Als Fußball Kunst war

Herrliche Hommage: „Maradona, der Goldjunge“ im arte-Stream

Diego Maradona in Action
Diego Maradona in Action © Popperfoto

Maradona im Dress des FC Barcelona, er hat den Tormann von Real Madrid umspielt, müsste den Ball nur noch ins leere Tor schieben. Aber Maradona wartet auf den heranrauschenden Verteidiger, den er mit einem kurzen Haken ins Leere schlittern lässt. Tor! Ist das Kunst oder Humor? Eher beides. Diego Armando Maradona Franco, in einem Armenviertel von Buenos Aires aufgewachsen, sagt schon als Knabe in einem Interview: Er will Weltmeister mit Argentinien werden. Das geschieht 1986 in Mexiko. Im Viertelfinale 2:1 gegen England, Maradona trifft erst mit der „Hand Gottes“ und finalisiert Minuten später ein außerirdisches Dribbling. Das „Tor des Jahrhunderts“, wie es völlig zu Recht heißt.

Das leidenschaftliche Herz Maradonas hörte am vergangenen Mittwoch endgültig auf zu schlagen. Der Kultursender arte gedenkt mit einer herrlichen TV-Doku des Fußballers, Menschen und Mythos, der in seiner Heimat wie ein Heiliger verehrt wird. „Fußball ist einfach ein Ball, mit dem 22 Kinder spielen“, sagt Maradona. Die Fans lieben das Kind Diego, in Europa verstehen ihn nicht alle. Vom mondänen Klub Barcelona, bei dem er nicht glücklich wird, flüchtet Maradona nach Neapel. Dort verehren sie ihn auch, und wie! Er tritt an gegen die reichen Norditaliener und die großkopferten Hauptstädter, ein direkt verwandelter Eckball gegen Lazio Rom, 1987 erster Meistertitel für den S.S.C. Napoli.

Das Kind hält sich für Gott, Koks und Doping, Maradona wird gesperrt und steht vor Gericht. Das Kind ist auch Mensch. Das Herz angegriffen, „der dicke, im Ambulanzwagen gestrandete Wal“, heißt es im Film. Maradona lässt sich in Castros Kuba aufpäppeln. Die große Politik umgarnt ihn lebenslang, der gruselige Diktator Videla den U21-Weltmeister, später der letztlich enttäuschende Demokrat Carlos Menem. In den Nullerjahren schlittert Argentinien in die ökonomische Krise, auch nach seinem Karriereende als Fußballer ist Maradona Fixstern am trüben Firmament. Ein Patriot der sympathischen Art, „Argentinien ist das schönste Mädchen der Welt“, sagt er. So reden keine Nationalisten.

Kritisch & herzerwärmend

Jean-Christophe Roses Dokumentation „Maradona, der Goldjunge“ (2006) ist gleichermaßen kritische und herzerwärmende Hommage an ein Idol. Im TV und bis 1. Juni 2021 im Stream (arte.tv/de und bis Freitag auch unter tvthek.orf.at).

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von Christian Pichler

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