Freispruch für Seilbahn-Mitarbeiter in Tirol

Die Seilbahn-Mitarbeiter wurden freigesprochen © APA/MARKUS STEGMAYR

Nach dem Tod einer 28-jährigen Skifahrerin im Jahr 2023 sind drei Mitarbeiter eines Zillertaler Seilbahnunternehmens am Dienstag am Landesgericht Innsbruck vom Vorwurf der grob fahrlässigen Tötung freigesprochen worden. Dem Geschäftsführer war vorgeworfen worden, trotz extrem eisiger Verhältnisse keine Betriebsanweisung zur Pisten-Sperre und zu Absicherungen erteilt zu haben. Zwei Pistenraupenfahrern wurde zur Last gelegt, die Piste nicht unverzüglich gesperrt zu haben.

Die Urteile waren vorerst nicht rechtskräftig. Der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab. Die Angeklagten hatten sich im Prozess nicht schuldig bekannt. Im Falle einer Verurteilung hätte den Beschuldigten eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren gedroht.

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Im Zentrum der Anklage stand eine offenbar völlig vereiste, steile Piste am Hintertuxer Gletscher am Neujahrstag 2023. Die drei Mitarbeiter hätten nicht den Umständen entsprechend gehandelt, was den Tod einer 28-jährigen Niederländerin zur Folge gehabt habe, warf ihnen die Anklage vor. Am Tag des tödlichen Skiunfalls, bei dem die Frau durch ein Fangnetz gerutscht und schließlich gegen einen Baum geprallt war, kamen zudem sieben weitere Personen auf derselben Piste zu Schaden. Drei Wintersportler wurden schwer verletzt, vier weitere leicht. Die Unfälle ereigneten sich innerhalb einer halben Stunde.

In seiner mehr als halbstündigen Urteilsbegründung führte Richter Norbert Hofer aus, dass der Freispruch ein solcher „im Zweifel“ sei. Man könne nicht von einer Sorgfaltsverletzung der Mitarbeiter ausgehen, sondern müsse auch von einem „außergewöhnlichen Winter mit wenig Schnee und schwierigen Wetterverhältnissen“ ausgehen. Zur Vereisung der Piste sei es tatsächlich erst in der Früh vor der Öffnung der Skipisten gekommen, weshalb auch zusätzliche und noch genauere Kontrollfahrten nichts an der Situation geändert hätten. „Alles in allem war es eine absolute Ausnahmesituation“, meinte Hofer, der unter anderem argumentierte, dass auch die Sicherungsmaßnahmen am Steilstück, wie zum Beispiel das dort vorhandene Fangnetz, zum Unfallzeitpunkt ausreichend gewesen seien.

Der Verteidiger hatte zuvor bei der rund zehnstündigen Verhandlung in seinem Eröffnungsplädoyer von „einem schwarzen Tag für die Zillertaler Gletscherbahn“ gesprochen. Er gab aber zu bedenken: „An diesem Tag kam es durch die relativ warmen Witterungsumstände in der Nacht zu einer regelrechten Metamorphose der Piste.“ Außerdem habe man es in der damaligen Wintersaison mit einem „Ausnahmewinter“ mit sehr wenig Schnee zu tun gehabt, nahm er eines der Argumente von Hofer vorweg.

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Der erstangeklagte 68-jährige Geschäftsführer bekannte sich bei seiner Einvernahme ebenso wie seine Mitangeklagten „nicht schuldig“. „Totalsperren kommen sehr selten vor“, gab er zu Protokoll. Und zwar lediglich bei „großen Neuschneemengen“. An den folgenschweren Unfalltag erinnerte er sich genau: „Nacht und Tag waren ausnehmend mild.“ Ihm selbst seien an diesem Tag die besonderen Pistenverhältnisse aber so gar nicht zu Ohren gekommen. „Die Mitarbeiter können die Pisten aber an sich sofort sperren, wenn Gefahr in Verzug ist“, strich er heraus. Schriftliche Dienstanweisungen über einen korrekten Dienstweg gebe es aber nicht. Auch Kontrollfahrten seien ordnungsgemäß durchgeführt, sowie die Absicherung des Steilstücks ordnungsgemäß erfolgt gewesen.

