Medizin sieht Freigabe von Cannabis kritisch

Die Gefahren des Kiffens vor allem für junge Menschen werden laut Ärzten unterschätzt.
Die Gefahren des Kiffens vor allem für junge Menschen werden laut Ärzten unterschätzt. © Remo - stock.adobe.com

Voraussichtlich in der kommenden Woche soll der deutsche Bundestag über das Cannabis-Gesetz abstimmen. Nach Plänen der Ampel-Koalition sollten Cannabis-Anbau und -Konsum dann ab April für Erwachsene in festgelegten Grenzen erlaubt sein – und so könnte mancher Kiffertraum in Deutschland wahr werden. Die Idee bleibt dennoch umstritten.

Dabei geht es weniger um das Ziel, Dealern das Handwerk zu legen. Das wollen fast alle. Doch aus der Medizin kommen Bedenken, ob jungen Menschen das Risiko von Cannabis ausreichend bewusst ist. Denn bis zum Alter von 25 Jahren reift das Gehirn. Wer diesen Prozess durch heftiges Kiffen stört, kann sich lebenslange Folgen einhandeln – Stichwort Psychose.

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Teufel mit Beelzebub austreiben

„Ich befürchte, dass wir mit dem geplanten Gesetz den Teufel mit dem Beelzebub austreiben“, sagt Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank. Die Neurologin und Psychiaterin ist die künftige Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN). Das Alter sei der entscheidende Punkt bei dieser Diskussion. Das werde zu wenig gesehen.

Beim Cannabis-Konsum geht es um die psychoaktive Substanz Tetrahydrocannabinol (THC) aus der Hanfpflanze, die abhängig machen kann – ob nun als Joint, Haschkeks oder anders verpackt. „Riskanter Konsum lässt sich nicht pauschal festmachen“, sagt Stephanie Eckhardt, Referatsleiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung des Referats für Suchtprävention.

Es gebe Faktoren, die zusammenspielten: Wie oft wird Cannabis genutzt? Wie viel davon? Und wie hoch ist dabei der THC-Gehalt, also die Konzentration des Rauschmittels Tetrahydrocannabinol?

Zahl der Kiffer gestiegen

Der Cannabis-Konsum sei in Deutschland vor allem bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren gestiegen, berichtet Eckhardt. Von ihnen habe inzwischen knapp die Hälfte schon einmal Cannabis konsumiert, sagt sie mit Verweis auf Daten von 2021. Über den Grund für den Anstieg gibt es nur Vermutungen: die Verfügbarkeit, das soziale Umfeld, gesellschaftliche Trends und auch der Preis auf dem Schwarzmarkt. Nach Angaben des deutschen Ministeriums für Gesundheit haben im Jahr 2022 rund 4,5 Millionen Erwachsene in Deutschland wenigstens einmal Cannabis genutzt – am häufigsten im Alter zwischen 18 bis 24 Jahren.

Bis zur Volljährigkeit soll Cannabis nach dem geplanten Gesetz verboten bleiben. Dann gibt es ein Stufenmodell: 30 Gramm pro Monat würden für die 18- bis 21-Jährigen in Deutschland legal sein, 50 Gramm wären es für alle älteren Erwachsenen. „Das ist kein unproblematischer Freizeitkonsum mehr“, urteilt Gouzoulis-Mayfrank, Chefärztin an der LVR-Klinik in Köln. 50 Gramm im Monat reichten für mehrere Joints am Tag. Auch 30 Gramm seien für junge Volljährige zu viel. „Die geplante Legalisierung ist ein Feldversuch in der Gesellschaft“, sagt die Ärztin. „Aus unserer Sicht sollten wir im Moment nicht ganz so waghalsig voranschreiten.“

Psychiaterin Gouzoulis-Mayfrank rechnet in Deutschland mit Kollateralschäden, falls die Legalisierung so kommt wie geplant. Ihr Fachverband spricht sich für eine Freigabe erst ab 21 Jahren aus. „Damit würde man auch ein klares Signal an junge Volljährige senden, dass Kiffen für sie problematisch ist.“ Neben Alkohol und Nikotin gilt Cannabis laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen weltweit als das beliebteste Rauschmittel.

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