Mordversuch-Prozess gegen rücksichtslosen Autoraser in Wien

Wegen versuchten Mordes ist am Montag am Wiener Landesgericht gegen einen rücksichtslosen Autoraser verhandelt worden, der sich in der Nacht auf den 9. Dezember 2023 einer Polizeikontrolle entzogen und der Exekutive eine kilometerlange Verfolgungsjagd quer durch die Stadt geliefert hatte. Dabei baute er mehrere Unfälle, zwei Personen wurden schwer verletzt. Verteidiger Rudolf Mayer bezeichnete den 35-Jährigen wörtlich als „Arschloch“, töten habe dieser aber niemanden wollen.

Der gebürtige Serbe hatte sich am 8. Dezember von seinem Cousin einen über 20 Jahre alten, nicht mehr für den Verkehr zugelassenen Jaguar gekauft. Dabei besitzt der Kfz-Mechaniker keinen Führerschein mehr – der war ihm 2017 wegen Trunkenheit am Steuer abgenommen worden. Er sei ein „Autonarr“, räumte er nun vor einem Schwurgericht (Vorsitz: Nicole Baczak) ein. Bei der allerersten Ausfahrt erregte er jedoch die Aufmerksamkeit einer Zivilstreife.

Die Polizeibeamten nahmen an einer Kreuzung am Mariahilfer Gürtel wahr, wie der Mann am Steuer lässig seinen linken Arm mit einem Joint in der Hand aus dem geöffneten Seitenfenster baumeln ließ. Sie bemerkten auch Cannabisgeruch und wollten daher den Lenker einer Kontrolle unterziehen. Daraufhin stieg dieser aufs Gaspedal und fuhr den Polizisten davon, die rasch in ihr Fahrzeug sprangen und mit Blaulicht die Verfolgung aufnahmen.

Was dann folgte, nannte die Staatsanwältin nun „Wahnsinn“ und „eine besonders gefährliche und rücksichtlose Amokfahrt“. Der Angeklagte habe mehrere Kreuzungen mit weit überhöhter Geschwindigkeit und bei Rotlicht überfahren und andere Verkehrsteilnehmer und Fußgänger, die vorschriftsmäßig bei Grün die Fahrbahn überquerten, in Gefahr gebracht. Als die Polizei im Bereich Gaudenzdorfer Gürtel – Eichenstraße eine Straßensperre errichtet hatte, um den Raser an der Weiterfahrt zu hindern, suchte dieser eine Lücke und fuhr dabei über eine Verkehrsinsel, wobei er aus Sicht der Anklagebehörde um ein Haar zwei Polizeibeamte niedermähte, die sich ihm mit gezückten Dienstwaffen in den Weg stellten.

„Er rast gezielt auf die Beamten los und macht keine Anstalten auszuweichen oder abzubremsen. Sie konnten sich in letzter Sekunde retten, weil sie zur Seite gesprungen sind. Sonst hätte er sie frontal gerammt und höchstwahrscheinlich getötet“, schilderte die Staatsanwältin. Für sie war damit der Tatbestand des versuchten Mordes erfüllt.

Der Mann setzte seine Fahrt fort und erfasste am Matzleinsdorfer Platz einen Radfahrer. „Der wurde durch die Luft geschleudert und prallte am Asphalt auf. Nur weil er einen Helm trägt, erleidet er nur ein leichtes Schädel-Hirn-Traum“, setzte die Anklagevertreterin fort. Selbst da habe der Angeklagte noch nicht angehalten. Am Landstraßer Gürtel geriet er auf die Gegenfahrbahn und setzte seine Fahrt als Geisterfahrer fort. Er krachte schließlich in einen ihm entgegenkommende Pkw, in dem sich eine vierköpfige Familie befand. Die Mutter, die am Beifahrersitz saß, wurde schwer, ihre Tochter leicht verletzt. Der Vater, der am Steuer saß, und der Sohn blieben unverletzt.

Nach dieser Kollision kam der Jaguar zum Stillstand. Der Lenker versuchte zu flüchten, indem er aus dem Wagen sprang und davonlief. Er wurde wenig später von der Polizei gefasst.

„Ich habe einen Schrecken gehabt, Panik gehabt. Daher bin ich aufs Gas gestiegen“, erklärte der Angeklagte, weshalb er sich nicht von der Polizei kontrollieren habe lassen wollen. Er sei „schnell weitergefahren, mit 70, 80 km/h“. Die Polizisten, die sich ihm in den Weg stellten, habe er „sicher nicht verletzen“ wollen: „Mein Ziel war zu flüchten.“ Er sie davon ausgegangen, dass die Beamten rechtzeitig zur Seite springen, die seien dahin gehend geschult.

Den Radfahrer habe er nicht gesehen, meinte der Angeklagte. Der sei „in dem Moment da“ gewesen, er habe „reflexartig“ ausweichen wollen, was ihm misslungen sei. Auf die Frage, warum er sich um den Verletzten nicht gekümmert hätte, sondern weitergefahren sei, erwiderte er: „In dem Moment, wo ich ausgestiegen wäre, hätte sich die Polizei auf mich gestürzt und ich wäre verhaftet worden“. Er habe sich gedacht, „es wird sich schon wer kümmern“.

Der Mann war erst am 12. Jänner 2023 in Tschechien nach Verbüßung einer mehrjährigen Haftstrafe aus dem Gefängnis entlassen worden. Im Frühjahr 2019 hatte man ihn in Brno (Brünn) ohne Führerschein mit einer erheblichen Menge an Cannabis und mehreren Pistolen sowie einer Kalaschnikow im Kofferraum erwischt. Auch damals hatte er sich einer Polizeikontrolle zu entziehen versucht und sich mit der tschechischen Polizei eine gefährliche Verfolgungsjagd quer durch Brno geliefert. Er wurde dafür unter anderem wegen Gemeingefährdung, Suchtmitteldelikten, illegalen Waffenbesitzes und weiterer Vergehen zu sieben Jahren Haft verurteilt und nach Verbüßung der Strafhälfte wegen guter Führung vorzeitig entlassen.

Die nunmehrige Verhandlung, in der neben versuchtem Mord mehrere Körperverletzungen, vorsätzliche Gemeingefährdung und Gefährdung der körperlichen Sicherheit inkriminier ist, wurde zur weiteren Beweisaufnahme vertagt. Im Fall einer anklagekonformen Verurteilung drohen dem 35-Jährigen zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft.

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