Blütenweißes Mahnen an schwärzeste Stunden

Holocaust: Auch der deutsche Bundestag erinnerte an die Gräuel des Nationalsozialismus und den „Krebs des Judenhasses“

Weißer Blumenstrauß am Holocaust-Mahnmal Berlin.
Weißer Blumenstrauß am Holocaust-Mahnmal Berlin. © APA/dpa/Pedersen

27. Jänner, Berlin: Der Deutsche Bundestag erinnerte zum Holocaust-Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus, die Spitzen der Bundesrepublik waren geschlossen versammelt.

Ruhig und gefasst erzählte Inge Auerbacher noch einmal ihre Geschichte. „Ich bin ein jüdisches Mädel aus dem badischen Dorf Kippenheim“, sagte die 87-jährige Holocaust-Überlebende im Reichstagsgebäude. „Ich war das letzte jüdische Kind, das dort geboren wurde.“

77 Jahre nach der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Jänner 1945 sprach Auerbacher von einem Grauen, das nicht vergeht und schilderte ihren unfassbaren Lebensweg.

Der unfreiwillige Umzug aus Kippenheim zu ihren Großeltern, die Zwangsarbeit der Eltern, der elend lange Weg zur einzigen jüdischen Schule in Stuttgart, die Verhöhnung durch den gelben Judenstern. 1942 wurde die Familie ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo sie zusammengepfercht mit Tausenden anderen, mit Ratten und Ungeziefer, mit Krankheiten und Hunger lebte. „Die wichtigsten Wörter waren für uns Brot, Kartoffeln und Suppe. Das ganze Leben drehte sich um Essen.“

Besuch der Freundin

Als eines Tages ihre Spielgefährtin Ruth mit ihren Eltern weiter gebracht wurde nach Auschwitz, schworen sich die beiden Mädchen, sich später einmal gegenseitig zu besuchen. „Liebe Ruth, ich bin hier in Berlin, um dich zu besuchen“, rief Inge Auerbacher im Bundestag unter Tränen. Doch Ruth starb in einer Gaskammer in Auschwitz. „Sie erlebte nicht einmal ihren zehnten Geburtstag.“

Familie Auerbacher wurde 1945 in Theresienstadt von der Roten Armee befreit. 1946 ging sie nach New York, wo Inge Auerbacher jahrelang mit Krankheiten als Folge des Lagerdaseins kämpfte. Schließlich ging sie doch noch zur Schule, studierte und arbeitete jahrzehntelang als Chemikerin.

Hass als Krankheit

Nur eine politische Botschaft verband die Holocaust-Überlebende mit ihrer Geschichte: den Einsatz gegen Hass und Antisemitismus. „Leider ist dieser Krebs wieder erwacht, und Judenhass ist in vielen Ländern der Welt, auch in Deutschland, wieder alltäglich“, sagte Auerbacher. „Diese Krankheit muss so schnell wie möglich geheilt werden.“

Freiheit und Demokratie auf seien engagierte Bürger angewiesen, diesen Gedanken griff der israelische Parlamentspräsident Mickey Levy auf, der auf die historische Bedeutung des Reichstagsgebäudes einging.

Hier könne man eine Ahnung davon bekommen, wie Menschen Demokratie ausnutzen könnten, um sie zu überwinden, sagte Levy. „Dies ist der Ort, wo die Menschheit die Grenzen des Bösen gedehnt hat, ein Ort, wo Werteverlust einen demokratischen Rahmen in eine rassistische und diskriminierende Tyrannei verwandelt hat“, sagte Levy. „Und nun erfahren wir hier, in den Mauern dieses Hauses wieder die Zerbrechlichkeit der Demokratie, und wir werden wieder an die Pflicht erinnert, sie zu schützen.“

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