Alte Männer in trauriger Seelenlandschaft

„Der Schein trügt“ von Thomas Bernhard im Stadttheater Gmunden

Zwei großartige Schauspieler schlüpfen in Bernhard-Figuren: Sven-Eric Bechtolf und August Zirner.
Zwei großartige Schauspieler schlüpfen in Bernhard-Figuren: Sven-Eric Bechtolf und August Zirner. © Rudi Gigler

Thomas Bernhard mag man oder man mag ihn nicht. Dazwischen gibt es nichts. Darum polarisiert der Dramatiker nach wie vor, und darum ist es immer auch ein gewisses Wagnis, eines der Stücke des Wahl-Oberösterreichers auf die Bühne zu bringen. Im Rahmen der Salzkammergut Festwochen hat man sich dieser Herausforderung mit dem Zwei-Personen-Stück „Der Schein trügt“ aus dem Jahr 1984 gestellt. Erfolgreich in jeder Hinsicht. Premiere im Stadttheater Gmunden war am Mittwoch.

Verhasste Treffen

Die Halbbrüder Karl und Robert treffen sich jeden Dienstag und jeden Donnerstag, im Grunde höchst unwillig und zwanghaft, betonen doch beide, dass sie diese Dienstage und Donnerstage hassen. Die Treffen selbst spiegeln tragisch-ironisch die traurigen Seelenlandschaften zweier gealterter Männer wider, die weder im Jetzt noch in ihrer Rest-Zukunft eine Lebensperspektive sehen. Und der Blick in die Vergangenheit ist auch nur dadurch erträglich, dass man sich die Dinge schönredet. Stichwort reden: Karl und Robert sind völlig unfähig, miteinander zu reden, sie monologisieren die meiste Zeit und selbst vermeintliche Gesprächsansätze bringen keine wirkliche Annäherung.

Zwei Welten

Im Gegenteil, es wird umso deutlicher, dass zwei Welten, zwei diametrale Existenzen aufeinanderprallen: Hier der Artist Karl, der durch seine Jongliernummer mit 23 Tellern vermeintliche Berühmtheit erlangte und dort der Schauspieler Robert, dem der große Durchbruch nie gelungen ist und der es nie geschafft hat, den „König Lear“ zu spielen. Karl fühlt sich darüber hinaus in geradezu penetranter Weise als großer „Geistesmensch“ und Philosoph, Robert wiederum lebt seine Hypochondrie aus. Dazu kommt, dass offensichtlich erst kürzlich Karls Frau Mathilde gestorben ist, zu der aber auch Robert eine nicht deutlich erkennbare Art von Beziehung hatte. Jedenfalls hat sie ihm ihr Wochenendhäuschen vermacht, was bei Karl „naturgemäß“ Irritationen auslöst.

Theater-Schwergewichte

Die Aufführung bei den Salzkammergut Festwochen in Gmunden war als szenische Lesung konzipiert, Inszenierung Hermann Beil. Für die Rollen der Brüder konnten zwei Theater-Schwergewichte gewonnen werden: Sven-Eric Bechtolf und August Zirner. Und sie waren es auch, die den Figuren des „Übertreibungskünstlers“ Bernhard Menschlichkeit, Emotionen, Tiefe gaben. Wie Bechtolf seine aus totaler Verunsicherung kommende Überheblichkeit anlegte und Zirner seine „patscherten“ Versuche startete, so etwas wie Zuwendung und Liebe von seinem Halbbruder zu bekommen — das war Schauspielkunst in allerhöchster Qualität.

Der Dienstags- bzw. Donnerstagsraum war durchaus als „Szene“ gestaltet, so dass die „Lesung“ in den Hintergrund trat. Die beiden Protagonisten spielten mehr als sie lasen und dass sie trotzdem ihre schwarzen Textbücher dabei hatten, fiel nach kurzer Zeit kaum mehr auf.

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Nach zweieinhalb Stunden — inklusive Pause — bestätigte die Begeisterung des Publikums zwei Dinge: Dass einerseits doch vor allem Leute da waren, die Bernhard mögen, und dass andererseits eine außerordentliche schauspielerische Leistung ihren verdienten Applaus bekam.

Von Werner Rohrhofer

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