Chaos, Verzweiflung und Gewalt auf Flughafen Kabul: Linzer mittendrin

Evakuierung von Österreichern scheiterte gestern auch an deutschen und US-Soldaten — Hilfstrupp aus Wien in Kabul eingetroffen

Nicht nur Taliban sind ein Hindernis auf dem Weg zum Kabuler Flughafen, auch US-Soldaten vertreiben Österreicher trotz vorhandenem Passagierschein.
Nicht nur Taliban sind ein Hindernis auf dem Weg zum Kabuler Flughafen, auch US-Soldaten vertreiben Österreicher trotz vorhandenem Passagierschein. © AFP/Kohsar

Chaos, Verzweiflung und Gewalt rund um den Flughafen von Afghanistans Hauptstadt Kabul. Und täglich wird es schlimmer. Tausende Afghanen hoffen auf eine Gelegenheit, nach der Machtübernahme der islamistischen Taliban mit westlichen Flügen außer Landes zu kommen.

Viele wohl vergeblich. Doch auch die Evakuierung von Ausländern läuft alles anders als rund. Das müssen auch zwei Linzer Brüder erleben, die trotz dringender Reisewarnung des Außenministeriums und ungeachtet der sich zuspitzenden Lage am Hindukusch vor sechs Wochen nach Kabul flogen.

Leben für Liebe riskiert

Einer der beiden afghanischstämmigen österreichischen Staatsbürger wollte seine große Liebe heiraten, die er vor zwei Jahren bei einem Afghanistan-Besuch kennengelernt hatte. Die Hochzeit in Herat fand statt, aber dann schlugen die Brüder alle Bitten ihrer seit vielen Jahren in Oberösterreich lebenden Verwandten, das Land schleunigst zu verlassen, in den Wind. Jetzt sitzen sie wie rund 50 Österreicher im Chaos vor dem Kabuler Flughafen fest. Nur vier konnten bisher ausgeflogen werden.

Die Taliban beteuerten gestern, niemanden mit gültigen Reisepapieren den Weg zum Airport zu versperren. Tatsächlich scheiterte ein Evakuierungsversuch für die Österreicher gestern nicht an den Taliban. Donnerstagabend hatten sie vom Außenministerium in Wien eine Email erhalten, in der sie aufgefordert wurden, am Freitag bis acht Uhr früh zum „North Gate“ des Flughafens zu kommen. Dort würden ein Taliban, ein US-Soldat und ein ungarischer Militär ihre Papiere kontrollieren. Dann sollten sie mit ungarischen Militärmaschinen nach Buchara in Usbekistan ausgeflogen werden.

Wie es tatsächlich ablief, schildert Abdullah N. (Name geändert): „Es waren deutsche Soldaten vor besagtem Gate und haben uns einfach ignoriert.“ Dabei sprechen die beiden Linzer perfekt deutsch. Auch US-Soldaten sind ein Hindernis auf dem Weg zum Flughafen: „Sie schießen mit Maschinengewehren und gehen mit Tränengas vor“, so N. Im Außenministerium in Wien bestätigt Sprecherin Gabriele Juen:

Video
Ich möchte eingebundene Social Media Inhalte sehen. Hierbei werden personenbezogene Daten (IP-Adresse o.ä.) übertragen. Diese Einstellung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft in der Datenschutzerklärung oder unter dem Menüpunkt Cookies geändert werden.

„Die Amerikaner haben kommuniziert, dass Nicht-Afghanen keinen Zugang zum Flughafen bekommen.“

Krisenteam in Kabul

Ein aus Mitarbeitern des Außenministeriums und Bundesheerangehörigen bestehendes Krisenteam ist unterdessen in Kabul eingetroffen. Die Plätze auf Evakuierungsflügen seien gesichert, das Problem bleibe jedoch der Weg zum Flughafen, so Juen. Vielleicht ergibt sich heute eine Möglichkeit.

Ein neuer Hoffnungsschimmer für die beiden Linzer. Nicht jedoch für die neue Ehefrau. Sie ist Afghanin und hat ohne Aufenthaltstitel praktisch keine Chance auf einen Flug aus dem Chaos.

von Manfred Maurer

Das könnte Sie auch interessieren