Niederösterreich ist groß und die Entfernungen sind durchaus beachtlich, in der Nord-Süd-Richtung sind es 178, in der Ost-West sogar 196 Kilometer. Die wohl effizienteste Weise, die Besteigung der höchsten Berge aller nö. Bezirke zu machen, ist daher mit dem Auto.
Und ich konnte durch meine Gipfeltour gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Mein Sohn konnte ausreichend Übungskilometer für den Führerschein absolvieren und ich hatte immer einen Fotografen mit – auch bei meinen „Wanderungen“ im Weinviertel.
Seit der Einführung der Politischen Bezirke 1868 haben die Viertel in Niederösterreich übrigens keine rechtliche Grundlage mehr, sie sind also reine Landschaftsbezeichnungen. Deshalb decken sich auch die Grenzen zwischen Viertel und Bezirk nicht genau. Zum Weinviertel werden die Bezirke Gänserndorf, Hollabrunn, Korneuburg und Mistelbach gezählt.
Auch Teile der Bezirke Tulln, Horn und Krems werden dem Weinviertel zugerechnet – aber die höchsten Punkte dieser Bezirke liegen in anderen Vierteln. Das Weinviertel ist mit ca. 15.800 ha das größte Weinbaugebiet Österreichs, aber durch das Marchfeld ist es auch die „Kornkammer Österreichs“ und 1837 wurde dort auch die Kaiser-Ferdinand-Nordbahn als erste Dampfeisenbahn Österreichs in Betrieb genommen.
Kein Berg, aber eine tolle Aussicht
Von einem höchsten Punkt kann man im Bezirk Gänserndorf eigentlich kaum sprechen, ist doch der Großteil des Bezirkes Gänserndorf – bekannt als Marchfeld – eine der größten Ebenen Österreichs.
Diese Gegend ist weniger für Berge bekannt, denn für Schlachten: Am 26. August 1278 kam es bei Dürnkrut und Jedenspeigen etwa zu einer der größten Ritterschlachten Europas: Der 60-jährige Rudolf I. von Habsburg, der fünf Jahre davor zum römisch-deutschen König gewählt worden war, stellte sich hier erfolgreich Ottokar II., König von Böhmen, und Rudolf legte so den Grundstein für die Dynastie der Habsburger.
Franz Grillparzer hat dieser Schlacht in „König Ottokars Glück und Ende“ ein literarisches Denkmal gesetzt. 521 Jahre später kam es ein paar Kilometer westlich zu einer weiteren historischen Schlacht: In der Schlacht bei Wagram am 5. und 6. Juli 1809 besiegten Napoleons französische Truppen die Armee von Erzherzog Karl von Österreich. Der höchste Punkt des Bezirks liegt genau zwischen diesen beiden Schlachten, im Gemeindegebiet von Neusiedl an der Zaya.
Dort beim Wirten zum Steinberg ist diese Erhebung, wobei man den Gipfel nur erahnen kann, aber man hat trotzdem eine herrliche Aussicht über das gesamte Marchfeld, da fühlt man sich auf einem Feldherrenhügel. Und dreht man sich um, sieht man den Wald vor lauter Windrädern nicht.
Korneuburg erlaubt einen Blick in die Geschichte
Seit jeher waren die inselartig aus dem flachen Hügelland des Weinviertels aufragenden Berge Fluchtpunkte für die Menschen. Das Weinviertel weist im Vergleich zu manch anderen Landschaften Österreichs eine dichte ur- und frühgeschichtliche Besiedlung auf, liegt es doch im Kreuzungsbereich der Bernsteinstraße und des Donauweges.
Zählt man zwei und zwei zusammen, ist klar, dass die Leiser Berge eine historische Fundgrube sind. So auch am Steinberg, wo eine urgeschichtliche Höhensiedlung nachgewiesen ist – und der heute die höchste Erhebung im Bezirk Korneuburg ist.
Allerdings ist der Gipfel im Betriebsgebiet eines Steinbruches und daher nicht zu besteigen, aber ein Wanderweg geht etwas unterhalb vorbei. Übrigens heißt der Berg auch – wie sein Pendant im Bezirk Gänserndorf – Steinberg.
Am Oberleiser Berg, quasi der Nachbarhügel, konnte erstmals in Mitteleuropa ein befestigter germanischer Königssitz aus dem 4. bis 5. Jh. n. Chr. ausgegraben werden. Dieser wurde nach römischem Vorbild als Herrenhof errichtet. Auf dessen Gelände befindet sich heute der Aussichtsturm.
Einige Funde aus der Urzeit sind in Ernstbrunn in einem Fossilienschauraum beim Bahnhof zu besichtigen. Nicht weit ist das Museum für Urgeschichte in Asparn an der Zaya entfernt. Einen Hügel weiter ist der Buschberg, der höchste Gipfel der Leiser Berge …
Mistelbach hat sogar eine Alpenvereinshütte
… und mit seinen 491 Metern ist er auch die höchste Erhebung im Bezirk Mistelbach. Statt eines Gipfelkreuzes hat er allerdings eine riesige „weiße Kugel“ auf dem Gipfel. Das Flugsicherungsradar der Austro Control überwacht von dort die Zivilluftfahrt in Ostösterreich.
Etwas unterhalb des Gipfels steht die Buschberghütte, mit nur 484 Metern ist es die tiefstgelegene Hütte des Alpenvereins. 1970 wurde übrigens der Großteil der Leiser Berge zum Naturpark erklärt, der Grund sind die steppenartigen Trockenwiesen.
Eine Grenzerfahrung in Hollabrunn
Meine Summittour durch das Weinviertel endete im Bezirk Hollabrunn und in einer Grauzone. Ein kleiner Teil des Bezirkes gehört nämlich offiziell zum Waldviertel, aber die Grenzziehung ist nicht ganz so einfach.
Der Manhartsberg bildet als Ostrand des Böhmischen Massivs den „Grenzstein“ zwischen dem Viertel ober dem Manhartsberg (Waldviertel) und dem Viertel unter dem Manhartsberg (Weinviertel), mit seinen 538 Metern liegt der Manhartsberg im Bezirk Krems-Land.
Und ein Nebenhügel auf diesem Bergrücken ist der Sulzberg – mit 528 Metern der höchste Berg im Bezirk Hollabrunn – und daher auf meiner To-Do-Liste. Wir starteten in der Ortschaft Olbersdorf, gingen von der Kirche den Kreuzweg hinauf, dann Richtung Manhartsberg, immer entlang eines hohen Zaunes.
An der Stelle, wo man diesen per Metallleiter überqueren kann, beginnt das Gipfelplateau des Sulzberges. Der Zaun begrenzt ein großes Wildschweingehege und das Gipfelgefühl ist deshalb ein bisschen mulmig – auch gibt es weder Kreuz noch Gipfelbuch. 500 Meter weiter wäre dann der Manhartsberg, dieser ist außerhalb des Wildschweingeheges, liegt aber sicher schon im Waldviertel.
Ob der Sulzberg noch zum Weinviertel zählt, ist hingegen Geschmacksfrage – ich habe mich auf jeden Fall dafür entschieden. Denn das Waldviertel hat eh so viele Bezirke und viel mehr Berge … und davon erzählt eine andere Geschichte.