Der Drittangeklagte – ein 24-jähriger Pistenraupenfahrer – bezeichnete die Piste bei seiner Einvernahme vor Gericht als „hart“, aber nicht vereist. Man sei „im Zweifel gewesen“, ob man die Piste sofort hätte sperren müssen, habe es dann aber trotz grundsätzlicher dienstrechtlicher Möglichkeit nicht getan. „Stattdessen haben wir nach längerem Überlegen den Betriebsleiter verständigt“, erklärte er. Mehrfach verteidigte er sich auf Nachfragen von Richter Norbert Hofer, ob ein unverzügliches Sperren nicht doch notwendig gewesen wäre: „Das Teilstück der Piste war für uns diskussionswürdig, aber nicht eindeutig.“

Der zweite, 34-jährige Pistenraupenfahrer und Zweitangeklagte argumentierte ähnlich. „Bei den Kontrollfahrten mit dem Ski-Doo habe ich gemerkt, dass die Piste etwas rutschig ist“, meinte dieser. Eisplatten und „das blanke Eis“, seien ihm aber nicht aufgefallen. Die Piste habe sich aber offenbar „verändert“. „Ich war selbst überrascht, was in der Zeit bis zu den Unfällen mit der Piste passiert ist“, erklärte der Beschuldigte. Die Möglichkeit „sofort zu sperren“ hätte aber auch aus seiner Sicht bestanden.

Rund 17 Zeugen – einige davon wurde bei der Abfahrt zum Teil erheblich verletzt, viele kamen aber trotz Fahrproblemen heil ans Ziel – beschrieben im Anschluss wortreich und zum Teil bildhaft die Beschaffenheit des Steilstücks bei der Talabfahrt, auf dem sich der tödliche Unfall ereignete. „Es war pures Eis“, sagte etwa der Lebensgefährte der Freundin der verunglückten 28-jährigen Frau.

Dessen Freundin wiederum hielt lediglich fest, dass der „Schnee dort nicht so sehr gut war“. Weitere als Zeugen einvernommene Skifahrer und Snowboarder sprachen beispielsweise von einem „Eishockeyfeld mit Skiern“ oder von einer Situation, in der „ich die Fahrt nicht mehr wirklich kontrollieren konnte“. Auch über das skifahrerische Können der tödlich Verunglückten gaben die Aussagen Aufschluss. „Es war meines Wissens nach ihre erste Wintersaison auf freiem Gelände, zuvor hatte sie nur in Skihallen in den Niederlanden geübt“, gab etwa ihr Freund zu Protokoll.

Ein „skitechnisches Gutachten“ fügte noch einen anderen Aspekt hinzu, der sich rund um die tödlich Verunglückte entspann. „Ihr Skimaterial war absolut mangelhaft“, sagte Gutachter Werner Margreiter. Die Vereisung der Piste reiche damit als alleiniger Grund für den Unfall nicht aus, so der Gutachter. Dennoch übte er Kritik an den „Sperr- und Sicherungsverhältnissen“: „Unmittelbare Gefahren hätten besser erkannt und abgesichert werden müssen.“ Die Piste sei zwar zuvor „ordnungsgemäß präpariert“, aber durch klimatische Umstände schließlich stark vereist gewesen. Darauf hätte es rasch zu reagieren gegolten.

Gutachter und Meteorologe Karl Gabl beschrieb ergänzend die Wetter- und Schneelage am Unglückstag. Es gab eine „Metamorphose des Schnees“, die es in diesem Fall zu beachten gelte, so Gabl. „In der Nacht bis zum Morgen gab es Föhn und damit einen sehr milden 1. Jänner“, sagte er. „Der Schnee an der Oberfläche ist damit geschmolzen und es hat sich eine Wasserhaut gebildet“, skizzierte Gabl die Situation. Danach sei der Wind „abgesackt“, Verdunstung und schließlich Vereisung des Pistenstücks folgten, schilderte der frühere Präsident des Kuratoriums für Alpine Sicherheit die „Verwandlung“ des Schnees.

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