Wegen grob fahrlässiger Tötung des Freundes verurteilt

Polizei musste aufgewühlte Prozess-Zuschauer beruhigen © APA/STEFAN SOMWEBER

Wegen grob fahrlässiger Tötung seines besten Freundes ist ein 21-Jähriger am Freitag am Wiener Landesgericht rechtskräftig zu 15 Monaten teilbedingter Haft verurteilt worden. Der ums Leben gekommene 19-Jährige hatte dem Angeklagten am 5. Mai 2023 das Steuer seines auf 400 PS aufgetunten Sportwagens überlassen. Dieser verlor in der Leberstraße in Fahrtrichtung Landstraßer Hauptstraße die Kontrolle über das Fahrzeug, geriet ins Schleudern und prallte gegen einen geparkten Bus.

Der 19-Jährige starb am Beifahrersitz. Kausal für den Unfall war die überhöhte Geschwindigkeit sowie das Fahrverhalten des Angeklagten, wie der verkehrstechnische Sachverständige im Grauen Haus ausführte. Der Lenker war demnach zum Unfallzeitpunkt mit 100 km/h im Stadtgebiet unterwegs. Der BMW M1 sei außerdem „nicht verkehrs- und betriebssicher“ gewesen, weil das Fahrzeug mit einer nachträglich eingebauten modifizierten Motorsoftware um 90 PS nach oben gepitcht worden war. „Da ist man teilweise Passagier“, sagte der Sachverständige.

Der Angeklagte war umfassend reuig geständig: „Ich habe das Auto zum ersten Mal probiert. Ich bereue keine Sekunde in meinem Leben mehr, als dass ich mich an diesem Tag ins Auto gesetzt habe.“ Er habe „in der Kurve aufs Gas gedrückt“, berichtete der 21-Jährige, der derzeit als Paket-Zusteller arbeitet. Eine Lehre als Automechaniker hat der Sohn eines Autohändlers abgebrochen. „Es hat mich ins Schleudern gebracht. Das Auto hat sich komplett eingedreht“, berichtete der 21-Jährige. Er habe „das unterschätzt. Ich habe nicht erwartet, dass sich das Auto um die Achse dreht“.

Der Fahrzeug-Lenker erlitt bei dem Aufprall gegen einen geparkten Omnibus eine Gehirnerschütterung, eine Lungenquetschung, einen Lebereinriss und einen Kieferbruch. Sein bester Freund erlag am Beifahrersitz seinen Verletzungen. Bei der Obduktion wurden ein Schädel-Hirn-Trauma und massive Einblutungen in die Bauchhöhle als todesursächlich festgestellt. Der Unfalllenker war nicht alkoholisiert.

Er leide an Flashbacks und sei in psychotherapeutischer und medikamentöser Behandlung, verriet der Angeklagte: „Ich beschuldige mich jeden Tag, warum ich das Auto nicht unter Kontrolle gebracht habe.“ Am meisten helfe ihm, „dass ich zu Gott gefunden habe. Ich habe begonnen, die Bibel zu lesen. Ich glaube an ein Leben nach dem Tod und an ein Wiedersehen,“ sagte der 21-Jährige, wobei ihm die Stimme brach. Welche Strafe er auch immer ausfasse, diese sei „nicht das Härteste. Ich würde mein Leben geben, um ihn (den Getöteten, Anm.) zurückzuholen“.

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Der Angeklagte räumte ein, der so genannten Tuning-Szene angehört zu haben: „Ich habe getunte Autos gehabt. Ja, ich habe starke Autos geliebt.“ Gerne habe er den Porsche Panamera seines Vaters gefahren. Mit 17 hatte er den Führerschein gemacht, schon zuvor gab es einen ersten Unfall mit einem Microcar, als der damals noch Jugendliche in die Auslage eines Schnellimbiss-Lokals fuhrt. Später wurde ihm einmal wegen Schnellfahrens und Ignorierens einer roten Ampel der Führerschein abgenommen. Seiner Begeisterung für rasante Autofahren belegte der Angeklagte, indem er ein Video online stellte, das ihn in einem Sportwagen mit Tempo 250 auf der Autobahn zeigte. Im März 2023 – wenige Wochen vor dem tödlichen Unfall – geriet er in eine Verkehrskontrolle und wurde mit 1,2 Promille als Alko-Lenker aus dem Verkehr gezogen.

Einzelrichter Andreas Hautz verhängte über den 21-Jährigen bei einer Strafdrohung von bis zu drei Jahren wegen grob fahrlässiger Tötung eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon vier Monate unbedingt. Den Rest bekam der bisher Unbescholtene unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen. „Das Signal muss sein: wer sich in so ein Auto setzt und 100 km/h im Stadtgebiet fährt, geht zu einem Teil sitzen“, stellte der Richter in der Urteilsbegründung fest. Er bezeichnete das Schnellfahren mit aufgemotzten Autos wörtlich als „geistesgestört“. Der Rechtsvertreter der Angehörigen des Getöteten bekam 3.000 Euro an Begräbniskosten zugesprochen. 20.000 Euro hatte die Familie des Angeklagten den Hinterbliebenen bereits Mitte Oktober an Trauerschmerzengeld überwiesen. Dem 21-Jährigen wurde auch die Weisung erteilt, seine Psychotherapie unter begleitender psychiatrischer Kontrolle fortzusetzen. Das Urteil ist bereits rechtskräftig, sowohl die Staatsanwältin als auch der Verteidiger waren damit einverstanden.

Die Verhandlung fand unter enormem öffentlichen Interesse statt. Die Familie, Bekannte und Freunde des ums Leben Gekommenen waren einem Aufruf im Internet gefolgt und ins Landesgericht gekommen. Die Hauptverhandlung wurde kurzfristig in einen Schwurgerichtssaal verlegt, wo nur ein kleiner Teil der 150 Interessierte Sitzplätze fanden. Während es während der Verhandlung im emotional teilweise aufgewühlten Auditorium ruhig blieb, gingen einigen Zuseherinnen und Zusehern nach der Urteilsverkündung die Nerven durch. „Mörder! Mörder“, wurde dem Angeklagten zugerufen, auch etliche Schimpfwörter und Beleidigungen fielen.

Vorsorglich hatte die Vizepräsidentin des Landesgerichts, Christina Salzborn, einige Polizisten vom parallel laufenden Prozess gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz abgezogen und in den Saal gebeten. Die Beamten griffen dann besonnen, aber bestimmt durch. Sie bildeten eine Sperrkette zum Angeklagten und seinem Verteidiger Elmar Kresbach und sorgten dafür, dass diese nicht bedrängt wurden. Etliche aus dem Publikum wollten zunächst nicht den Saal verlassen und verliehen mit Unmutsäußerungen ihrer anhaltenden Entrüstung über Ausgang des Verfahrens Ausdruck. Nach einigen Minuten, als allmählich Ruhe einkehrte, wurde der Saal geräumt, der 21-Jährige und sein Anwalt konnten unbehelligt das Gerichtsgebäude verlassen.

Vor dem Landesgericht versammelten sich dann noch Dutzende Freunde und Verwandte des ums Leben Gekommenen und nahmen erhitzt an dem in ihren Augen zu milden Urteil Anstoß. „Was ist das, wenn man Leute umbringt, vier Monate!“ oder „Ich geh jetzt auch fahrlässige Tötung machen!“ wurde gerufen. Polizeibeamte sorgten auch in dieser Situation dafür, dass die aufgeladene Atmosphäre nicht weiter eskalierte und sich die Besucherinnen und Besucher nach 15 Minuten entfernten.

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