Kinderschutz-Landesrat will bei „Systemsprengern“ mehr Handhabe

Im Oberösterreich gibt es derzeit 25 hochproblematische Fälle: Bessere Vernetzung und frühe Prävention sollen helfen

Ein Zehnjähriger, der in Pasching im Bezirk Linz-Land sein Unwesen treiben soll, und ein 13-Jähriger, der rund 200 Delikte auf dem Kerbholz hatte, bevor er die Altersgrenze von 14 Jahren zur Strafmündigkeit erlangt hatte und erstmals für eine weitere Tat zur Verantwortung gezogen werden konnte, machten jüngst Schlagzeilen.

In Oberösterreich gibt es derzeit 25 fremdbetreute unter 14-Jährige, die gefährdetes oder gefährdendes Verhalten zeigen. Kinderschutz-Landesrat Michael Lindner (SPÖ) fordert vom Bund zusätzliche Ressourcen, um präventive Maßnahmen setzen zu können, mehr Studienplätze für Soziale Arbeit, aber auch die rechtliche Möglichkeit, extrem problematische Jugendliche in einem Setting mit Anhaltemöglichkeiten unterzubringen. Geplant ist zudem ein Forschungsprojekt zu Risikoparametern.

Im Land ob der Enns leben laut Land insgesamt rund 277.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, 11.000 von ihnen erhielten 2023 eine mobile Begleitung durch die Kinder- und Jugendhilfe, rund 1.500 sind fremdbetreut, leben also bei Pflegeeltern oder in sozialpädagogischen Wohngemeinschaften, hieß es in einer Pressekonferenz am Donnerstag.

Etwa 25 unter 14-Jährige zeigen gefährdetes oder gefährdendes Verhalten – bei den meisten von ihnen ist die Verhaltensstörung nach außen gerichtet, bei einigen aber auch gegen sich selbst, etwa durch extreme Magersucht.

Lindner will daher verstärkt auf Prävention setzen, etwa den weiteren Ausbau von Angeboten wie Familiencoaching. Zudem solle es regelmäßige Treffen zur besseren Vernetzung involvierter Systeme – vom Sozialbereich bis zur Justiz – geben.

Kinderschutz-Landesrat gegen Stafaltersenkung

Auch will er bei den Betreuungskonzepten im Intensivbereich nachschärfen. „Ich halte nichts von populistischen Scheinlösungen wie Strafaltersenkung“, betonte er, vielmehr müsse man den Problemen auf den Grund gehen und mit „noch besseren Betreuungskonzepten“ reagieren. „Kein Kind wird böse oder schlecht geboren, es sind gesellschaftliche Umstände, die sie dazu machen“, so Lindner.

Die Biografien der Betroffenen zeigen meist eine Reihe von Problemen, oft Gewalt oder sexuellen Missbrauch, Alkohol und Drogen, Kriminalität in der Familie, Krankheiten von Bezugspersonen etc., oft auch kumuliert.

Manche reagieren mit Gewalt nach außen, aber auch mit Selbstverletzung, Suizidgedanken und Drogenkonsum. Die Fälle seien in den vergangenen Jahren mehr geworden, für Theresia Schlöglmann, Leiterin Abteilung Kinder- und Jugendhilfe beim Land Oberösterreich, ist daher ein „strukturierter Austausch“ aller Einrichtungen, „die jede für sich gut Arbeit machen“ – etwa Schule, Jugendhilfe, Polizei etc. – vor allem bei Hochrisikofällen nötig.

Bei der Weiterentwicklung der Betreuung im Intensivbereich will man zudem verstärktes Augenmerk auf sichere Orte legen, an denen Kinder betreut werden können, wenn ihr familiäres Umfeld ihnen diese Sicherheit nicht bietet, und wo es eine geregelte Tagesstruktur gibt.

Wunsch nach gesetzlicher Möglichkeit, temporäre Ausgangsbeschränkungen zu verhängen

Derzeit ist es – außer bei unmittelbarer Fremd- oder Eigengefährdung – nicht möglich, Kinder und Jugendliche gegen ihren Willen einzusperren oder festzuhalten. Lindner möchte vom Bund die rechtlichen Möglichkeiten haben, um auch ein Setting mit temporären Ausgangsbeschränkungen, etwa in der Nacht, zu schaffen. Dieses brauche aber immer eine psychiatrische Begleitung, betonte er.

Geplant ist zudem ein Forschungsprojekt, das sich mit Hochrisikoparametern befasst. Wenn Kinder sehr „outgoing“ sind, dann habe das meist eine Vorgeschichte in ihrer Biografie, die daraus resultierende Störung sei oft einfach eine „Überlebensstrategie“, so die daran beteiligte Psychologin und Erziehungswissenschaftlerin Michaela Mayer.

Forschungsprojekt zu High-Risk-Fällen

Man dürfe aber auch jene nicht unter den Tisch fallen lassen, bei denen sich die Reaktionen nach innen richten, sprich die oft suizidgefährdet sind. In dem Forschungsprojekt werde man sich rund 150 Betreuungsverläufe von High-Risk-Fällen ansehen, daraus sollen dann Empfehlungen für Sozialarbeiter, aber auch andere Beteiligte abgeleitet werden.

Je früher man ansetze, desto besser, denn: „Hochrisikofaktoren sind oft schon sehr früh wirksam“, beispielsweise Drogenkonsum während der Schwangerschaft, erklärte Mayer. „Die ersten drei Jahre entscheiden, da wird das Grundfundament gelegt zur Frage: Wie vertrauenswürdig ist die Welt“.

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