EU-Renaturierungsgesetz: Kein „weißer Rauch“ am Weißensee

Die Naturschutzreferenten der Länder haben sich am Freitag bei ihrer Konferenz am Kärntner Weißensee nicht zu einer Entscheidung durchringen können, wie ihre Haltung zum Renaturierungsgesetz aussieht. „Am Ende haben die Länder keine Entscheidung getroffen – weder zum Inhalt noch zum Prozess“, sagte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) nach der Konferenz.

Laut Gewessler bleibe die große Frage offen: „Stehen die Länder hinter der bisherigen Stellungnahme oder stehen sie auf Seite des Naturschutzes? Diese Klarstellung fehlt.“ Die Initiative aus Wien und Kärnten, die angekündigt haben, ihren Widerstand gegen das Gesetz aufzugeben, sei „gut und wichtig“, denn es gehe „um eines der wichtigsten Gesetze.“ Nun müssten aber Nägel mit Köpfen gemacht werden – Wien und Kärnten müssten „auch den letzten und entscheidenden Schritt machen“.

Auf Nachfrage, wie Gewessler abstimmen werde, wenn es beim Status quo bleibt, erklärte die Ministerin: „Mein Ziel ist, dass Österreich für die Verordnung stimmt.“ Aber: „Die Stellungnahme der Länder ist rechtlich bindend. Es ist ein zentraler Schritt, der aussteht, und deshalb ersuche ich die Landeshauptleute Michael Ludwig und Peter Kaiser (beide SPÖ, Anm.) um Klarstellung.“

Im Büro des Wiener Landeshauptmanns und Bürgermeisters zeigte man sich auf APA-Anfrage einigermaßen verwundert. Man habe sogar in einem Brief an die Ministerin klargestellt, dass man sich dazu bekenne, dass die Verordnung komme – unter den bereits kommunizierten Voraussetzungen wie die Sicherstellung der Finanzierung und der Ernährungssicherheit, wie ein Sprecher betonte. Der Vorschlag liege nun bei den anderen Ländern. Nötig wäre eine neue Stellungnahme.

Wiens Umweltstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) verwies ebenfalls auf Schreiben des Bürgermeisters, einen Landtagsbeschluss und eine „deutlicher Positionierung“ in der heutigen Konferenzen. „Wien hat wirklich alles getan“, beteuerte der Ressortchef in einer der APA übermittelten Stellungnahme. Es gebe wohl auch keine stärkere Klarstellung, als das Einbringen eines neuen Entwurfes für eine gemeinsame Stellungnahme. Die Unsicherheit der Ministerin sei nicht erklärbar: „Wie wär’s mit einer Auseinandersetzung mit den Gegnern in der Bundesregierung?“

Auf die Frage, wie das aus Kärntner Sicht aussehe, meinte die zuständige Landesrätin Sara Schaar: „Mein Ziel war es, so etwas wie einheitliches Vorgehen im Prozess sicherzustellen. Unabhängig davon, ob man dafür oder dagegen ist, sollte man trotz unterschiedlicher Meinungen ein gemeinsame Zielbild haben. Und das wurde leider nicht zustande gebracht.“ Ablehnung kam von der niederösterreichischen Landesrätin Susanne Rosenkranz (FPÖ): „Uns ist allen bekannt, dass Naturschutz wichtig ist – die Frage ist nur das Wie.“ Man können bei dem Vorstoß von Wien nicht mitgehen und habe Bedenken ausgedrückt: „Es geht darum, dass die Bundesländer das auch umsetzen müssen. Die Verordnung ist schwammig formuliert.“

Gewessler meinte, sie habe beim Renaturierungsgesetz dafür geworben, einen Schritt zurück zu machen, um „zu schauen, worum geht es, was steht in der Verordnung. Denn der Schlüssel zu einer gesunden Natur ist, dass wir auf sie aufpassen. Das Gesetz ist gut und wir sollen das auf europäischer Ebene beschließen“, denn die Ökosysteme seien in Gefahr.

