FH-Wels-Forscher digitalisieren unterirdische Erdställe

Raimund Edlinger im Erdstall vor dem waagrechten Schlupf
Raimund Edlinger im Erdstall vor dem waagrechten Schlupf © FH OÖ/Kurt Niel

Erdställe, geheimnisvolle Tunnel- und Gangsysteme, die unter der Erde errichtet sind, haben Historiker und Archäologen seit langem fasziniert. Doch ihre rätselhafte Natur und oft schwer zugängliche Lage haben es bisher erschwert, ihre Geschichte und Bedeutung vollständig zu erfassen.

Nun hat die Digitalisierung Einzug gehalten: Assistenzprofessor Raimund Edlinger und FH-Prof. Kurt Niel vom FH OÖ Campus Wels haben es sich zur Aufgabe gemacht, diese von Menschenhand erschaffenen unterirdischen Strukturen mithilfe modernster Technologie zu erfassen und zu bewahren.

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Das Projekt markiert einen Meilenstein in der Erforschung und Erhaltung dieses einzigartigen kulturellen Erbes. Die 3D-Vermessung des Erdstalls von Unterstetten in der Gemeinde Tollet (Bezirk Grieskirchen) ist ein Beispiel für diese unterirdischen Anlagen, die in Süddeutschland, Österreich und Teilen Europas gefunden werden. Dieser Erdstall ist vor 800 Jahren entstanden, ist 35 Meter lang, reicht 7 Meter unter die Erdoberfläche und besteht aus sieben Räumen und sechs Verbindungsschlüpfen.

Mit 3-D-Modellen Erdställe erkunden

Die neue Initiative zur Digitalisierung von Erdställen setzt auf innovative 3D-Scantechnologien, 3D-Kartierung und Bildverarbeitung, um detaillierte virtuelle Modelle dieser unterirdischen Strukturen zu erstellen. Diese digitalen Visualisierungen ermöglichen es Forschern, Historikern und Interessierten auf der ganzen Welt, die Erdställe in nie dagewesener Weise zu erkunden und zu studieren. Die messtechnische Herausforderung besteht dabei in der Enge und der schwierigen Oberflächenstruktur der Gänge und Höhlen.

Die Expertise der beiden Forscher in den Bereichen Bildverarbeitung, mobile Robotik und Messtechnik führte zur Entwicklung eines tragbaren Sensorsystems. Trotz der schwierigen unterirdischen Infrastruktur (enge dunkle Abgeschiedenheit, Feuchte, erdige Oberflächen, horizontale und vertikale Passagen mit Öffnungsdurchmessern von 40 cm) konnte in Tollet ein aussagekräftiges 3D-Modell der gesamten Anlage erstellt werden. Zusammen mit Erdstallforscher Josef Weichenberger aus Linz konnten bereits neue Erkenntnisse über Einzelheiten der Bauform ermittelt werden.

Einblick in die Vergangenheit

„Durch die Digitalisierung der Erdställe erhalten wir nicht nur faszinierende Einblicke in ihre Architektur und Struktur, sondern auch in ihre potenziellen Verwendungszwecke und historische Bedeutung“, sind sich die beiden Professoren einig. „Diese Initiative stellt einen bedeutenden Schritt in Richtung Bewahrung und Erforschung dieses einzigartigen kulturellen Erbes dar.“

Ihre digitalen Modelle werden nicht nur der wissenschaftlichen Gemeinschaft zugänglich gemacht, sondern auch der Öffentlichkeit über Online-Plattformen und interaktive Ausstellungen präsentiert, ohne die Erdställe der Zerstörung durch oftmaliges Begehen auszusetzen. Dadurch wird das Bewusstsein für die kulturelle Bedeutung dieser faszinierenden Strukturen geschärft und ihr Erhalt nachhaltig gesichert.

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