Long-Covid-Beschwerden durch anhaltenden Entzündungsprozess

Männer erkranken schwerer an Corona, Frauen sind aber häufiger von Long Covid betroffen

Long covid, post covid concept. Long-term effects of coronav

Manche Patienten entwickeln nach einer SARS-CoV-2-Infektion Long Covid. Die Ursachen dafür erläutert Corona-Experte, Lungenprimar Univ.-Prof. Bernd Lamprecht vom Linzer Kepler Universitätsklinikum, im VOLKSBLATT-Interview.

VOLKSBLATT: Welche Zusammenhänge gibt es zwischen einem schweren Corona-Verlauf und der Entwicklung von Long Covid – zehn bis 15 Prozent der Erkrankten zeigen länger als vier Wochen Symptome – bzw. Post Covid – zwei bis vier Prozent länger als zwölf Wochen?

LAMPRECHT: Prinzipiell ist das Risiko für anhaltende Beschwerden im Sinne von Long Covid oder einem Post-Covid-Syndrom bei schweren Verläufen erhöht. Allerdings können anhaltende Beschwerden auch bei primär mildem Verlauf in der Akutphase auftreten. Dies macht sogar den überwiegenden Teil der Long-Covid-/Post-Covid-Fälle aus.

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Was sind die Ursachen dafür, dass jemand mit einem milden Verlauf nach Monaten Spätfolgen entwickelt?

Auch ein milder Verlauf kann einen anhaltenden „Entzündungsprozess“ auslösen und damit für anhaltende Beschwerden verantwortlich sein. Dieser „Entzündungsprozess“ ist im Regelfall kein Zustand, der mit Fieber, oder deutlich erhöhten Entzündungswerten einhergeht, sondern viel mehr eine Abwehrreaktion des Körpers auf einen Erreger, der zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorhanden, oder bedrohlich ist. Verursacht werden kann dies entweder durch Reste von Virusbruchstücken – hier weiß man, dass bei einzelnen Betroffenen der Virusnachweis über sehr lange Zeit gegeben ist – aber auch auto-immunologische Prozesse können für anhaltende Beschwerden verantwortlich sein. Letzteres meint, dass das Immunsystem fälschlicherweise in körpereigenen und normalen Strukturen Ähnlichkeiten mit dem Virus erkennt und gegen diese eine Abwehr- bzw. Entzündungsreaktion unterhält.

Stimmt der Eindruck, dass mehr Männer an Corona erkranken und dies zum Teil auch heftiger, allerdings mehr Frauen unter Long Covid leiden? Welche Faktoren sind dafür ausschlaggebend?

Mehr schwere Erkrankungen hat man in allen Phasen der Pandemie bei Männern beobachtet. Dies wird auf Unterschiede im Immunsystem zwischen Frauen und Männern zurückgeführt, die üblicherweise Frauen eine bessere Abwehr von akuten Virusinfekten erlauben. Gleichzeitig treten jedoch bei Frauen häufiger Auto-Immunerkrankungen auf, dies wird als eine der möglichen Erklärungen gesehen, warum mehr Frauen als Männer unter anhaltenden Beschwerden im Sinne von Long Covid leiden.

Weniger bleibende Lungenschäden als befürchtet

Gibt es Nachkontrollen von Patienten, die zu Beginn der Pandemie im Kepler Uniklinikum behandelt wurden und welche Erkenntnisse haben sie erbracht?

Im Fachbereich der Lungenheilkunde wurden Patienten nachkontrolliert, die in der Akutphase eine schwere Lungenentzündung bzw. Vernarbungen am Lungengewebe gezeigt haben. Erfreulicherweise hat sich beim überwiegenden Anteil der Betroffenen über die Zeit eine schrittweise Verbesserung der Befunde ergeben. Das Risiko für anhaltende bzw. bleibende Lungenfunktionsschädigungen hat sich erfreulicherweise als deutlich geringer herausgestellt, als dies ursprünglich unter Annahme eines ähnlichen Verlaufes wie bei SARS-CoV-1 (2002/03) angenommen wurde.

Stimmt es, dass im Vergleich zur Influenza oder einer anderen Viruserkrankung die Rekonvaleszenz bei Corona länger dauert, bzw. mehr Fälle von chronischer Erschöpfung auftreten? Oder wird seit Corona mehr Augenmerk auf ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom) gelegt?

Prinzipiell gibt es auch bei anderen Viruserkrankungen häufig anhaltende Beschwerden im Sinne eines post-viralen Zustandes. Dem wird auch der Titel der aktuellen Leitlinie für das Management anhaltender Beschwerden nach einer Coronavirus-Infektion gerecht, dieser lautet „Management post-viraler Zustände am Beispiel post Covid-19“. Unbestritten ist, dass die Aufmerksamkeit bzw. Awareness für anhaltende Beschwerden nach einem Virusinfekt durch die Corona-Pandemie erhöht bzw. geschärft wurde.

Österreichweit soll es bis zu 80.000 ME/CFS-Betroffene geben. Wo werden derartige Patienten in OÖ behandelt, und was an Ressourcen würde es brauchen?

Der überwiegende Teil jener Betroffenen, die anhaltende Beschwerden aus dem neurologischen Formenkreis haben, werden in Ambulanzen und Ordinationen von Spezialisten der Neurologie sowie in anderen Fällen auch von ihren Hausärzten unter Berücksichtigung der inzwischen verfügbaren Leitlinien betreut. Seitens des Gesundheitsministeriums ist die Einrichtung eines nationalen Referenzzentrums für post-virale Erkrankungen vorgesehen.

Von Michaela Ecklbauer

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