Bei einem Ende der einheitlichen Stellungnahme der Bundesländer zum EU-Renaturierungsgesetz wäre laut Gewessler keine Zustimmung von anderen Ressorts bei einer Abstimmung im EU-Rat nötig. „Wenn Landwirtschaftsminister Totschnig in Brüssel ohne mein Einvernehmen bei der Landwirtschaftspolitik, bei der gemeinsamen Agrarpolitik die Umweltschutzstandards abschwächen kann, dann muss das ja wohl umgekehrt auch möglich sein“, so Gewessler im Ö1-Journal.

Es sei „langjährige und gelebte Praxis, dass die zuständigen Ministerinnen und Minister am Rat entscheiden und ich sehe auch keinen Grund, warum wir das hier anders machen sollten“, sagte Gewessler. Dies hätten auch Juristen bestätigt. „Was mich bindet, ist die Länderstellungnahme“, so die Umweltministerin am Freitag.

Die ÖVP hat sich am Donnerstag weiterhin ablehnend gegenüber dem EU-Renaturierungsgesetz gezeigt. Bundeskanzler Karl Nehammer bezeichnete die Verordnung als „dramatisches Beispiel für den Überregulierungswahn in Brüssel“, Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (beide ÖVP) betonte, dass bei einem möglichen Ende der einheitlichen Stellungnahme der Bundesländer die Verordnung auch sein Ressort betreffe – und er nicht zustimmen könne.

„Selbst für den Fall, dass sich die Bundesländer auf eine anderslautende Stellungnahme einigen sollten, ist Bundesministerin Gewessler weiterhin an das Bundesministeriengesetz gebunden. Dies besagt, dass für den gegenständlichen Fall ein Einvernehmen mit dem Landwirtschaftsministerium herzustellen ist. Gerade im Fall der Renaturierungsverordnung liegt auf der Hand, dass von der Landwirtschaft konkrete Umsetzungsmaßnahmen zu treffen wären. Ich gehe davon aus, dass sich die Bundesministerin an den beim Bundespräsidenten abgelegten Eid erinnert, dem zufolge sie nicht nur an die Verfassung, sondern an alle in Österreich geltenden Gesetze gebunden ist. Sollte Bundesministerin Gewessler zustimmen, würde sie österreichisches Recht brechen“, sagte auch Europaministerin Karoline Edtstadler.

Vor der Landesnaturschutzkonferenz hatten „Scientists For Future Kärnten“ mit einer künstlerischen Aktion aufgewartet, sie fordert ein klares Ja zum Renaturierungsgesetz. Ein Zusammenschluss von Jugendbewegungen, darunter Fridays For Future und das österreichische Jugendbiodiversitätsnetzwerk GYBN Austria, forderte von der ÖVP einen „faktenbasierten Diskurs“ und rief die SPÖ dazu auf, „Klartext“ zu sprechen. Erwartet wurden „mutige Schritte der Klimaministerin“: „Österreich kann hier das Zünglein an der Waage sein, um den Zustand der Natur in ganz Europa voranzubringen und uns eine bessere Zukunft zu ermöglichen!“, so der Tenor.

„Der Schaden, den ÖVP und Grüne in den letzten fünf Jahren verursacht haben, wird uns noch über Generationen belasten. Es wird höchste Zeit, dass demokratische Wahlen dem ein Ende setzen. Das ‚Beste aus beiden Welten‘, wie Kurz und Kogler 2020 die ÖVP-Grüne-Koalition bezeichnet hatten, wird zum Armageddon für die nächsten Generationen“, erklärte hingegen der Kärntner FPÖ-Chef Erwin Angerer.

Das Gesetz sieht vor, dass künftig mehr Wälder aufgeforstet, Moore wiedervernässt und Flüsse in ihren natürlichen Zustand versetzt werden – Maßnahmen zum Schutz der Natur wie im Kampf gegen die Klimakrise.

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