Angeblicher „Dexter“-Komplize demnächst vor Gericht

Todesumstände in der Sautergasse könnten Bezüge zum „Dexter“-Akt haben © APA/GEORG HOCHMUTH

Ein mutmaßlicher Komplize des im vorigen Dezember in Wien zu lebenslanger Haft verurteilten mutmaßlichen Mafia-Paten Dario D. alias „Dexter“ muss sich demnächst ebenfalls am Landesgericht verantworten. Der 30-jährige Dejan S. soll gemeinsam mit „Dexter“ innerhalb von nur zwei Monaten – nämlich zwischen 24. März und 21. Mai 2021 – mehrere dutzend Kilogramm Kokain und Heroin in Verkehr gesetzt haben. Der Prozess findet unter strengen Sicherheitsvorkehrungen am 12. März statt.

Das Kokain wies mit einem Reinheitsgehalt von 70 Prozent eine erstklassige Qualität auf. Laut Anklage wurde die Ware in Zehn-Kilo-Lieferungen nach Österreich geschafft und gewinnbringend an den Mann gebracht. Dejan S. gilt als hochgefährlich. Während „Dexter“ im Sommer 2021 im Zuge der Operation „Achilles“ festgenommen wurde, bei der Ermittler im Bereich der Organisierten Kriminalität (OK) mafiöse Strukturen dank der Auswertung von Chats in Kryptomessenger-Diensten zerschlagen hatten, konnte sich der Serbe in den Fernen Osten absetzen. Der mit internationalem Haftbefehl Gesuchte wurde im Vorjahr in Thailand festgenommen und von Zielfahndern des Bundeskriminalamts nach Österreich geschafft – mit erheblichen Schwierigkeiten. Es musste nämlich dem Vernehmen nach ein Privatflugzeug gechartert werden, nachdem der Mann sich in einer Linienmaschine mit massiver Gewalt und Selbstverletzungen – er soll seinen Kopf gegen den Boden geschlagen haben – gegen das Außer-Landes-Bringen gewehrt hatte. Der Pilot der Linienmaschine weigerte sich schließlich, mit dem renitenten Passagier den Flug von Bangkok nach Europa anzutreten.

Der 30-Jährige, der mittlerweile in der Justizanstalt (JA) Josefstadt in U-Haft sitzt, bestreitet sämtliche gegen ihn gerichteten Vorwürfe. Ein Einspruch gegen die Anklage wurde allerdings vom Wiener Oberlandesgericht (OLG) abgeschmettert. Belastet wird der Mann wie bereits „Dexter“ von Text- und Audionachrichten, die die beiden in vermeintlich abhörsicheren Chats geteilt hatten. Die Gruppierung um „Dexter“ nutzte Krypto-Handys, bei denen nicht ein Mal eine Standort-Peilung möglich war. Man konnte mit den Geräten auch nicht telefonieren, aber Bilder, Videos und Audio-Nachrichten verschicken. Über die Dienste Sky ECC – ein in Frankreich entwickeltes Apple-Gerät mit einer fix installierten App und einer gefinkelten Verschlüsselungstechnologie – bzw. Anom – vom FBI entwickelt und als „verdeckte Maßnahme“ gezielt unter Kriminellen verbreitet, um deren Machenschaften nachvollziehen zu können – hatte der mutmaßliche Banden-Boss seine Geschäfte dokumentiert. Seine Verurteilung zu lebenslanger Haft ist zwar nicht rechtskräftig – ein dagegen eingebrachtes Rechtsmittel ist beim Obersten Gerichtshof (OGH) anhängig -, europäischen Strafverfolgungsbehörden war es allerdings gelungen, die Kommunikation der Kriminellen um „Dexter“ zu knacken und die Inhalte, die über Server in Kanada und Frankreich liefen, zu sichern. In weiterer Folge wurden die Chats mit Hilfe des FBI entschlüsselt. Bei den von „Dexter“ genutzten Geräten traten dokumentierte Drogen-Lieferungen, Anweisungen an seine Untergebenen und sogar eine Art Buchhaltung zutage. Letzten Endes wurde er auf Basis dieser Beweise vor knapp drei Monaten für über 300 Drogen-Deals, die nach Ansicht des Erstgerichts die Einfuhr und das Inverkehrsetzen von hunderten Kilogramm Heroin und Kokain belegten, zur Höchststrafe verurteilt.

Die ausgewerteten Chats zeigten aber auch, dass „Dexter“ ausgesprochen brutal und mit einer eigenen „Gerichtsbarkeit“ reagierte, wenn er sich von Mitgliedern seiner Gruppe hintergangen fühlte. Er galt bis zu seiner Inhaftierung als der in Wien lebende Statthalter des montenegrinischen Kavac-Clans, dem neben Drogen- und Waffenhandel auch zahlreiche Morde zugeschrieben werden – wobei teilweise sogar gegen eigene Leute vorgegangen wurde, die sich aus Sicht der Führungskräfte etwas zuschulden hatten kommen lassen. Die ausgelesenen Chats manifestierten Folterungen, darunter auch das Abschneiden von Körperteilen für angebliche „Verfehlungen“.

All das lässt an den bisher ungeklärten Mordfall in der Sautergasse in Wien-Ottakring denken, wo am vergangenen Mittwoch in einer Wohnung eine unbekannte männliche Leiche gefunden wurde. Dass der Getötete mit Drogen-Geschäften zu tun gehabt haben dürfte, gilt insofern als gesichert, als in der Wohnung bzw. im dazu gehörenden Keller eine Marihuana-Plantage betrieben wurde. Entsprechendes Equipment wurde sichergestellt. Womöglich war der Getötete für die Aufzucht der Cannabis-Pflanzen zuständig. Fest steht auch, dass der Mann misshandelt wurde. Die Leiche wies zahlreiche Stichwunden im Oberkörper auf, die Finger waren abgetrennt worden, womöglich um eine Identifikation über die Fingerabdrücke zu verunmöglichen.

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Ein DNA-Gutachten soll nun die Identität des unbekannten Toten klären. Sowohl die Landespolizeidirektion als auch das Bundeskriminalamt, das in die Ermittlungen wesentlich eingebunden ist, geben sich zu dem Fall ausgesprochen bedeckt. Die Staatsanwaltschaft, die das Verfahren leitet, führt dieses als Verschlussakt, was klar macht, dass die Tat dem Bereich der Organisierten Kriminalität zugeordnet wird. Sollte die Identität des Toten geklärt werden können, wäre in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob dieser Bezüge zum Kavac-Clan oder einer mit dieser verfeindeten Gruppierung hatte.

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