Plattform macht auf Versorgungsmängel bei Kindern aufmerksam

Lücken bei Kassen-Kinderärzten und bei psychosozialer Betreuung © APA/HELMUT FOHRINGER

Die neugegründete Plattform #besserbehandelt.at macht mit einer Kampagne auf Mängel in der Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen aufmerksam. Es wird für Familien immer schwieriger eine Kinderärztin oder einen Kinderarzt mit Kassenvertrag zu finden, hieß es am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Im psychosozialen Bereich bestehe eine Unterversorgung in ländlichen Gebieten und durch die fehlende Kostenübernahme der Sozialversicherung im niedergelassenen Bereich.

Initiator der Plattform ist die Politische Kindermedizin, ein Verein von Kinder- und Jugendmedizinern und anderen im Kinder- und Jugendbereich engagierten Berufsgruppen. „Wir sehen es als unsere soziale Verantwortung, die Missstände in der Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen mit Daten und Fakten zu hinterlegen und diese den politisch Verantwortlichen rückzumelden und uns als Expertinnen und Experten anzubieten, um Lösungsvorschläge zu erarbeiten“, betonte die Kinderärztin Sonja Gobara, Obfrau der Politischen Kindermedizin.

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In Niederösterreich ist jede vierte Kassen-Kinderarztstelle unbesetzt, in Oberösterreich jede sechste. In einigen Bezirken gibt es gar keine Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde mit Kassenvertrag, sodass die Eltern sehr lange Anfahrtswege auf sich nehmen müssen. In Wien können mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Kassen-Kinderärzte aufgrund der Auslastung keine neuen Patienten aufnehmen, wurde erläutert.

Nach wie vor bestehe ein massiver Mangel an kostenfreien Diagnose- und Therapieplätzen für Kinder mit chronischen Erkrankungen oder Entwicklungsretardierungen. „Wir bräuchten im Vergleich zur Versorgung in Deutschland sechs Mal so viele Logopäden und sieben Mal so viele Ergotherapeuten, die ihre Leistungen mit den Sozialversicherungen verrechnen. In Anbetracht der Zeitfenster, etwa für die Sprachentwicklung, ist das, mit allen Auswirkungen auf den Bildungsweg der Kinder, schlichtweg unzumutbar“, sagte Gobara.

Eine Befragung der Kinderliga aus dem Jahr 2022 hatte gezeigt, dass der Bedarf an psychosozialer oder therapeutischer Betreuung laut 79 Prozent aller befragten Psychotherapeuten und klinischen Psychologen das aktuelle Angebot um 45 Prozent übersteigt. „Mit Hilfe von Zuzahlung im privaten Wahlärzte- und Wahltherapeuten-Bereich können Wartezeiten für einige Kinder zwar verkürzt werden, dies stellt aber für viele Familien eine unüberwindbare Hürde dar und widerspricht einer gesundheitlichen Chancengleichheit und -gerechtigkeit“, betonte Caroline Culen, Geschäftsführerin der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit.

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„Wir fordern eine zukünftige Bundesregierung auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und eine kostenfreie, flächendeckende, ausreichende Versorgung ohne Diskriminierung von Kindern mit Behinderung oder chronischer Erkrankung oder aus finanziell schwachen Familien zu sichern“, appellierte Gobara. „Es ist jedenfalls hoch an der Zeit, in einer gemeinsamen Anstrengung eine breite Öffentlichkeit von den massiven Defiziten in der Gesundheitsversorgung unserer Kinder zu informieren und um Unterstützung für diese so wichtige Bewegung zu bitten“, hielt sie fest.

Die Ärztekammer für Wien unterstützte die Forderung der Plattform in einer Aussendung. „Im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie wartet man in Wien im Schnitt 90 Tage auf einen Kassentermin, was untragbar und erschreckend ist“, berichtete Kammerpräsident Johannes Steinhart aus einer Erhebung im Auftrag der Standesvertretung. „Mehr als die Hälfte der Kassenmedizinerinnen und -medizinern für Kinder- und Jugendheilkunde in der Bundeshauptstadt kann aufgrund der enormen Auslastung keine neuen Patientinnen und Patienten mehr aufnehmen“, bestätigte er. Schuld daran sei „das jahrelange Ausbluten des Kassensystems“.

„Wir sind da mittendrin“, sagte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) auf Nachfrage bei einer Pressekonferenz. „Da wissen wir, dass wir im Bereich der Versorgung von Kindern und Jugendlichen, insbesondere was die mentale Gesundheit angeht, eine Problemlage haben.“ Das Programm „Gesund aus der Krise“ zur Behandlung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sei aufgestockt und verlängert worden. Der Ausbau der kassenärztlichen Versorgung werde in den vorhandenen „Problemfächern“ priorisiert, versicherte Rauch. Er begrüße die Initiative, dadurch würden „Prozesse unterstützt, die schon im Gange sind“.

Weitere Forderungen und Maßnahmenempfehlungen auf besserbehandelt.at

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