Bei Castorf ist der Teufel los

Die Wiener Staatsoper streamte ihre „Faust“-Premiere

Nicole Car (Marguerite) und Juan Diego Flórez (Faust)
Nicole Car (Marguerite) und Juan Diego Flórez (Faust) © Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Staatsopern-Direktor Bogdan Roscic hat bekanntlich für seine erste Saison viele fertige Produktionen eingekauft. Darunter der „Faust“ von Charles Gounod, den Frank Castorf (für viele Opernfreunde ein rotes Tuch) vor fünf Jahren an der Stuttgarter Oper herausgebracht hat.

Es ist eine seiner „typischen“ Inszenierungen — ein chaotisches Bühnenbild, riesige Videoleinwände, wo teils das Bühnengeschehen per Live-Kameras dupliziert wird, teils Texte und Bilder eingeblendet werden, die mit dem Werk nichts zu tun haben, aber vor allem anti-kapitalistische Ideologie bedienen.

Handlung stimmt kaum mit Gesungenem überein

Die Geschichte von Faust, Mephisto und Marguerite, wie sie hier heißt, wird immer noch vage nach Goethe erzählt. Bei Castorf ist alles anders, die Handlung spielt in einem herabgekommenen Elendsviertel in Paris zwischen 19. und 20. Jahrhundert. Kaum etwas an der Handlung stimmt mit dem überein, was im Text gesungen wird.

Vor allem hat der Regisseur das Gretchen umgedeutet. Ein Flittchen, wo es im Original um missbrauchte reine Liebe geht. Hier fällt das Stück nicht nur in dieser Hinsicht auseinander. Im Grunde wird der Abend, an dem dauernd der Teufel los ist (im mehrfachen Sinn), von einer Idee zur nächsten getrieben — bis zum pervertierten Schluss, wo Gretchen (die man schwanger mit Riesenbauch erlebt) nicht stirbt, sondern ins Kaffeehaus geht und ein Glas Sekt trinkt.

Ein Opernabend wie dieser macht es niemandem leicht, am wenigsten dem Publikum, das permanent von so vielen Eindrücken „beschossen“ wird. Aber da ja auch keine wirkliche Geschichte geliefert wird, macht das im Grunde nichts aus. Was hat man gesehen? Nun, Castorf eben.

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Am musikalischen Teil des Abends war kaum etwas auszusetzen, Bertrand de Billy leitete souverän. Juan Diego Flórez ein Titelheld, der sich das französische Fach fabelhaft erobert hat. Nicht nur zunehmende Kraft, sondern auch Versinnlichung des Timbres. Erfreulich der Mephisto des jungen Polen Adam Palka, ein schmächtiges Bürschchen mit starker Ausstrahlung und gewaltigem Bass. Die Marguerite der Nicole Car war Verliererin des Abends, die Umdeutung der Rolle nicht zu stemmen.

Ab 19. Mai im Repertoire, am 9. Mai, 20.15 Uhr, ORF III

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