„Ihr klebt also den Kuckuck rauf“

Gerichtsvollzieherin und ihr Kollege gewährten VOLKSBLATT Einblicke in ihren Beruf

Jasmin Großhaupt und David Soucek treiben im Auftrag der Justiz Schulden ein.
Jasmin Großhaupt und David Soucek treiben im Auftrag der Justiz Schulden ein. © Blasl

Wenn Jasmin Großhaupt und David Soucek an der Tür klingeln, ist für den Bewohner Schluss mit lustig. Denn die zierliche 29-Jährige und ihr zehn Jahre älterer, ebenso sympathischer Kollege, sind weder harmlose Paketboten, noch lästige Vertreter, die einen ein vermeintlich preisgünstiges Gerät andrehen wollen.

Bei dem Duo handelt es sich um Gerichtsvollzieher, welche die nicht immer einfache Aufgabe haben, beim Schuldner Bares einzutreiben oder sich in der Wohnung nach pfändbaren Wertgegenständen wie etwa TV-Geräte umzusehen. Sind letztere vorhanden, was in vielen Fällen aber nicht der Fall ist, bringen Großhaupt und Soucek den so genannten Kuckuck an – das gerichtliche Pfandsiegel.

Dieser Gegenstand darf in der Folge von der Person, die ihre Schulden nicht bezahlen wollte oder konnte, weder verkauft noch beschädigt werden, er ist zur Versteigerung freigegeben. Wer dagegen verstößt, dem droht ein Strafverfahren. Auch Autos kommen vielfach unter den Hammer.

„Als ich mich für die ausgeschriebene Stelle als Gerichtsvollzieherin im Sprengel Rohrbach beworben habe, kamen mir Zweifel, ob ich den Job ordentlich erledigen kann, weil mir die Betroffenen leidtun“, erzählt die frühere Kanzleikraft am Bezirksgericht Rohrbach im VOLKSBLATT-Gespräch. Doch man wachse in die Aufgabe hinein und gewöhne sich daran, zumal sich die Schuldner selbst in diese Situation hineinmanövriert hätten und wissen würden, was auf sie zukomme.

Ins gleiche Horn stößt ihr im Gerichtssprengel Vöcklabruck tätiger Kollege. „Die meisten Menschen sehen es ein und manchmal wird durch Bezahlung sogar in letzter Minute eine Pfändung noch verhindert“, sagt David Soucek. An die 100 Fälle bearbeitet er pro Woche, wobei er in der letzten Zeit einen deutlichen Anstieg registriert – vermutlich wegen des Wegfalls Corona-bedingter staatlicher Unterstützungsleistungen. Es sei eine Tatsache, dass viele Menschen über ihre Verhältnisse leben und „ständig das Neueste kaufen müssten“, ohne es sich leisten zu können.

Von heiklen Situationen verschont geblieben

Handgreiflichkeiten bzw. bedrohliche Situationen sind den beiden Gerichtsvollziehern in ihrer vier bzw. zehn-jährigen Tätigkeit noch nicht untergekommen. Und bei Personen, die als aggressiv oder gewaltbereit bekannt sind, wird der Schuldner nicht alleine, sondern entweder in Begleitung eines Kollegen oder eines Polizeibeamten aufgesucht.

„Bei den Beträgen, die wir eintreiben müssen, handelt es sich von nicht bezahlten Parkstrafen in Höhe von 30 Euro bzw. Strafen für Geschwindigkeitsübertretungen in Höhe von 70 Euro bis zu sechsstelligen Summen“, erläutern die beiden Justizbediensteten. Vor allem Notstandshilfeempfänger oder Langzeitarbeitslose seien immer wieder von Exekutionen betroffen, wobei bei diesen Schuldnern in der Regel nichts mehr zu holen sei. Hier raten Großhaupt und Soucek den Betroffenen, die Schuldnerhilfe aufzusuchen und eventuell ein Schuldenregulierungsverfahren anzustreben.

Delogierungen gehen einem nahe

Als unangenehmer bezeichnet das Duo die vom Gericht angeordneten Delogierungen, vor allem, wenn es sich um Familien mit Kindern handle. Allerdings könne hier vielfach eine Lösung mit dem Vermieter, der oftmals eine Wohnungsgenossenschaft sei, gefunden werden. Denn Gerichtsvollzieher, die eine einjährige theoretische und praktische Ausbildung durchlaufen müssen, besitzen in der Regel die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und deeskalierend zu wirken.

„Menschenkenntnis und Erfahrung kommen einem in diesem Beruf sehr zugute“, betonen Großhaupt und Soucek. Die beiden schätzen an ihrem Job vor allem die Möglichkeit, sich die Arbeit zeitlich frei einteilen zu können, eigenverantwortlich und flexibel arbeiten zu können und nicht den ganzen Tag im Büro sitzen zu müssen.

Wenn die beiden Gerichtsvollzieher in privater Runde nach ihrem Beruf gefragt werden, fallen die Reaktionen in der Regel sehr interessiert aus. „Ihr klebt also den Kuckuck drauf“, bekommen wir oft zu hören.

Von Heinz Wernitznig

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