Toter Ex-Lokalpolitiker in Tirol: Zwölf Jahre Haft für Mann

Der Angeklagte wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt © APA/MARKUS STEGMAYR

Nach der Tötung eines 75-jährigen Ex-Gemeindepolitikers im Tiroler Völs im November 2023 ist ein dringend tatverdächtiger 52-jähriger Einheimischer am Donnerstag in einem Geschworenenprozess am Landesgericht Innsbruck wegen des Verbrechens des Mordes zu zwölf Jahren unbedingter Haft verurteilt worden. Dem geständigen Mann war vorgeworfen worden, dem Opfer mit einem axtähnlichen Gegenstand im Kopf- und Halsbereich tödliche Verletzungen zugefügt zu haben.

Das Urteil war vorerst nicht rechtskräftig. Staatsanwaltschaft wie Verteidigung gaben zunächst keine Erklärung ab. Der Wahrspruch der acht Geschworenen hinsichtlich der Hauptfrage, ob der Angeklagte des Mordes schuldig sei, fiel einstimmig aus. Weniger einstimmig und äußerst knapp – nämlich mit fünf Nein- und drei Ja-Stimmen – lautete der Spruch der Geschworenen in Bezug auf eine mögliche Unzurechnungsfähigkeit des Mannes.

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Richterin nennt mehrere Milderungsgründe

Richterin Andrea Wegscheider begründete das Strafmaß von zwölf Jahren – dem Mann hätte bis zu lebenslanger Haft gedroht – unter anderem mit der Unbescholtenheit und Geständigkeit des 52-Jährigen. „Der Angeklagte war zudem zum Tatzeitpunkt in seiner Zurechnungsfähigkeit hochgradig eingeschränkt“, benannte sie außerdem einen weiteren Milderungsgrund.

Auch im Prozess war zuvor bereits vor allem die Frage der Zurechnungsfähigkeit des 52-Jährigen im Fokus gestanden, die laut der renommierten psychiatrischen Sachverständigen Adelheid Kastner gegeben war. Vor ihren Erläuterungen hatte der Angeklagte vor dem Geschworenengericht den Tathergang am 29. November 2023 geschildert. „Er hat mich an diesem Tag auf einen Kaffee besucht“, sagte der Mann über die getötete Person, die er einen ehemaligen Freund nannte. Es ging später bei den Gesprächen um eine „Grundstücksumwidmung“, im Rahmen derer ihm sein Gegenüber „gedroht“ und zum „Verkaufen gezwungen“ habe. „Ich habe ihm klar zum verstehen gegeben, dass ich nicht verkaufen will“, betonte er. Ebenjene Grundstücksumwidmung hätte zu einem „Wertverlust seines Grundstückes“ geführt, berichtete der Angeklagte.

Angeklagter: „Ich habe einfach zugeschlagen“

Nach diesem Streitpunkt habe er schließlich danach gefragt, was sein späteres Opfer „am Wochenende macht“. Als dieser darauf nicht antworten wollte, sei ihm klar geworden, dass es dem 75-Jährigen nur um seinen Vorteil und nicht um „echte Freundschaft“ gehe. Danach sei alles sehr schnell gegangen. „Ich nahm schließlich voller Wut das erstbeste Werkzeug und habe ihm fest auf den Schädel geschlagen“, sagte der Angeklagte. „Obwohl er ein Freund war, wollte er mich erpressen“, führte der Mann einen weiteren Grund dafür an. Auf die Frage von Wegscheider, ob er den langjährigen ehemaligen Gemeindepolitiker tatsächlich umbringen habe wollen, antwortete der Mann ausweichend: „Ich habe einfach zugeschlagen und nicht wirklich über die Folgen nachgedacht.“ Die Tat sei jedenfalls „nicht geplant gewesen“, sondern aus der Situation heraus passiert.

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Staatsanwalt Joachim Wüstner beschrieb die Bluttat in drastischen Worten: „Es war wie in einem Horrorfilm.“ „Der Schädel war zertrümmert, die Adern durchtrennt“, führte er zur gewaltvollen Tötung des Völser Ex-Gemeindepolitikers, die in der Wohnung des Angeklagten stattgefunden hatte, aus. Der Angeklagte habe mit dieser Tat einen „verdienten Gemeindebürger“ abrupt aus dem Leben gerissen. Ein psychiatrisches Gutachten würde zeigen, dass der 52-Jährige zwar unter einer „kombinierten Persönlichkeitsstörung“ leide, zum Tatzeitpunkt allerdings zurechnungsfähig gewesen sei.

