Autismus zu Corona-Zeiten

Das Coronavirus hat auch die Therapie für Kinder mit einer Autismusspektrumstörung gehörig durcheinander gewirbelt. Im ersten Lockdown im Vorjahr mussten die Spezialisten der Autismus-Frühintervention der Barmherzigen Brüder in Linz ihr Angebot stark reduzieren. Gekommen ist aber die Tele-Therapie. Online-Kurse und der Online-Austausch zwischen den Eltern werden weiterhin bleiben.

Ergotherapeutin Daniela Gruber arbeitet mit dem vierjährigen Kemal. © BB Linz

Für Erwachsene mit Autismus bieten die krisenbedingten Änderungen auch Entlastungspotenziale. So entschärft das sogenannte „social distancing“ die alltäglichen Herausforderungen in der sozialen Interaktion und Kommunikation.

Das Abstandhalten und die Vermeidung von Körperkontakt wie etwa Händeschütteln, Umarmungen, auf die Schulter klopfen etc. kommen den Berührungsängsten von Menschen mit einer Autismusspektrumstörung (ASS) entgegen.

Auch die Video-Telefonie wird von vielen als Alternative begrüßt, da sie so von einem sicheren Ort aus in Kontakt treten können. Eine reduzierte Reizüberflutung ergibt sich auch durch die geringere Anzahl von Menschen im öffentlichen Raum.

Den ersten Lockdown im Vorjahr erlebten auch einige Familien mit autistischen Kindern zunächst durchaus positiv, das Wegfallen von Terminen und Verpflichtungen ermöglichte mehr gemeinsame Familienzeit. Je länger die Corona-Pandemie bereits dauert, desto mehr sind die positiven Effekte aber einer Belastung und Überforderung gewichen.

Vor allem bei der Autismus-Frühintervention, die zwischen dem zweiten und sechsten Lebensjahr greifen soll, war beim Team der Barmherzigen Brüder in Linz plötzlich noch mehr Kreativität gefragt. „Anstatt zwei bis drei Therapie-Einheiten pro Woche im direkten Kontakt konnte oft nur eine Online-Einheit angeboten werden“, schildert die Teamleiterin der Autismus-Frühintervention und Ergotherapeutin Eva-Maria Dely dem VOLKSBLATT.

„Wir müssen jetzt die Eltern vermehrt anleiten, wie sie ihre Kinder unterstützen und fördern können“, so Dely: „Während des Lockdowns haben wir Therapeuten bei der Spielsituation online zugesehen und Tipps gegeben. Aber auch amerikanische Trainingsvideos für das Early Start Denver Model haben wir übersetzt und den betroffenen Familien zur Verfügung gestellt.“

Maskenpflicht erschwert die Therapie

Mittlerweile ist die persönliche Therapie-Einheit zwar wieder erlaubt, aber da tut sich das Problem mit dem Mund-Nasen-Schutz auf. „Kinder mit ASS haben oftmals Schwierigkeiten, Mimik und Gestik zu interpretieren und Sprache zu erlernen, sie benötigen deshalb eine ausdrucksstarke Mimik und sind auf das Mundbild des Gegenübers angewiesen.“ Durch den Mund-Nasen-Schutz wird dies zusätzlich erschwert.

Daher müssen die Eltern, die ohnedies immer eingebunden waren, weiterhin verstärkt einspringen“, erläutert Dely. Kinder mit Autismus benötigen grundsätzlich eine klare Struktur, die sie gewohnt sind.

Besonders problematisch war daher für sie der Wegfall des Kindergartenbesuchs. Konnte er aber in einer Kleingruppe stattfinden, gab es weniger Reize und die Pädagoginnen konnten sich intensiver mit den Kindern beschäftigen.

Die durch den Lockdown notwendig gewordene Video-Telefonie und das Online-Angebot für die Eltern – Elternkurse und Austauschrunden – werden auch künftig bleiben. „Natürlich ist der persönliche Kontakt grundsätzlich besser, aber am Online-Angebot konnten viel mehr Betroffene aus ganz OÖ teilnehmen. Auch das Problem der Kinderbetreuung fiel dabei weg.

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