Champagnerlaune — trotz allem!

Wien: Die Straatsoper streamte und übertrug „Die Fledermaus“

Jochen Schmeckenbecher (Frank) und Georg Nigl (Gabriel von Eisenstein)
Jochen Schmeckenbecher (Frank) und Georg Nigl (Gabriel von Eisenstein) © Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Die Silvester-„Fledermaus“ der Wiener Staatsoper gehört ebenso zur unverrückbaren Tradition der Stadt wie am Tag darauf das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, und das ließ man sich auch in dem Pandemie-Jahr 2020, in dem so viel Kultur einfach „verschluckt“ wurde, nicht nehmen. Als Krönung eines „publikumslosen“ Dezembers, in dem fünf Produktionen für das Publikum an Bildschirmen erstellt wurden, schickte Staatsoperndirektor Bogdan Roscic „Die Fledermaus“ von Johann Strauß per Livestream und per Fernsehen in die Welt.

Es geschah in jener klassischen, historismus-opulenten Inszenierung von Otto Schenk, die nur auf Spaß, Bewegung und ein fröhliches Sittenbild der 1900er-Epoche ausgerichtet ist und den Zuschauer mit keiner „Interpretation“ stört, die von der schwungvollen Wirkung des Abends ablenken würde. So war es auch einst gemeint – ein lebenslustiges Völkchen, das auf einem Ball gern ein bisschen angibt und sich aufplustert und am Ende mit ein wenig Katzenjammer dafür büßt. Das alles zu der immer mitreißenden Strauß-Musik, die diesmal in dem Dirigenten Cornelius Meister einen vorzüglichen Sachwalter hatte. Die Champagnerlaune explodierte auf der Bühne, auch wenn kein Jubelschrei eines Live-Publikums sie krönte …

Ein prächtiger Bariton und hervorragende Damen

Der einzige Wiener der Besetzung war der Held. Allerdings sah der Herr von Eisenstein des Georg Nigl weniger einem „Herrn“ noch einem „von“ gleich als vielmehr einem fröhlichen, frechen und doch verunsicherten Kleinbürger. Auch wenn er mehr Vorstädtisches als Großstädtisches an sich hatte, so reüssiert er doch bestens mit seinem Zungenschlag und seinem prächtigen Bariton, der auch in die Höhe klettern kann.

Hervorragend die beiden Damen: Die Finnlandschwedin Camilla Nylund mit ihrem vorzüglichen Deutsch als wogende, witzige, ironische Rosalinde, die über eine Opernstimme verfügt und sie operetten-leicht zu führen vermag. Ein nicht alltägliches Vergnügen in dieser schwierigen Rolle. Und die Schweizerin Regula Mühlemann (die sich in der „Entfüh- rung“-Inszenierung noch nicht so richtig durchsetzen konnte) war hinreißend als pikante, freche, selbstbewusste Adele, mit Soubrettenstimme und Koloratur reichlich ausgestattet. Wenn man weiß, wie sehr dieses Stubenmädel in Wien mit Erinnerungen besetzt ist, war ihre Leistung umso bemerkenswerter.

Mit Jochen Schmeckenbecher als fröhlichem Gefängnisdirektor, Okka von der Damerau als martialischem Prinzen Orlofsky und dem von der Direktion als Ensemblemitglied neu präsentierten Sachsen Martin Häßler, ganz locker als Dr. Falke, waren die Nebenrollen gut besetzt.

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Nur der „Frosch“ des Peter Simonischek amtiert mittlerweile seit 2011 und damit eindeutig zu lang. Zumal ihm der Wiener Schmäh, der in dieser Rolle einfach richtig fließen muss, eher fremd ist. Aber da die anderen ausreichend für Laune sorgten, kam es auf dieses Defizit nicht wirklich an.

Von Renate Wagner

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