Benedikts heikle Mission Zölibat

Emeritierter Papst nimmt im Kampf für Priester-Ehelosigkeit Rücksicht auf Franziskus

Eingebremst: Benedikt XVI. kämpft für den Erhalt des Pflichtzölibats, aber nicht gegenFranziskus.
Eingebremst: Benedikt XVI. kämpft für den Erhalt des Pflichtzölibats, aber nicht gegenFranziskus. © Karmann - picturedesk.com

„Unsere Überlegungen betreffen die Notwendigkeit einer eindringlichen Überprüfung und differenzierten Betrachtung des Zölibatsgesetzes der lateinischen Kirche“ — am 5. Februar 1970 veröffentlichte ein gewisser Joseph Ratzinger zusammen mit acht weiteren Priestern und Theologen ein „Memorandum zur Zölibatsdiskussion“, das diese seither von vielen Katholiken wiederholte, von anderen strikt abgelehnte Forderung enthält.

Pandoras Büchse soll geschlossen bleiben

50 Jahre danach sorgt der damals 43-jährige spätere Papst Benedikt XVI. erneut für einschlägige Schlagzeilen. Dieses Mal rüttelt der 2013 zurückgetretene Pontifex aber nicht am Zölibat.

Seine Mission heute: Den Zölibat verteidigen gegen jene Kräfte, die nicht nur das Memorandum umsetzen, sondern die priesterliche Pflicht zu Ehelosigkeit und Keuschheit gleich abschaffen wollen.

Auslöser der zunächst gemeinsam mit Kurienkardinal Robert Sarah geplanten Offensive bildete die Amazonas-Synode. Diese war im Oktober mit der Empfehlung zu Ende gegangen, wegen des extremen Priestermangels im südamerikanischen Regenwald die Weihe „bewährter Männer“ („viri probati“) zuzulassen. Die Beschränkung auf das Amazonasgebiet und auch die Betonung, der Pflichtzölibat werde damit nicht infrage gestellt, ging in der Debatte unter. Wieder einmal entbrannte die alte Grundsatzdiskussion: Sollen Priester heiraten bzw. verheiratete Männer geweiht werden dürfen? Denn akut ist der Priestermangel auch in Europa.

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Papst Franziskus hat sich nie gegen den Zölibat ausgesprochen, aber auch nie so dezidiert dafür eingesetzt wie seine Vorgänger. Er lässt Diskussionen zu, ermuntert sogar immer wieder zu tabulosen Reformdebatten.

Nicht zu Unrecht befürchten Verfechter des Zölibats, die Amanonas-Synode könnte die Büchse der Pandora geöffnet haben, sollte die Empfehlung Gesetz werden.

Am Montag dann der Paukenschlag: Franziskus’ Vorgänger, der sein vor 50 Jahren formuliertes Anliegen nun offenbar nicht mehr für dringlich hält, trat plötzlich als oberster Zölibatsretter aus dem vatikanischen Ruhestand. Heute soll in Frankreich das mit Kardinal Sarah verfasste Buch „Des profondeurs de nos coeurs“ („Aus den Tiefen unserer Herzen“) veröffentlicht werden. Dieses enthält die dringende Warnung vor der Aufhebung des Zölibats.

An sich ist jede Wortmeldung des emeritierten Papstes ungewöhnlich, wollte er doch jeden Eindruck eines „Ne- benpontifikats“ vermeiden. Und dann noch dazu bei einem derart heiklen Thema!

Franziskus beruhigte umgehend und ließ mitteilen, dass am Zölibat nicht gerüttelt werde. Hinter den vatikanischen Mauern dürfte es aber gedonnert haben.

Benedikts Bild und Name müssen vom Buch-Cover

Am Dienstag teilte Benedikt-Privatsekretär Georg Gänswein mit, Sarah sei aufgefordert worden, Benedikts Namen und Bild vom Bucheinband entfernen zu lassen. Auch solle die Unterschrift Benedikts unter Einführung und Schlussfolgerungen im Buch gestrichen werden, weil er diese nicht mitverfasst habe. Benedikt habe zwar den Text über das Priestertum geschrieben, war aber nicht über die tatsächliche Aufmachung des Buches informiert. Sarah veröffentlichte seinerseits einen Brief Benedikts, in dem dieser der Publikation seiner Gedanken zum Zölibat zustimmt. Allerdings wollte Benedikt sicher nicht Franziskus in Verlegenheit bringen. So erklärt sich der Rückzieher.

Causa finita, also? Gerade Benedikt dürfte ahnen, dass das nur eine Episode der unendlichen Geschichte war. Denn schon Joseph Ratzinger wusste vor 50 Jahren: „Eine Diskussion ist bekanntermaßen schon in Gang, und es ist eine Tatsache, mit der hart und nüchtern zu rechnen ist, dass diese Auseinandersetzung weitergeht.“

Von Manfred Maurer

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