Am Gipfel des Schneeberges

Niederösterreich ist nicht nur groß, sondern auch die Höhenunterschiede sind enorm. Der niedrigste Punkt ganz im Osten des Landes liegt lediglich 139 Meter über dem Meeresspiegel, der höchste Punkt im Schneeberg-Massiv hingegen 2076, ist also um 1937 Meter höher gelegen. Und beide Punkte sind noch dazu im selben Viertel des Landes – ja, das Industrieviertel ist abwechslungsreicher als man vermutet ...

Und unglaublich geschichtsträchtig. Noch bevor die alten Römer in der Gegend ihr Lager Carnuntum errichteten, streifte vor etwa 500.000 Jahren in der Gegend rund um Hainburg das „Hundsheimer Nashorn“ herum. Es war für ein Nashorn relativ grazil und etwa 2,7 Meter lang, das rekonstruierte Körpergewicht lag bei etwas weniger als einer Tonne.

Die wissenschaftliche Erstbeschreibung des Hundsheimer Nashorns als Rhinoceros hundsheimensis erfolgte 1902 von Franz Toula, er wurde 1884 Professor für Geologie an der Technischen Hochschule in Wien und forschte von Spitzbergen bis zur Krim. Toula hat für seine Beschreibung Knochen- und Zahnfunde aus einer Karstspalte im Hundsheimer Berg verwendet.

Durch Zufall war das Skelett fast vollständig erhalten, es ist heute im Naturhistorischen Museum in Wien zu sehen. Ja, Naturfreunden sind die Hundsheimer Berge als ein an seltenen Pflanzen- und Tierarten reiches, landschaftlich reizvolles Hügelland schon lange ein Begriff. Geologisch befindet man sich in den Kleinen Karpaten. Der Rest dieses Gebirges liegt am anderen Ufer der Donau und in der Slowakei.

In den 1950er Jahren begannen am Hundsheimer Berg die Arbeiten zur Erfassung der mehr als 1000 Schmetterlingsarten. 1965 wurde er zum Naturschutzgebiet erklärt. 1989 nahm der Europarat das Gebiet in das Netzwerk biogenetischer Reservate auf, um die besondere Schutzwürdigkeit des Gebietes zum Ausdruck zu bringen … und dieser Berg ist auch die höchste Erhebung im Bezirk Bruck an der Leitha. Man kann den Hundsheimer Berg entweder von Hainburg aus oder von Hundsheim aus begehen und fast alle Wege führen zum Gipfel.

Hoch über Wiener Becken

Das Industrieviertel hieß einst „Viertel unter dem Wienerwald“ und das Nordostende der Alpen prägt bis heute große Teile dieses Viertels. Der Wienerwald ist ein Synonym für Sommerfrische und Biedermeier, für Romantik und k&k-Nostalgie. Die Bruchlinie vom Wiener Wald zum Wiener Becken ist eine Thermenlinie.

Da es entlang dieser Linie zahlreiche, mitunter schwefelhaltige Thermalquellen gibt, finden sich dort bekannte Kurorte wie Baden, Bad Vöslau oder Bad Fischau. Auch die Therme Wien in Oberlaa wird aus einer solchen Quelle gespeist. Und ein Wächter dieser Bruchlinie ist der Anninger. Dieser Bergstock im Wienerwald besteht aus vier Gipfeln und einem bewaldeten Hochplateau. Am Fuße des Anningers liegen die Gemeinden Hinterbrühl, Mödling, Gumpoldskirchen, Pfaffstätten, Baden und Gaaden sowie Guntramsdorf und Traiskirchen.

Von jedem dieser Orte kann der Berg entlang beschilderter Wege mit all seinen großen und kleinen Attraktionen wie der Jubiläumswarte, der Klesheimwarte oder dem Husarentempel bestiegen werden. Am höchsten der vier Gipfel auf 675 Meter Höhe befindet sich die gemauerte Wilhelmswarte, benannt ist sie nach Wilhelm von Österreich, der Habsburger war jahrzehntelang Hochmeister des Deutschen Ordens und starb 1894.

