Angst vor Unruhen und Corona überschatten Wahl

Ob die Welt am Mittwoch wissen wird, wen die US-Bürger zum Präsidenten gewählt haben, könnte eine bange Frage bleiben

Angst vor Unruhen nach Wahl: Wie hier in Los Angeles wurden vielerorts Geschäfte verbarrikadiert.Biden und Trump gingen siegesgewiss in die Wahl.Die Amerikaner haben gewählt: Ob der Verlierer die Entscheidung auch akzeptieren wird, bleibt eine bange Frage.
Biden und Trump gingen siegesgewiss in die Wahl. © AFP/Watson, AFP/Ngan

Joe Biden hat die Präsidentenwahl gewonnen. Soviel stand Dienstagabend fest. Allerdings nur im Örtchen Dixville Notch in New Hampshire, wo Amtsinhaber Donald Trump keine einzige und der Demokrat Biden alle fünf abgegebenen Stimmen erhielt. Im Nachbarort Millsfield setzte sich der Republikaner mit 16 zu 5 Stimmen gegen Biden durch.

Diese ersten Ergebnisse waren der Auftakt eines Urnenganges, den nicht nur in den USA viele als schicksalshaft betrachten. Ein Endergebnis wird es frühestens am Mittwochmorgen geben, vielleicht aber auch erst in Tagen. Beide Kandidaten kämpften noch am Wahltag um unentschlossene Wähler: Biden trat nochmals in Pennsylvania auf, Trump besuchte Virginia.

Beispielloser Urnengang

Es ist eine Abstimmung, wie es sie in der Geschichte der USA so noch nicht gab. Fix ist eine Rekordbeteiligung. Fast 100 Millionen US-Bürger — knapp drei Viertel aller Wähler, die 2016 teilnahmen — gaben schon vor dem eigentlichen Wahltag ihre Stimme ab. Nicht zuletzt um sich vor einer Virus-Ansteckung in den Warteschlangen vor den Wahllokalen zu schützen, nutzten sie die Möglichkeit der Briefwahl.

Am Dienstag erschienen Millionen Wähler mit Mund-Nasen-Schutz in den Wahllokalen. Sie kamen vielfach an Geschäften, Banken und Supermärkten vorbei, deren Schaufenster verbarrikadiert wurden. In einem Land, in dem Wahlen in der Regel friedlich verlaufen, befürchten viele, dass es diesmal wegen der aufgeheizten Stimmung nach der Wahl zu Vandalismus kommen könnte.

Ist Trump Demokrat?

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So wird befürchtet, Trump würde eine Niederlage nicht akzeptieren. Seit Wochen stellt er das Wahlsystem infrage. Vor allem die Briefwahl ist ihm ein Dorn im Auge, weil diese eher Demokraten nützen. Ohne Belege zu liefern, ortet er Wahlbetrug. Fragen, ob er einen friedlichen Machtwechsel unterstützen würde, ließ er offen. Seine Anwälte sind bereits in Stellung. Möglicherweise nicht nur die: Im Wahlkampf hatte Trump der rechtsextremen „Proud Boys“-Gang vielsagend empfohlen, sich zurück, aber bereit zu halten.

Tiefer Graben

Für Unfrieden sorgen nicht nur die Corona-Pandemie —bisher starben in den USA über 231.000 Menschen —, sowie die damit einhergehende Wirtschaftskrise, in der Millionen ihren Job verloren. Auch die landesweiten Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt, ausgelöst durch den Tod des Schwarzen George Floyd bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis im Mai und weitere ähnliche Vorfälle, haben das Land tief erschüttert. Am Rande mehrerer Demonstration kam es immer wieder zu Ausschreitungen und Zusammenstößen zwischen Anhängern der Black-Lives-Matter-Bewegung und rechtsradikalen bewaffneten Bürgerwehren.

Durch das Land zieht sich ein tiefer Graben zwischen Trump- und Biden-Anhängern. Der 77-jährige Herausforderer wirft Trump vor allem Versagen bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie vor. Umfragen zeigen, dass die Amerikaner Biden in ein besseres Krisenmanagement zutrauen. Trump versprach, das Virus werde bald verschwinden und die Wirtschaft sich rasch erholen. Er empfahl sich als Garant für Wohlstand, Recht und Ordnung.

Tückische Umfragen

In den nationalen Umfragen führte Biden klar, doch in mehreren Bundesstaaten bahnte sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen an. Da nicht die Mehrheit der landesweit insgesamt abgegebenen Stimmen entscheidet, sondern ein Wahlkollegium, dessen Zusammensetzung durch den Wahlausgang in den einzelnen Bundesstaaten bestimmt wird, war das Rennen offen.

Sieger kann Verlierer sein

Es ist sogar möglich, dass ein Kandidat zwar landesweit nicht die meisten Stimmen, wohl aber die meisten Wahlleute hat. Zuletzt war dies 2016 der Fall, als Trump Hillary Clinton besiegte, obwohl er drei Millionen Wählerstimmen weniger als seine demokratische Rivalin verbucht hatte.

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