Verteidiger zweifelte Gutachten an

Dem widersprach der Verteidiger des Mannes, Albert Heiss, vehement. „Mein Mandant kann aufgrund seiner Krankheit schlicht nicht verurteilt werden“, sagte er. Er sei „massiv suizidgefährdet“ und gehöre in ein forensisch-therapeutisches Zentrum. Das psychiatrische Gutachten von Kastner – das eben die Zurechnungsfähigkeit des Mannes attestiert – sei diesbezüglich problematisch und durchaus zweifelhaft: „In der Psychiatrie wurde meinem Mandanten etwa schon eine paranoide Schizophrenie attestiert.“ Auch im Vorfeld der Verhandlung hatte Heiss dieses Gutachten bereits angezweifelt und wollte ursprünglich ein Gegengutachten in Auftrag geben.

Der Mann sei zweifellos „schwer depressiv“ und würde sich in Haft wohl rasch „suizidieren“, meinte der bekannte Tiroler Anwalt. Den Zustand seines Mandanten erklärte er auch mit seiner schweren Kindheit: „Sein Vater und seine Mutter haben sich umgebracht und er war seit seiner frühen Jugend auf sich allein gestellt.“

Gutachterin Kastner stellte bei der Erläuterung ihres Gutachtens alle während der Verhandlung in den Raum gestellten Erkrankungen in Abrede: „Er leidet weder unter Wahnvorstellungen noch unter einer Schizophrenie“, hielt sie fest. „Er leidet aber unter einer schwerwiegenden, nachhaltigen Persönlichkeitsstörung.“ Das sei aber keine Krankheit per se, sondern lasse sich meist – so auch in diesem Fall – aus der Lebensgeschichte der Klienten heraus erklären.

Gutachterin: Biografie ist „Aneinanderreihung von Katastrophen“

„Die bisherige Biografie des Angeklagten war eine Aneinanderreihung von Katastrophen“, so die Expertin. Er habe früh Vater, Mutter und Schwester – Mutter und Schwester durch Suizid – verloren und war „auf sich alleingestellt“. Das erkläre auch seine Persönlichkeitsstruktur und Verfasstheit. Außer Frage stehe aber, dass er zum Tatzeitpunkt wusste, „wer ihm gegenübersteht, wer er selbst ist und was er tut.“ Damit sei er auch zurechnungsfähig und schuldfähig gewesen. Zudem sei der 52-Jährige nicht „gefährlich“ und müsse somit nicht in einem forensisch-therapeutischen Zentrum untergebracht werden.

Vor dem Gutachten von Kastner hatten sich zwei als Zeugen geladene Psychiaterinnen ihrer Aussagen enthalten. Sie hatten den Angeklagten bei Erstdiagnosen nach seiner Aufnahme in die Psychiatrie unter anderem eine „wahnhafte Störung“ oder auch „Schizophrenie“ attestiert und waren vom Verteidiger als Zeugen beantragt worden.

Schlussplädoyers: „Er hätte ihn auch nicht erschlagen können“

In ihren Schlussplädoyers legten Staatsanwalt und Verteidiger schließlich noch einmal ihre unterschiedlichen Positionen dar. „Er hätte ihn auch nicht erschlagen können“, sagte der öffentliche Ankläger und betonte damit, dass der Angeklagte sowohl – wenngleich auch eingeschränkt – zurechnungsfähig gewesen sei sowie auch anders hätte handeln können. „Der Angeklagte hatte sehr wohl begriffen, was er tut und was er damit alles anrichtet“, hielt Wüstner fest. An einer Verurteilung wegen Mordes führe somit kein Weg vorbei, richtete er sich vornehmlich an die Geschworenen.

Verteidiger Heiss sah das wenig überraschend anders. Er strich heraus, dass sein Mandant zwar womöglich noch wusste, dass die Tat „Unrecht ist“, aber dass er angesichts seiner Biografie und der Verhaltensweise des Opfers zuvor von einer heftigen Gemütsbewegung übermannt worden sei. „Man muss somit in Betracht ziehen, dass es eine Affekttat war und die Zurechnungsfähigkeit nicht mehr vorhanden war“, so der Verteidiger. Danach erhielt der Angeklagte Gelegenheit zu einem Schlusswort. Dabei nahm er unter anderem Bezug auf seinen bisher schwierigen Lebensweg und meinte: „Ich bin geistig nicht normal.“

Leiche eine Woche nach Tat gefunden

Der Leichnam des ehemaligen Kommunalpolitikers war am 6. Dezember 2023 in einem Nebengebäude des Grundstücks des Beschuldigten gefunden worden – und zwar eine Woche nach dessen Tod, wie eine Obduktion ergab. Der nunmehr Angeklagte wurde am selben Tag festgenommen. Opfer und mutmaßlicher Täter hatten einander viele Jahre lang gekannt.

Die Polizei war dem 52-Jährigen nach einem entsprechenden Hinweis auf die Spur gekommen. Der Tatverdächtige hatte sich einem Bekannten anvertraut, der sich an die Exekutive wandte. Diese fuhr anschließend nach Völs zu seiner Wohnadresse. Nach seiner Festnahme führte der Mann die Ermittler zu jenem leer stehenden Nebengebäude auf seinem Grundstück, wo die Leiche gefunden wurde.