Klimakrise: Risiko für Extrem-Hochwasser gewachsen

Der Klimawandel hat die Wahrscheinlichkeit für ein großräumiges Hochwasser in Mitteleuropa wie das in Österreich, Polen, Tschechien und weiteren Ländern einer Analyse zufolge etwa verdoppelt. Die Niederschläge des Sturms „Boris“ vom 12. bis 15. September seien der stärkste bisher erfasste Vier-Tage-Regen in Mitteleuropa seit Beginn entsprechender Aufzeichnungen 1940 gewesen, teilte die Wissenschafter-Initiative World Weather Attribution mit.

Die Regenfälle hätten ein ungewöhnlich großes Gebiet von Deutschland bis Rumänien betroffen, das noch größer sei als bei den früheren großen Überschwemmungen von 1997 und 2002, hieß es von dem Team um Friederike Otto vom Imperial College London weiter. Diese beiden Überschwemmungskatastrophen seien als Jahrhundertereignisse bezeichnet worden – nun gebe es schon jetzt ein weiteres, sagte Mitautor Bogdan Chojnicki von der Universität für Lebenswissenschaften in Posen.

Mit der weiteren Erderwärmung durch die Nutzung fossiler Brennstoffe würden Starkregen-Episoden noch heftiger und häufiger, warnen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter. Die Kosten der Klimakatastrophen drohten zu eskalieren. „Der Klimawandel ist eine existenzielle Bedrohung, insbesondere für die ärmeren Teile der Gesellschaft, und alle Europäer müssen wissen, dass die Bekämpfung des Klimawandels ihr Leben sehr viel besser machen wird“, betonte Friederike Otto.

Bereits eine Mitte September vorgestellte Schnellanalyse hatte ergeben, dass der Klimawandel wahrscheinlich großen Anteil an der Starkregen-Episode hatte. „Wir führen die starken Niederschläge, die zu den Überschwemmungen in Mitteleuropa führten, größtenteils auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurück, während die natürliche Klimavariabilität wahrscheinlich eine untergeordnete Rolle spielte“, hieß es vom Forschungskonsortium Climameter, einem von der Europäischen Union und der französischen Forschungsorganisation CNRS finanzierten Projekt.

Solche sogenannten Attributionsstudien nutzen Daten zu ähnlichen Wetterlagen in der Vergangenheit und gleichen sie statistisch mit Klimasimulationen ab. Nach den Erkenntnissen des Weltklimarates (IPCC) nähmen Extreme im Wasserkreislauf schneller zu als die durchschnittliche Veränderung, hieß es von Climameter auch. Auf lokaler Ebene sei ein Trend zu mehr Flussüberschwemmungen in West- und Mitteleuropa zu beobachten.

„Allgemein gibt es in Mitteleuropa zunehmende Trends bei starken mehrtägigen Regenereignissen. Das deckt sich sehr gut mit der in Österreich beobachteten statistisch signifikanten Zunahme der größten gemessenen fünftägigen Niederschlagssummen in den Bundesländern Niederösterreich und Wien um rund 20 Prozent seit 1961“, sagte Klaus Haslinger, Klimaforscher der Geosphere Austria. Der Forscher war selbst als Co-Autor an der Studie beteiligt.

Betrachte man nur die Art von Wetterlagen wie beim jüngsten Hochwasser, dann zeige sich in Mitteleuropa eine Zunahme der Regenmenge um sieben Prozent gegenüber vorindustrieller Zeit. Die sei unmittelbar auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen. „Die globale Erderwärmung beträgt derzeit 1,3 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Je wärmer die Luft ist, desto mehr Feuchte kann sie aufnehmen, die dann als Regen wieder herunterkommen kann“, so Haslinger.

In Zukunft ist eine weitere Temperaturzunahme zu erwarten: „Bei einer Erwärmung der globalen Mitteltemperatur auf zwei Grad gegenüber vorindustrieller Zeit kann die Regenmenge bei Ereignissen wie in den letzten Wochen um weitere zumindest fünf Prozent zunehmen. Das zeigt auch, wie wichtig ein engagierter weltweiter Klimaschutz ist.“

Als positiv wertete der Forscher die Verbesserungen der Warn- und Schutzmaßnahmen in Mitteleuropa, die eine deutliche Wirkung zeigten. Die Zahl der Toten sei deutlich geringer gewesen als bei vergleichbaren Hochwasser-Ereignissen in Mitteleuropa, etwa in den Jahren 2002 und 1997.

„Die Klimakrise ist längst da, das spüren wir alle und das haben viele Menschen in Österreich durch die Hochwasser der letzten Tage schmerzlich am eigenen Leib erfahren müssen. Die heute veröffentlichte Studie des Imperial College London verdeutlicht, wie unerbittlich sich die Klimakrise weiter ausweiten wird, wenn wir nichts dagegen tun“, sagte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne). „Laut Studie sind derartig extreme viertägige Regenereignisse wie das jüngste durch den menschengemachten Klimawandel heute doppelt so wahrscheinlich wie in einer Welt ohne menschlichen Einfluss. Ich rufe alle auf, endlich das alte Denken abzulegen und gemeinsam für eine lebenswerte Zukunft zu arbeiten.“ Die Ministerin rief erneut dazu auf Renaturierungsprojekte umzusetzen und überbordende Bodenversiegelung zu stoppen. „Denn nur gesunde Böden und eine Natur, die ihren Platz hat, schützen gegen extreme Ereignisse. Naturschutz ist der beste Menschenschutz – für uns und unsere nächsten Generationen.“

„Jetzt haben wir es schwarz auf weiß: die Wahrscheinlichkeit für tödliche Überschwemmungen und Regenfälle in Österreich und Zentraleuropa, wie wir sie diesen Monat gesehen haben, wurde durch die Klimakrise verdoppelt. Das ist ein klares Warnsignal: Die Klimakrise zeigt ihr hässliches Gesicht und die nächste Regierung muss alles daran setzen, die Erderhitzung zu stoppen und uns vor den nächsten Naturkatastrophen schützen“, hieß es von Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace.

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