20 Monate Haft für „Handlanger“ eines geflüchteten Häftlings

Geflüchteter Gewalttäter verbüßte in Stein eine elfjährige Haftstrafe © APA/THEMENBILD/ROLAND SCHLAGER

Nach wie vor keine Spur gibt es von Islam Y., einem Hochrisiko-Häftling der Justizanstalt Krems-Stein, der am 14. November 2023 eine MRT-Untersuchung zur Flucht genutzt hat. Wo sich der 35-Jährige am Abend des 21. November befunden hat, ist mittlerweile bekannt: er passte den Mann seiner Cousine in Wien-Favoriten ab und schlug den 31-Jährigen spitalsreif. Der „Handlanger“, der ihm das Opfer zugeführt hatte, ist am Freitagnachmittag am Wiener Landesgericht verurteilt worden.

Für den 36 Jahre alten Mann setzte es als Beitragstäter zur schweren Körperverletzung 20 Monate unbedingt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Verteidiger Florian Kreiner erbat Bedenkzeit, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab. Der Angeklagte hatte das Opfer angerufen und unter der Vorgabe, mit ihm etwas besprechen zu müssen, aus der Wohnung gelockt. Auf der Straße wurde der 31-Jährige dann von dem auf der Flucht befindlichen, mit europäischem Haftbefehl gesuchten Islam Y. in Empfang genommen: er versetzte ihm zunächst fünf Faustschläge gegen den Kopf und den Oberkörper, worauf der 31-Jährige zu Boden stürzte. Dort kassierte er sechs Fußtritte gegen Kopf und Körper und weitere elf Faustschläge ins Gesicht. Islam Y. – wie der mutmaßliche Beitragstäter und das Opfer der Gewalttat tschetschenischer Herkunft – war vor seiner Inhaftierung Mixed-Martial-Arts-Kämpfer. Er saß in der JA Stein eine elfjährige Freiheitsstrafe ab, die unter anderem wegen Raubes ausgesprochen worden war.

Lesen Sie auch

Der 36-Jährige, der den 31-Jährigen in die Falle gelockt hatte, filmte die Gewalttat mit seinem Handy. Das Video machte anschließend in der tschetschenischen Community die Runde – es sollte offenbar der Wiederherstellung der Ehre dienen, in der sich Islam Y. verletzt erachtete, weil sich der Ehemann seiner Cousine negativ über ihn geäußert hatte. Dieser erlitt infolge der Schläge und Tritte Brüche des Jochbeins und des Oberkiefers sowie ein Galeahämatom links über dem Ohr.

Wo sich Islam Y. aktuell aufhält, ist unbekannt. Sowohl der Angeklagte als auch der als Zeuge vernommene Verprügelte betonten in der Verhandlung, sie hätten keine Ahnung, wo sich der 35-Jährige befinde. Für Hinweise, die zur Ergreifung des Flüchtigen führen, sind 5.000 Euro ausgelobt.

Der Angeklagte und Islam Y. dürften einander schon länger kennen. Vor Gericht betonte der 36-Jährige, Islam Y. habe „seine Ehre verteidigen wollen. Dafür wollte er ein Video. Er ist zu weit gegangen“. Der Verantwortung des Mannes, er habe nicht gewusst, was Islam Y. mit dem Opfer vor hatte, und habe vermutet, es gehe „um eine Entschuldigung“, schenkte die Richterin keinen Glauben: „Das sind Schutzbehauptungen.“ Sie bezeichnete den Angeklagten als „Handlanger“ und betonte: „Ohne Sie hätte das nicht funktioniert. Sie haben das Opfer hinausgelockt.“

Video
Ich möchte eingebundene Social Media Inhalte sehen. Hierbei werden personenbezogene Daten (IP-Adresse o.ä.) übertragen. Diese Einstellung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft in der Datenschutzerklärung oder unter dem Menüpunkt Cookies geändert werden.

In den Augen von Islam Y. hatte der von ihm krankenhausreif Geprügelte ihm die Ehre genommen, indem dieser daran Anstoß nahm, dass sich der in Stein Inhaftierte von einer verheirateten Frau besuchen ließ und mit dieser auch per Handy kommunizierte. Das kam Islam Y. zu Ohren. Er soll noch in der Haft den 31-Jährigen per Textnachrichten und Anrufen mit dem Handy, die in Justizanstalten an sich verboten sind, aufgefordert haben, seine Aussagen zurückzunehmen. Als das nicht passierte, begab sich Islam Y. nach geglückter Flucht nach Wien und ließ die Fäuste sprechen.

Das Opfer betonte in der Verhandlung, der etliche junge Männern und Frauen der tschetschenischen Community beiwohnten, er habe die Sache nicht gerichtsanhängig gemacht: „Ich bin nicht zur Polizei gegangen und habe auch nicht die Polizei gerufen. Ich will nicht so dargestellt werden, als hätte ich das angezeigt.“ Der 31-Jährige machte den Anschein, als wäre ihm nicht ganz wohl, unter Wahrheitspflicht aussagen zu müssen. Er machte auch keinen Schmerzengeldanspruch geltend, obwohl er laut einem Gerichtsgutachten eine mehr als 24 Tage andauernde Gesundheitsschädigung davongetragen hatte.

Das könnte Sie auch interessieren