Wiener Polizist nach Gewaltvorwurf weiter im Dienst

Polizeigewalt soll laut Kritikern unverhältnismäßig gewesen sein © APA/EVA MANHART

Nach dem Auftauchen von Misshandlungsvorwürfen gegen einen Wiener Polizisten bei einem Einsatz im Zusammenhang mit einem Tötungsdelikt am Sonntag in Wien-Simmering versieht der Betreffende weiterhin ganz normal Dienst, hieß es am Dienstag auf APA-Anfrage von der Landespolizeidirektion. Das Referat für besondere Ermittlungen wurde bereits am Vortag, als ein Video von dem inkriminierten Vorfall aufgetaucht war, eingeschaltet. Die Sache werde nun geprüft.

Bei der Staatsanwaltschaft Wien ist ebenfalls ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. „Wir haben mit der Polizei Kontakt aufgenommen“, sagte Sprecherin Nina Bussek der APA. Vor Aufnahme der Ermittlungen will die Staatsanwaltschaft aber den Bericht der Polizei abwarten.

Das Video, aufgenommen von einem Puls24-Kameramann, zeigt, wie bei der Festnahme eines Mannes dessen Kopf mehrfach auf den Boden geschlagen wird. Laut LPD Wien wollte der 19-Jährige einen nach Angaben der Exekutive gesperrten Bereich vis-a-vis des Tatorts betreten, um von einem Bankomaten Geld zu beheben. Kurz zuvor hatte in einem Geschäft gegenüber ein 38-jähriger Iraner eine Schusswunde erlitten, an der er wenig später im Spital starb.

Die Ermittler seien erst dabei, sich das Originalvideo zu besorgen, um die Ermittlungen entsprechend weiterzuführen, sagte Polizeisprecherin Barbara Gass Dienstagvormittag, man sei mit dem Medium in Kontakt. Die im Internet kursierenden, geschnittenen und teils verpixelten Aufnahmen seien schon zuvor gesichert und gesichtet worden. „Nunmehr werden alle Informationen zusammengetragen und dann dem zuständigen Gericht übermittelt, wie in jedem anderen Fall auch“, betonte die Sprecherin. Eine Beurteilung in einem so frühen Stadium der Ermittlungen könne und wolle sich die Polizei nicht erlauben. Eine APA-Anfrage an den Wiener Landespolizeipräsidenten Gerhard Pürstl zu dem Fall blieb am Dienstag unbeantwortet.

Der 19-Jährige, der laut Gass eine Kopfverletzung davongetragen hat, war vorläufig festgenommen worden, er wurde dann wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und schwerer Körperverletzung auf freiem Fuß angezeigt. Denn auch ein an der Amtshandlung beteiligter Polizist wurde laut LPD verletzt. Dieser habe sich „nach Meldungslegung selbst in ein Krankenhaus begeben“ und Verletzungen an einem Knie sowie am Ellbogen aufgewiesen, so die Sprecherin.

„Sobald die Polizei einen Menschen überwältigt hat, darf sie gegen ihn – egal was ihm vorgeworfen wird – keine weitere Gewalt mehr ausüben“, kritisierte der Grüne Sicherheitssprecher Georg Bürstmayr. „Diese Videoaufnahmen sind verstörend, für diese offenkundig überbordende Gewalt ist keinerlei Grund ersichtlich. Zwangsgewalt darf unsere Polizei nur ausüben, wenn und solange das notwendig ist, um einen Widerstand zu überwinden, und selbst dann muss sie stets das gelindeste Mittel wählen.“

Fragen werfe auch auf, „dass gegen den Betroffenen gleich mehrere strafrechtliche Vorwürfe erhoben werden, unter anderem ausgerechnet der, er hätte einen Polizisten am Körper verletzt. Diese Fragen betreffen nicht nur jenen Beamten, der den Kopf des Betroffenen gegen den Boden geschlagen hat. Es ist auch schwer nachvollziehbar, wie solche Anzeigen zustande kommen und warum andere beteiligte Polizisten ihren Kollegen nicht an dieser offenkundigen Misshandlung gehindert haben“, so Bürstmayr weiter. Er kündigte eine parlamentarische Anfrage an.

Ebenfalls eine parlamentarische Anfrage kündigten die NEOS an. Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper forderte aus Anlass des Falles erneut, dass die geplante Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt nicht im Innenministerium angesiedelt werde. „Dem haben die Grünen aber trotz lauter Kritik von sämtlichen Fachleuten zugestimmt. Sie sollten ihre Zustimmung zu dieser absurden Idee spätestens jetzt zurückziehen“, sagte Krisper auf APA-Anfrage.

SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner forderte ebenfalls ein Umdenken der Bundesregierung zur Ermittlungs- und Beschwerdestelle für Polizeigewalt. „Wenn ein Zivilist von mehreren Polizistinnen und Polizisten klar fixiert ist und dann plötzlich sein Kopf gegen den Gehsteig geschlagen wird, dann scheint das eindeutig wie überschießende Gewaltanwendung. Genau für solche Fälle braucht es eine starke und unabhängige Beschwerdestelle, die eben nicht im Innenministerium liegen darf“, so Einwallner. Der Vorfall müsse zu einem Umdenken führen.

Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl ortete im Ö1-Mittagsjournal eine „Überforderung der jungen Beamten in einer aufgeheizten Situation“ und sprach sich für eine bessere Ausbildung aus. Mit dem staatlichen Gewaltmonopol, das Polizisten haben, müsse man aber „mit Augenmaß umgehen“. „Wenn jemand eine Gefahr darstellt, dann muss die Polizei reagieren, aber wenn eine Personen schon am Boden fixiert ist, dann kann dieser Person gegenüber keine Gewalt mehr ausgeübt werden“, kritisierte auch der auf Polizeigewalt spezialisierte Anwalt Clemens Lahner.

Puls24-Video online unter: ➡️ Weitere Informationen

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