Boxender Bambi, mordende „Stinker“

Hinreißend: Premiere von „Bambi“ für große und kleine Leute ab 8 in den Linzer Kammerspielen

Bambi (Friedrich Eidenberger) will sogar mit den Hunden kämpfen. Freund Gobo (Alexander Köfner) hält das für keine gute Idee.
Bambi (Friedrich Eidenberger) will sogar mit den Hunden kämpfen. Freund Gobo (Alexander Köfner) hält das für keine gute Idee. © Philip Brunnader

Wow! Was war da Großartiges zu sehen? Eine Theaterstück für Kinder ab 8? Auch als ausgewachsenen Menschen packt einen diese Geschichte von Bambi. Das Alleinsein jedem bekannt, ebenso die Sehnsucht nach Verbundenheit. Vertraut sind Wut und Trauer, der Humor und der Eigensinn. Vertraut auch Zank und Freundschaft, große Angst und Fürsorge.

Regisseur Martin Brachvogel, der die Stückfassung nach dem berühmten Roman von 1923 schrieb, wählt für „Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde nach Felix Salten“ einen famosen Einstieg.

Isabella Campestrini, grünes Gestrüpp auf dem Haupt, ist knuddelige und überdrehte Diva. Riesengelächter, als sie sich im Bühnenvorhang verheddert. Sie ist DIE Wald, „unfassbar überwichtig“. Seit 300 Millionen Jahren gibt es die Wald, viel später kamen die Rehe, der Mensch nur winziges Pünktchen in der Zeit.

Die Geschichte von Bambi? Unbedeutend für den Weltenlauf. Doch einzigartig, hinreißend. Die Geburt mythisch-märchenhaft, eingebettet in Soundflächen von Robert Lepenik, arrangiert als geradezu biblisches Geschehen (Bühne und Kostüme: Kathrin Hauer). Plötzlich ein Schuss. Dunkelheit.

Der Wortkarge, der Clown

Dieser „Bambi“ lässt die Erinnerung an Walt Disneys Zeichentrick-Klassiker völlig verblassen. Die Linzer Inszenierung zeigt einen Bambi, der als heranwachsender Rehbock den Boxkampf trainiert, um es den Menschen heimzuzahlen. Der Tod – die Ermordung – der Mutter ein tiefer Schmerz, der ihn wortkarg und hartherzig macht.

Seine Freunde sind wunderbare Charaktere: eine nachdenkliche, wenn nötig auch grobe Sofie Pint als Faline, ihren Bruder Gobo gibt Alexander Köfner als liebenswerten Clown. Einst hat Gobo das Kind Bambi mit seinen Späßen aufgeheitert (Wie heißt ein Reh, dem alles wurscht ist? – „Regal“), doch jetzt bringt Bambis Rachedurst den Freund in Lebensgefahr. Denn stets lauern die „Stinker“ mit ihren Hunden: die Menschen.

Der Weg zur Selbsterkenntnis ist mühsam, die Tränen über den Tod der Mutter hat Bambi noch zu weinen. Ehe es zum Happyend mit Kuss kommt, schreitet die Wald ein: Iiiiieh, Schlaaatz! Noch einmal mächtiges Gekicher, und ein kleines Wunder ist vollbracht. Aufklärung ohne ärgerlichen Moralfinger, ein Drama ohne billige Rührseligkeit. Fabelhaftes und weises Theater, ein Ökothriller. Trauer, Spaß und Leben, Leben und Tod, Werden und Vergehen. Hingeh´n, bitte.

Von Christian Pichler

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