App für Route und Wetter

Der moderne Wanderer studiert nicht mehr stundenlang die Karten und quetscht Altbauern aus, damit sie die Schleichwege verraten. Er vertraut nicht darauf, dass, wenn der Berg einen Hut hat, das Wetter gut wird und miserabel bei einem Sabel. Der moderne Wanderer hat dafür Apps: Die Wetterapp zeigt einem minutengenau, wann es mit welcher Wahrscheinlichkeit zu regnen beginnt und mit welchem Sonnenfaktor man sich einschmieren sollte.

Und für die genaue Wegbestimmung gibt es ebenfalls passende Apps samt Erfahrungsberichten. Für den höchsten Berg im Bezirk Baden habe ich mich dieser Hilfe aus dem Internet bedient. Das Kieneck liegt in den Gutensteiner Alpen und ist 1107 Meter hoch. Laut Internet-Wanderern kann man es auch gut bei durchwachsenem Wetter besteigen. Und da das Internet für diesen Tag eine Regenwahrscheinlichkeit von 30 bis 60 Prozent errechnete, fuhr ich kurzentschlossen nach Thal, um von dort das Kieneck zu erklimmen.

Der Enziansteig ist durchaus reizvoll und führt am Kamm entlang zuerst auf das Bettelmannkreuz und dann hinüber aufs Kieneck. Dort am Gipfel gibt es zwar kein Kreuz, am höchsten Punkt lädt aber die Enzianhütte zur Rast und es gebe einen herrlichen Ausblick – bei meiner Besteigung gab es leider 100 Prozent Regen und keine Aussicht. Nur zur Klarstellung: Grundsätzlich kann man auf das Kieneck schon bei Schlechtwetter wandern, mehr Freude wird man allerdings bei Sonnenschein haben.

Per Zug oder per Lift

Die höchsten Punkte der Bezirke „Wiener Neustadt-Land“ und „Neunkirchen“ liegen am Schneeberg, nur wenige Hundert Meter voneinander entfernt. Das markante Bergmassiv aus Wettersteinkalk mit mehreren Gipfeln zwischen 1800 und 2076 Metern hat steile Bergflanken auf drei Seiten und bildet mit der westlich gelegenen Rax (2007 Meter) – getrennt durch das tiefe Höllental – eine geologische Einheit.

Und es ist auch eine touristische Einheit: Die Wiener Alpen versorgen die Bundeshauptstadt mit Bergerlebnissen. Und nicht nur das: Von Quellen dieser verkarsteten Hochfläche bekommen seit 1873 über die 120 km lange I. Wiener Hochquellenwasserleitung die Wiener ihr Trinkwasser.

Der Schneeberg ist „infrastrukturell“ gut ausgebaut. Seit 1897 fährt die Schneebergbahn, eine Zahnradbahn, bis in eine Höhe von 1796 Meter. Und mit einem Sessellift kommt man auf der anderen Seite auf den 1210 Meter hohen Fadensattel. Von dort geht der Fadensteig zum Gipfel hoch. Genau dort, wo dieser Fadensteig nach den Fadenwänden auf das „Gras-Plateau“ des Hochschneeberges kommt, ist die Bezirksgrenze – und der höchste Punkt in „Wiener Neustadt-Land“.

Und wenn man noch 300 Meter hinauf geht, steht man am Gipfel von Niederösterreich. Wobei der Hochschneeberg eigentlich einen Doppelgipfel hat: Ein sanfter Kamm verbindet das Klosterwappen (2076 Meter) mit dem Kaiserstein (2061 Meter). Der höchste Berg Niederösterreichs ist auch der östlichste sowie der nördlichste Zweitausender der Alpen. Seine Dominanz von knapp 50 Kilometern (also innerhalb dieses Radius gibt es keinen höheren Punkt) wird in Österreich nur vom Großglockner übertroffen.

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