Liebesgrüße in den Knast

Beinahe täglich flattert Post in die Zellen der Justizanstalt Garsten

JA-Garsten

Vor dem Zeitalter des Internets begannen viele Liebesgeschichten mit Briefen, in denen Menschen ihre Zuneigung mittels Worten ausdrückten. Vereinzelt kursieren auch heute noch Liebesbriefe, manche davon landen jedoch nicht im heimischen Postkasten, sondern in der Justizanstalt.

Die Adressaten sitzen hinter bleischweren Türen und sind Mörder, Gewalt- oder Sexualstraftäter. Dieses Phänomen, welches im Fachjargon als Hybristophilie bezeichnet wird, beschreibt die sexuelle Anziehung zu Schwerverbrechern. In der Regel sind es Frauen, welche sich zu verurteilten Straftätern hingezogen fühlen, was jedoch auch daran liegen mag, dass überwiegend Männer Kapitalverbrechen begehen.

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Doch wie verbreitet ist dieses Phänomen in den Justizanstalten Oberösterreichs? Das VOLKSBLATT warf einen Blick in die idyllische Marktgemeinde Garsten im Bezirk Steyr-Land. Meterhohe Mauern, gekrönt von spitzen Stacheldrähten umzäunen das altehrwürdige Gebäude der Justizanstalt.

Trotz hoher Sicherheitsstandards bahnt sich die Liebe ihren Weg in die Zellen. Auf die Frage nach der Häufigkeit der einlangenden Briefe, antwortet Sachbearbeiterin Bernadette Losbichler: „Fast jeden Tag erreicht die Insassen von Garsten Post.“

Briefe als Verbindung zur Außenwelt

Ein Stück Papier, das jedoch für viele das einzige Verbindungsmittel zur Außenwelt bedeutet. Stichprobenartig überfliegen die Justizbeamten die Zeilen, bevor diese an die Adressaten übergeben werden. Neben der Kontrolle nach unerlaubten Gegenständen, wird vor allem darauf geachtet, dass keine Gewaltfantasien, oder anstößige Inhalte die Mauern der Justizanstalt überschreiten. In der Regel sind es Angehörige, welche mittels Briefen den Kontakt aufrecht erhalten möchten.

Eine Seltenheit sind Liebesbekundungen dennoch nicht. So sucht ein Großteil der Inhaftierten aktiv den schriftlichen Kontakt nach außen, wobei die Beweggründe sich je nach Alter unterscheiden. Während ältere Insassen oftmals einen rein freundschaftlichen Austausch pflegen, sind junge Straftäter vor allem an einer Liebesbeziehung interessiert. Genährt wird diese Suche nach der Liebe, von der Hoffnung, nach Vollendung der Haftstrafe eine emotionale Stütze bei der Reintegration in die Gesellschaft zu haben. Grundsätzlich ist der romantische Briefverkehr für alle Häftlinge gestattet, sofern es keine anderen Auflagen gibt. Lediglich Sexualstraftätern wird dieser Kontakt aufgrund der Gefährlichkeit untersagt.

Briefkontakt mündete sogar in Ehe

„Aus sozialarbeiterischer Sicht ist der Austausch zu begrüßen, insbesondere was die Resozialisierung betrifft. Je besser ein Häftling sozial vernetzt ist, dazu zählen der familiäre Rückhalt oder eine Beziehung, desto einfacher gelingt der Wiedereinstieg in das Leben draußen“, betont Julian Losbichler, Sozialarbeiter der Justizanstalt Garsten. Er erzählt von einem Fall, bei dem aus einem anfänglichen Briefkontakt eine Beziehung und nach Haftende sogar eine Ehe hervor ging.

Von Katharina Waldmann

Helfersyndrom oder „Reiz des Bösen“

Das VOLKSBLATT hat mit Abteilungsinspektor Walter Aigner von der Justizanstalt Garsten gesprochen und nachgefragt, was die Beweggründe sind, dass jemand den bewussten Kontakt zu Schwerverberchern sucht.

VOLKSBLATT: Welche Straftaten wirken für manche Menschen besonders anziehend?

AIGNER: Das sind vor allem außergewöhnliche und grausame Fälle, welche weltweit für Schlagzeilen gesorgt haben.

Warum fühlen sich diese Personen zu Straftätern hingezogen?

Einen Partner, der im Gefängnis sitzt, können sie kontrollieren, es entsteht ein Machtgefälle zu ihren Gunsten. Die Frau entscheidet über Dauer und Häufigkeit des Kontaktes. Auch entsteht durch die räumliche Trennung kein Alltag, der Paare auf die Probe stellt. Ein weiterer Erklärungsversuch ist ein ausgeprägtes Helfer-Syndrom. Die Frauen sehen den Täter als bedürftig und glauben, diesen retten und verändern zu können. Die Faszination des Bösen spielt ebenfalls eine Rolle. Für manche stellt das Verbotene einen besonderen Reiz dar.

Was interessiert Sie am täglichen Umgang mit Straftätern?

Kein Tag gleicht hier dem anderen, was den Job spannend und abwechslungsreich macht. Außerdem herrscht in Garsten zwischen den Kollegen ein sehr familiäres Arbeitsklima. Wir freuen uns daher immer über Zuwachs beim Personal.

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