Neuer Herstellungsweg für Industriechemikalie Nitril ohne Blausäure

Biotechnologen an TU Graz und in Tschechien entwickelten biokatalytisches Verfahren

Technologist in protective uniform wearing hairnet mask goggles and gloves closing industrial tank reservoir. © littlewolf1989 - stock.adobe.com (Symbolfoto)

Bei der Herstellung von Haushaltsreinigern ebenso wie der Produktion von pharmazeutischen Wirkstoffen kommt die Industriechemikalie Nitril zum Einsatz. Um diese Produktklasse herzustellen, werden hochgiftige Blausäure und davon abgeleitete Zyanide eingesetzt.

Forschende der TU Graz haben mit tschechischen Kollegen einen alternativen Herstellungsweg für Nitrile entwickelt. Das biokatalytische Verfahren braucht zugleich weniger Energie, teilte die TU Graz am Dienstag mit.

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Zyanide, die Salze der Blausäure, kommen häufig in der Industrie zur Anwendung, doch Zyanid, auch Blausäure genannt, ist eine extrem giftige Substanz. Margit Winkler vom Institut für Molekulare Biotechnologie der TU Graz hat zusammen mit Ludmila Martinkova (Institut für Mikrobiologie der tschechischen Akademie der Wissenschaften) ein biokatalytisches Verfahren entwickelt, das die Herstellung für Nitril ohne den Rückgriff auf Zyanid ermöglicht.

„Zyanid beschäftigt mich bereits seit meiner Diplomarbeit, und wie wir auch aus den Romanen von Agatha Christie wissen, ist es hochgiftig. Daher war es uns wichtig, einen Weg zu finden, wie sich diese gefährliche Substanz in der Produktion vermeiden lässt“, schilderte Margit Winkler.

Die Forschungsgruppe, die sie gemeinsam mit ihrer Kollegin aus Tschechien gebildet hat, greift auf Enzyme zurück und verbindet drei einzelne Reaktionen zu einer Kaskade. Ausgangsstoff sind Carbonsäuren, etwa Fettsäuren aus Ölen oder Lignin. „Die Fettsäuren, die wir einsetzen, stammen aus Pflanzenölen. Wir haben hier also wirklich eine biobasierte Herstellungsmethode“, betonte Winkler.

In einem ersten Schritt wird die Carbonsäure durch Zugabe von Zucker, Sauerstoff und dem in lebenden Bakterienzellen enthaltenen Enzym Carbonsäurereduktase zu einem Aldehyd gewandelt. Um diesen hoch reaktiven und dadurch instabilen und in vielen Fällen noch dazu flüchtigen Stoff abzufangen, lässt man in einem weiteren Schritt das Aldehyd mit Hydroxylamin reagieren. Dadurch wird es zu einem stabilen Oxim umgesetzt.

Oxim ist wiederum eine gewässerte Form des Nitrils. Im letzten Schritt kommt daher das Enzym Aldoxim Dehydratase zum Einsatz. Auch dieses befindet sich in Bakterienzellen und sorgt dafür, dass dem Oxim das Wasser entzogen wird. Ist dies geschehen, hat die Kaskade ihr Ziel erreicht und das gewünschte Nitril ist hergestellt.

Aktuell werden im ersten Prozessschritt stark verdünnte Lösungen eingesetzt, wodurch ein sehr großer Reaktor gebraucht wird, um Großmengen zu produzieren. Das ist allerdings teuer. Gut einsetzbar ist die Methode daher vorerst nur für kleine Mengen. Das wäre etwa bei sehr potenten Duftstoffen der Fall, von denen nur wenig benötigt wird, um einen Effekt zu erzielen.

Für die Herstellung größerer Nitrilmengen ist noch Optimierungsarbeit notwendig, um den biokatalytischen Prozess zu vertretbaren Kosten nutzen zu können. Winkler forscht bereits daran, den ersten Schritt effizienter zu gestalten. Die Dehydrierung des Oxims alleine sei hingegen bereits ausgesprochen effizient und bereits technisch reif für die Produktion.