Auf der Suche nach Orientierung

Großes Kino. „Fabian oder der Gang vor die Hunde“ mit Tom Schilling

Tom Schilling als Jakob Fabian
Tom Schilling als Jakob Fabian © Filmladen

Mit „Fabian oder der Gang vor die Hunde“ rückt nach Fernsehereignissen wie „Babylon Berlin“ erneut die Zwischenkriegszeit in den Fokus der Kamera. Die dreistündige Literaturverfilmung nach Erich Kästners einzigem Erwachsenenroman besticht mit formaler Extravaganz und fantastischen Darstellern.

Allen voran Tom Schilling („Oh Boy“), dem wieder ein Außenseiter ganz großartig liegt. Er ist Jakob Fabian, Kästners autobiografisch angehauchte Figur, der wie sein Schöpfer in der Zeit der Weimarer Republik sein Auskommen als Reklametexter zu finden versucht.

Regisseur Domink Graf hat versucht, nahe an der Vorlage zu bleiben, zwei Erzähler, aber freilich auch die Figuren nehmen Kästners großartige Sprache immer wieder auf.

Genial der Beginn: Wir besteigen die Berliner U-Bahn von heute und betreten beim Verlassen die Welt im Jahr 1931. Graf schafft ein stimmiges Zeitkolorit aus Begegnungen mit Kriegsinvaliden, Arbeitssuchenden, vorbeimarschierenden Nationalsozialisten in Uniform, Szenen in verrauchten Cafés und Etablissements. Menschen, gezeichnet von den Traumata des Krieges und der Wirtschaftskrise, auf der Suche nach Orientierung.

Fabian ist ein passiver Beobachter seiner Zeit und bald auch ein Opfer derselbigen, als er seine Arbeit verliert. Albert Schuch glänzt als sein Freund Labude, der, anders als er, politisch aktiv ist und sich laut äußert.

Er hat gerade seine Dissertation über Lessing abgegeben und als er von der Ablehnung – eine absichtliche Falschmeldung – hört, sieht er für sich keinen anderen Ausweg, als den Freitod. Grandios Meret Becker, die als sexsüchtige Anwaltsgattin auf nichts andere als ein Männerbordell aus ist, und die immer wieder wie zufällig in Fabians Leben auftaucht.

Die große Liebe, die nur kurz Halt gibt

Im Mittelpunkt aber steht bei Graf die große Liebesgeschichte, die sich, wenn auch nur kurz, zwischen Fabian und Cornelia fein entspinnt. Bis die aufstrebende Schauspielerin den mittellosen Fabian ver- und sich mit einem Filmemacher einlässt. Saskia Rosendahl hievt sich mit ihrer Leistung definitiv auf die Höhe ihrer bereits gehypten Mitspieler.

Die Bilder körnig anmutend, schnell geschnitten und im alten 4:3-Format, teils mit Musik, die auch zum Stummfilm passen würde, dazwischen alte Schwarzweiß-Aufnahmen — mit all dem verortet sich die Geschichte, die ein paar Längen hat, immer wieder. Der „Gang vor die Hunde“ passt für die Zeit wie für die Protagonisten.

Von Melanie Wagenhofer

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