspause gibt (lacht).

Haben Sie mit dem Ansturm gerechnet?

Es ist nicht selbstverständlich, dass ich als Norweger eine Doku mache, und dass das hier so gut ankommt. Ich bin schon überrascht, aber eigentlich hätte ich es auch wissen müssen. Es ist schon brutal: Nicht nur, wie groß das Interesse der Österreicher am Skifahren ist, sondern auch, wie groß das Wissen über den Sport ist. Wir haben von einem Editor aus New York Hilfe gehabt. Der hatte keine Ahnung vom Skifahren. Und er hat geschaut, dass der Film auch cool für jene ist, die nicht so viel Ahnung vom Skifahren haben. Man braucht eine Story, die auch für die Sinn macht. Die neunjährige Tochter eines Freundes hat den Film auch gesehen. Er hat ihr sehr gut gefallen, und bei ihrer Geburtstagsfeier hat sie ihn dann mit mehreren Kindern noch einmal geschaut. Das zeigt, dass der Film für alle gut funktioniert.

In der Doku gibt es u.a. auch Videos aus Ihrer Kindheit zu sehen. War es schwer für Sie, so intime Einblicke zu geben?

Ich vertraue Filip, weil er mein Freund ist. Ich wusste, dass, wenn etwas Komisches passiert, während er filmt, dass ich ihm vertrauen kann. Das war auch die Garantie für mich, meine Familie und meine Teamkollegen, entspannt sein zu können. Auch bei den Aufnahmen als ich Kind war, habe ich ihm das Vertrauen geschenkt. Ich habe den Film gesehen, als er ins Kino kam.

Also wirklich viel Vertrauen …

Ja! Wenn ich jetzt das Plakat sehe … also, einen Kinofilm über sich selbst zu haben …

… das ist schon cool, oder?

Ja, aber es ist auch fast ein bisschen zu viel. Ich hätte den Film selbst nicht machen können, das musste jemand anderes machen, der objektiv ist. Das Einzige, was ich wissen musste, dass es, etwa für meine Teamkollegen wie Kjetil Jansrud, fair ist. Sonst war das nach dem Motto: Macht das einfach!

Die Qualen und Schmerzen, die man in vielen Szenen sieht, durchleben Sie die beim Anschauen noch ‘mal?

Das war leider ein großer Teil meines Alltags der letzten drei Jahre meiner Karriere. Wenn ich das sehe, weiß ich genau, warum ich das gemacht habe und dann ist es nicht so schlimm. Ich habe das gemacht, weil ich das Skifahren liebe, meine Teamkollegen, den Sport! Wenn ich die Stürze sehe, ja, ok, das ist scheiße. Aber auf der anderen Seite ist das ein Teil des Sports.

Für den Zuschauer ist das vielleicht sogar schlimmer.

Ja, vielleicht ist das wirklich so, weil, wenn ich so etwas in einer Sportsendung sehe, finde ich es auch sehr schlimm. Das jetzt in einem Film zu sehen, ist anders. Ich habe es mitgemacht, ich habe das Risiko gekannt — und ich habe es trotzdem gemacht. Und ich würde es auch noch einmal so machen. Ich war 17 Jahre beim Weltcup dabei. Ok, da waren Jahren dabei, die nicht so cool waren, aber das Gesamtpaket, das ist keine Frage, das war ein Traum.

Also, jeder Schmerz hat sich ausgezahlt?

Ja. Es ist nicht so, dass man etwas auswählen kann, man muss das Gesamtpaket nehmen. Ich kann jetzt nicht skifahren, nur ein bisschen; ich kann nicht laufen, also nicht Fußballspielen. Das ist ein bisschen schade. Aber ich würde es trotzdem noch einmal machen, weil ich habe viel mehr bekommen, als ich verloren habe. Ich glaube, da kannst du alle fragen, die die Möglichkeit hatten, wie ich, länger dabei zu sein und Erfolge zu haben. Die würden es alle noch einmal machen, da bin ich mir zu einhundert Prozent sicher. Felix Neureuther hat heute noch Probleme, Lindsey Vonn … da kannst du alle fragen, die würden alle die selbe Antwort geben.

Man sieht, dass Sie sehr sehr ehrgeizig sind, wir würden sagen, ein richtiger Beißer. Trotzdem wirken Sie immer sehr entspannt. Wie geht das?

Weil ich ein ganz ruhiger Typ bin. Das heißt nicht, dass ich nicht weiß, was ich will. Das ist einfach mein Temperament. Ich kann zwar auch im Kopf ein bisschen heiß werden, aber das ist ganz selten. Ich bin auch nie so extrem beim Feiern. Marcel Hirscher, Stenmark, Hermann Maier, Tomba, sonst gibt es kaum jemanden, der richtig oft beim Skifahren gewonnen hat. Es gab drei-, viermal in meiner Karriere so wochenlange Phasen, wo ich gewonnen, gewonnen, gewonnen habe. Es geht für alle immer rauf und runter. Ich würde es nicht aushalten, wenn ich jedes Mal mental im Keller wäre und dann wieder feiern und dann wieder Keller … Ich wäre dann kaputt. Andere Typen schaffen es oft nicht, auf einem hohen Niveau stabil zu sein, weil das viel zu viel Kraft kostet.

