Jeder zehnte Bub wird Opfer sexualisierter Gewalt

Violence children and trafficking concept, Fight against vio

Schätzungen zufolge wird jeder zehnte Bub in Österreich bis zum 18. Lebensjahr Opfer sexualisierter Gewalt. Obwohl diese Zahl sehr hoch ist und die Übergriffe oft schwerste Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben, ist das Thema immer noch tabuisiert. Bei einem Fach-Kongress am 4. März in Wien will die Männerberatung unter der zentralen Botschaft „Hinschauen und zuhören“ den Fokus auf die männlichen Opfer richten.

Ein wesentlicher Grund für das „Wegschauen“ ortete die Wiener Männerberatung am Dienstag in einer Aussendung vor allem in den stereotypen Geschlechterkonstruktionen und Männlichkeitsbildern. „Buben, Burschen und Männern wird seitens der Gesellschaft mehrheitlich die Rolle des Täters zugeschrieben – als Opfer bleiben sie jedoch im toten Winkel der Wahrnehmung“, hieß es.

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Ein Wegschauen gibt es vor allem, wenn Frauen die Täterinnen sind. Auch hier führen stereotype Vorstellungen von Täter-Opfer-Konstruktionen dazu, dass diese Übergriffe im Hintergrund bleiben bzw. den Opfern oft kein Glauben geschenkt wird. Dabei gehen Dunkelstudien davon aus, dass 25 Prozent der sexuellen Gewalt von Frauen ausgeht.

Opfern wird oft nicht zugehört

Buben und Burschen, die sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind, versuchen durchaus über ihre Erfahrungen zu sprechen oder sich Hilfe zu holen. „Leider wird ihnen meist nicht zugehört. Andere kommen wegen ,Auffälligkeiten’ ins Hilfesystem, dort wird die sexualisierte Gewalt aber nicht zum Thema“, so die Männerberatung.

Für die Opfer haben die Übergriffe oft schwerste Auswirkungen. „Zu den psychischen Folgen erlittener Gewalt zählen vielfältige und teils massive Langzeitfolgen, wie etwa die Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung“, erklärte Hubert Steger, Klinischer Psychologe und Bereichsleiter der Männerberatung Wien.

Besser dokumentiert sind die sexuellen Übergriffe in Institutionen wie Heimen, Schulen oder Kindergärten. So zeigt etwa die Wiener Heimkinder-Studie (2018) auf, dass über 60 Prozent der ehemaligen männlichen Heimkinder Opfer von Gewalt (inklusive sexuellem Missbrauch) wurden. Schätzungen aus dem Dunkelfeld liegen hier noch weit höher.

Die Fachtagung will am Montag einen Überblick über aktuelle Forschungsergebnisse zu sexualisierter Gewalt gegen Buben und Burschen sowie Beispiele zur effektiven Präventionsarbeit liefern.

Die zentrale Botschaft: „Hinschauen und zuhören!“. Dies bedeutet, auch der Opfer-Perspektive eine Stimme zu geben. Im Rahmen der Fachtagung werden daher auch (ehemals) Betroffene ihre persönlichen Erfahrungen teilen.

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