West-Nil-Virus in Österreich und Europa auf dem Vormarsch

Erkrankungsrisiko in Österreich laut AGES weiterhin gering © APA/Uwe Anspach

Das West-Nil-Virus breitet sich zunehmend in Europa aus, vor allem im städtischen Raum und dort wo intensive Landwirtschaft betrieben wird, berichten Forscher im Fachjournal „Plos Pathogens“. Auch Österreich ist von dem Virus betroffen, das meist Vögel, selten Menschen infiziert und von Stechmücken übertragen wird. „Das Risiko in Österreich, an West-Nil-Fieber zu erkranken, ist aber nach wie vor gering“, so die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) zur APA.

„2023 wurde in Österreich ein einziger Fall gemeldet, die betroffene Person hat sich höchstwahrscheinlich in Italien infiziert“, so die AGES: „In Österreich gab es auch bisher keinen Todesfall beim Menschen.“ Rund 80 Prozent der Infektionen beim Menschen bleiben in der Regel unbemerkt, weil sie keine Symptome verursachen. Knapp 20 Prozent der Betroffenen werden von grippeähnlichen Symptomen heimgesucht, bei sieben von tausend infizierten Menschen kommt es zur „West-Nil-Virus-assoziierten Meningoenzephalitis“ (Entzündung des Gehirns und der Hirnhäute, Anm.).

Ein Forscherteam um Lu Lu von der University of Edinburgh (Schottland) hat die Entwicklungs- und Verbreitungsgeschichte des West-Nil-Virus (WNV) in Europa anhand von Virus-Erbgutsequenzen und Daten zu Krankheitsfällen (epidemiologischen Daten) bei Menschen und anderen Tieren nachgezeichnet.

Das West-Nil-Virus wird durch Gelsenstiche übertragen. Normalerweise zirkuliert es zwischen blutsaugenden Stechmücken und Vögeln, die seine „Hauptwirte“ sind. Menschen und andere Säugetiere, insbesondere Pferde, können aber auch daran erkranken, erklärt die AGES: „Sie stellen jedoch eine Sackgasse für das Virus dar.“ Von Menschen und Pferden kann das Virus nicht mehr in Stechmücken gelangen und somit auf keinen weiteren Mensch oder ein Pferd übertragen werden.

Das West-Nil-Virus zirkuliert seit den 1960er-Jahren in Europa, so die Forscher. Von den global existierenden neun unterschiedlichen „Abstammungslinien“ kommen sechs in Europa vor, während es etwa in Nordamerika nur eine Variante (WNV-1) gibt. Laut Erbgutsequenzen ist in Europa „WNV-2“ mit 82 Prozent am häufigsten. Es hat wiederum eine dominante Unterlinie namens „WNV-2a“ (73 Prozent aller in Europa gefundenen Sequenzen). WNV-2a trat 2003 bis 2004 erstmals in Ungarn auf, erreichte ein Jahr später den östlichen Teil Österreichs und wurde mittlerweile in 14 europäischen Ländern nachgewiesen.

„WNV-2a breitet sich mit einer hohen Geschwindigkeit von 88 bis 215 Kilometern pro Jahr aus“, so die Forscher. Hauptverantwortlich dafür seien Vogelbewegungen. Eine besonders hohe Ausbreitungsgeschwindigkeit habe sich gezeigt, wo intensive Landwirtschaft betrieben wird. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass dort Vogelarten leben, die oft mit dem West-Nil-Virus infiziert sind. Das Virus verbreitet sich auch entlang der Flugrouten von Zugvögeln.

Außerdem würde „WNV-2a tendenziell von Gebieten mit hohem Verstädterungsgrad angelockt“, schrieben die Forscher. Dort gebe es durch menschliche Veränderungen ein starkes ökologisches Ungleichgewicht, eine von der Artenvielfalt her wenig ausgeglichene Mückengemeinschaft und vermehrt „Gemeine Stechmücken“ (Culex pipiens). Von jener wurden Hybrid-Formen mit „Culex pipiens f. molestus“ gefunden, „die als Brücke für WNV zwischen Vögeln und Menschen dienen können.“

Die in Europa zweithäufigste West-Nil-Virus-Linie „WNV-1“ wurde ebenfalls in Österreich nachgewiesen, sowie in sechs anderen Ländern. Zudem gab es hierzulande eine weitere Linie (WNV-9) in Vögeln und Stechmücken, aber nicht bei Menschen.

Die Forscher raten aufgrund ihrer Studienergebnisse dazu, „eine verbesserte Überwachung zur frühzeitigen Erkennung einer weiteren Ausbreitung auf Gebiete mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung und Lebensräume von Zugvögeln“ einzurichten. Außerdem solle man städtische Regionen vermehrt Aufmerksamkeit schenken.

In Österreich wird bereits seit einigen Jahren ein bundesweites Gelsen-Monitoring betrieben, heißt es von Seiten der AGES: „Das Auftreten und die Verbreitung gebietsfremder und potenziell invasiver Gelsenarten wird mittels Ovitraps (Eigelegefallen, Anm.) erfasst.“ Zudem startete mit Anfang 2024 ein neues Überwachungsprojekt namens „OH SURVector“, das von der EU gefördert wird. Die AGES leite hier ein internationales Konsortium mit Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Griechenland. „In diesem Projekt wird die Überwachung von Vektoren in Österreich und den Partnerländern ausgebaut“, so die AGES: „Eines der Projektziele ist die frühzeitige Erkennung von Veränderungen in der geografischen Verteilung von Vektoren und Krankheitserregern, die bereits im Land vorkommen, mit Schwerpunkt auf Borrelien und West-Nil-Virus.“

Österreichweit werden dazu 60 Fallen von Mai bis Oktober für jeweils 24 Stunden in der ersten und dritten Woche des Monats aufgestellt, und zwar vor allem im städtischen Raum, berichten die Experten der AGES. Denn dieser wäre ein vorteilhafter Lebensraum für den Hauptüberträger, nämlich die Gemeine Stechmücke „Culex pipiens“.

(S E R V I C E: Studie online unter: doi.org)

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