Man sieht in der Doku Ihren fast unglaublichen Willen. Haben Sie Tipps für uns alle?

Ich habe immer Ziele gehabt, die nahe waren. Wenn man an etwas denkt, das zu weit in der Zukunft liegt, dann ist es schwierig, die Motivation zu finden. Man denkt, das sei viel zu schwierig, das kommt erst in zwei Jahren. Wenn man das angeht, was morgen oder übermorgen ansteht, dann kann man in Summe mit allen Schritte, wenn die in die richtige Richtung gehen, total viel erreichen.

Wenn Skifahrer in Interviews häufig sagen, sie denken nicht an den Gesamtweltcup, dann ist das also wirklich so?

Man muss so denken, sonst bist du fertig. Von heut bis 1. März kann soviel passieren. Aber wenn du schaust, dass du aus dem, was heute da ist, das Beste machst, dann wird es in Summe gut. Das ist das Gleiche, wenn man trainiert, oder eine Reha macht, oder in der Schule. Ich finde es cool, wenn man eine Herausforderung sieht, und probiert, die einzelnen Teile zu sehen, und die kann ich dann schaffen. Das kann vielen helfen.

Wohin gehen denn Ihr Ehrgeiz und Ihre Energie heute?

Ich bin zwar nicht der Typ, der immer verbissen am Start steht, aber wenn ich was mache, will ich es richtig machen. Ich bin heute viel entspannter, aber was ich immer noch sehr gut finde, ist, mit anderen Leuten an Herausforderungen und Zielen zu arbeiten. Ich habe gemerkt, dass Gründer von Start-Ups, vorallem im technologischen Bereich, mental ähnlich wie Athleten sind. Die geben alles, die haben kein Problem mit Risiken und sie wissen, dass das Resultat am Ende schwarz oder weiß ist. Und damit leben sie gut, weil sie wissen: Wenn es gut wird, dann wird es richtig gut! Ich habe viel in Start-Ups investiert und sitzen auch in vielen Vorständen, arbeite mit vielen kleinen Unternehmen. Ich habe das schon während meiner Skikarriere begonnen, jetzt ist das meine Arbeit. Viele Projekte beschäftigen sich auch mit Umweltschutz. Ein Thema, bei dem wir alle mitmachen müssen.

Sie moderieren in Norwegen „Master of the Masters“. Wäre Schauspielerei etwas für Sie?

Ich glaube nicht, aber das habe ich beim Moderieren auch gesagt. Bei der TV-Show habe ich teilgenommen und gewonnen, und dann habe ich das Angebot gekriegt, zu moderieren. Es ist mittlerweile die größte Fernsehshow in Norwegen. Ich dachte, wenn ich moderieren will, dann mit dem besten Team, weil da kann ich richtig viel lernen. Am 1. Jänner wird die Show gezeigt. Nächstes Jahr werde ich es auch machen, dann schauen wir.

Der Skiweltcup ist ein großes Spektakel, manchmal zu sehr?

Es ist total schwierig zu sagen, wo das Limit ist. Es ist Outdoor-Sport, da sind soviel Komponenten. Aber ja, es ist teilweise über dem Limit. Aber oft wegen der Komponenten, die wir nicht einhundertprozentig unter Kontrolle haben. Damit muss man leben, aber man sollte auch versuchen, es mehr unter Kontrolle zu bekommen. Weil Rennen, wo fünf Leute im Krankenhaus landen und das Rennen immer wieder gestoppt wird: das ist nicht schön! Die Zuschauer wollen schon ein Spektakel sehen, aber die wollen sehen, dass die Athleten nach einem Sturz wieder aufstehen und ins Ziel fahren. Es ist schon am Limit, aber es ist auch ein toller Sport. Es ist wichtig, die Balance zu finden. Ich bin schon ein Riesenfan des Sports. Auch weil es so fair ist. Die Zeitmessung steht da, man kann nichts tricksen und es gibt so viele extrem nette Leute. Ich glaube, ein Sport, bei dem Konkurrenten so gute Freunde sind, das sieht man sonst fast nirgends. Ich bin auch stolz auf den Film, weil man noch besser als bei den Live-Übertragungen sieht, wie gute Freunde wir sind.

Ein besonderes Spektakel ist Kitzbühel. Haben Sie Ihren Frieden damit geschlossen?

Dreimal habe ich den Super-G dort gewonnen, bei der Abfahrt bin ich Zweiter geworden. Logisch hätte ich die Abfahrt auch gerne gewonnen. Aber es ist kein Wunschkonzert. Man muss dankbar sein, für das, was man bekommen hat und darf nicht böse sein. Ich war gerade in Kitzbühel, habe Freunde getroffen. Es ist alles ok (lacht).

Mit AKSEL LUND SVINDAL sprach Mariella Moshammer

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