Algen gegen das Geldgetriebe

„Grün“: Romandebüt des Innviertlers Josef Zweimüller

Josef Zweimüller. Grün. Picus, 320 Seiten, € 24 © Picus Verlag

„Ich bin das System“ heißt ein jüngerer Song der österreichischen Pop-Combo „Das trojanische Pferd“. An dieses witzig-schlaue Lied könnte denken, wer Josef Zweimüllers Romandebüt „Grün“ liest. Ist es nur der Held Jona oder der Autor, der aus diesem Dilemma nicht herausfindet?

Dass, wer sich an Gesellschaft, am „System“ abarbeitet, unweigerlich auch Teil davon ist?

Zweimüller behilft sich, indem er ein Comic-artiges Szenario entwirft. Gut und Böse sind klar getrennt, ebenso unversöhnlich nebeneinander Technik und Natur. „Stadt“ macht krank, Freizeit ist ökonomisch organisierter Zwang. Pseudopfiffige Getränke in Themenlokalen, während sich draußen Jogger und Radfahrer verlustigen, „die am Teich eine Pause einlegten, um auf ihren Fitnessuhren und Smartphones herumzudrücken“.

Den Gegenpol zu „Stadt“ bildet der Waldmensch Jona, der im von der Mutter angekauften Häuschen nach einem autonomen Leben strebt. Den Verlust seiner Eltern kreidet Jona der „Stadt“ an. Den karrieretechnisch überforderten Vater fällte ein Herzinfarkt, die Mutter Fenja, eine Kunstmalerin, sprang aus dem 15. Stock in die Tiefe, nachdem sie ihr Herz an einen erfolgreichen Anwalt verschenkt hatte.

Dass dem weltabgewandten Jona eine zierliche, liebesbereite (und kampfstarke) Frau über den Weg läuft, ist eine schicke, popkulturell vielfach erprobte Männerfantasie. Jonas Gefährtin ist die japanischstämmige Hikaru, die er bei einem von ihm organisierten Überlebenstraining kennenlernt. Hikaru trauert um ihre tote Zwillingsschwester, vor allem der Schmerz bindet Jona und Hikaru aneinander. Doch sie trennen sich, Hikaru kehrt in die Stadt zurück, wo sie bald auf Zeichen von Jonas Gegenwart stößt.

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Eine Schwäche von „Grün“ ist, dass neben Jonas Männerego die Trauer Hikarus nur wenig Platz hat. Doch vieles im Roman ist gut durchdacht und komponiert. Kursiv gedruckt sind in kürzeren Passagen die Stimmen von Netzwerken zu vernehmen. Im ersten, dem Wald-Teil, flüstern Bäume, im zweiten giert das Internet nach Sensationen. Eine solche ereignet sich, als ein „Stadtaffe“ sich an Werbeplakaten vergeht und Geldautomaten mit Algen verstopft. Jona?

Der 1967 im Innviertel geborene Zweimüller flicht in „Grün“ reichlich Mythen der Zivilisationsabkehr ein. Von Henry David Thoreau bis Tarzan, eine Fassadenkletterei nach King-Kong-Art inklusive. Den Krimi-Plot — Hikarus Ergründung des Todessturzes von Jonas Mutter — lässt Zweimüller eher ins Leere laufen. Er hat Existenzielles im Visier. Wie ein Mensch zum anderen und zu sich selbst findet. Das bleibt stets eine suchende Bewegung.

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