Moderner Strafvollzug mit viel Einsparungspotenzial

Der elektronisch überwachte Hausarrest gilt als modernste Form des Strafvollzugs — Ein Verurteilter spricht im VOLKSBLATT über seine Strafe

Nein, es handle sich um keine Ersatzstrafe, es sei eine Freiheitsstrafe, korrigiert mich die Leiterin der Justizanstalt Linz, Iris Hofer. Es geht um die Fußfessel, mit der aktuell gerade rund 350 Menschen in Österreich ihre Strafe absitzen – aber eben nicht in einer Gefängniszelle, sondern in den eigenen vier Wänden. „Das entspricht der Belegung einer mittleren Haftanstalt“, ordnet Hofer die Zahl ein.

Leben mit der Fußfessel

Einer von ihnen ist der 28-jährige Stefan, der anonym bleiben möchte und in Wahrheit einen anderen Namen trägt. Er lebt seit einem halben Jahr mit der Fußfessel und wird sie noch ein weiteres halbes Jahr tragen müssen. „Ich wurde wegen eines Fahrlässigkeitsdeliktes verurteilt, grob fahrlässig, ich habe alkoholisiert einen Unfall verursacht“, erklärt der junge Mann.

Bei ihm handelt es sich um die sogenannte Frontdoor-Variante, das bedeutet, dass er seine Strafe direkt mit der Fußfessel antreten konnte und nicht zuvor, wie bei der Backdoor-Variante, zuerst in einer Justizanstalt einsaß. Noch vor Haftantritt hat er eine stationäre Alkoholtherapie absolviert, seit zwei Jahren hat er keinen Tropfen mehr getrunken „und das bleibt auch so“ – nicht nur wegen der Auflage während der Haft, keinen Alkohol mehr zu trinken. Nach wie vor befindet er sich in Therapie, auch wegen des Unfalls, der ihn tagtäglich begleite.

Stefan lebt mit seiner Frau zusammen, das Paar hat keine Kinder. Sie musste zustimmen, dass ihr Mann die Strafe im gemeinsamen Haushalt verbüßt. Alle Mitbewohner müssten sich damit einverstanden erklären, dass jemand seine Haft in der gemeinsamen Wohnung absitzt. Bevor eine Fußfessel genehmigt wird, werde darüber hinaus in Zusammenarbeit mit dem Verein NEUSTART das Wohnumfeld genau geprüft und festgestellt, ob das für die Verbüßung der Strafe auch geeignet sei, erklärt Bezirksinspektor Manfred Wimmer, der seit 13 Jahren bei der Justizanstalt Linz für die Belehrung, Betreuung und Kontrolle der Fußfesselträger verantwortlich ist.

Strikter Tagesablauf

Seit einem halben Jahr folgt Stefans Leben nun einem strikten Zeitplan, der alle 14 Tage gemeinsam mit dem Verein NEUSTART festgelegt wird: das sogenannte Aufsichtsprofil. Darin ist penibel festgelegt, wann er arbeitet, die Wegzeit zur Arbeit, wann er Lebensmittel einkaufen darf oder einen Arzt- oder Therapietermin wahrnehmen kann. Auch die zehn Stunden „Freizeit“, die für Stefan wöchentlich möglich sind und in denen er etwa für Sport das Haus verlassen darf, sind exakt vorgegeben.

Die Kosten für die Fußfessel muss der Strafgefangene selbst tragen, sie belaufen sich auf maximal 22 Euro pro Tag.
Die Kosten für die Fußfessel muss der Strafgefangene selbst tragen, sie belaufen sich auf maximal 22 Euro pro Tag. ©BMJ

Alkoholverbot

Wie bei der Hälfte der derzeit rund 50 Menschen, die in OÖ eine Fußfessel tragen, wurde in seiner Wohnung auch ein stationäres Alkoholkontrollgerät installiert. 30 Minuten vor seiner Fahrt in die Arbeit wird er von einem Alarm zum Test gerufen, um zu kontrollieren, ob er nüchtern ist (es gelten 0,0 Promille). Durch eine im Gerät verbaute Kamera wird sichergestellt, dass er den Test auch selbst durchführt. Bei einem Verstoß gegen diese, aber auch andere Auflagen, droht ein Widerruf der Vollzugsform und die Einlieferung in die Justizanstalt. Nach dem Alkoholtest beginnt der Arbeitstag. Stefan ist selbstständig. Er sei sehr froh, dass es die Möglichkeit der Fußfessel gebe, so der 28-Jährige: „Meine ganze Existenz wäre sonst draufgegangen, mein Familienleben und viel mehr.“

Die Fußfessel verbergen

Vor seinen Kunden versucht er geheim zu halten, dass er eine Fußfessel trägt. Das gelingt auch, unter einer langen Hose fällt das schwarze, etwa 10 cm große Gerät kaum auf. Es gebe aber auch schwierigen Situationen, wenn er etwa einen Kontrollanruf erhalte, während er gerade mit einem Kunden im Auto unterwegs sei.

Dann müsse er sich binnen einer Stunde bei der Überwachungszentrale melden und erklären, warum er nicht sofort ans Telefon gegangen sei. Für die Sommermonate habe er sich eine Sportschiene besorgt und eine kleine Verletzung vorgetäuscht, um die Fußfessel darunter verstecken zu können. Einmal sei allerdings einem Polizisten aufgefallen, dass er eine Fußfessel trage und er sei so „enttarnt“ worden, da überkomme einen natürlich starke Scham, erinnert sich Stefan.

Schon ein Verkehrsstau ist ein Problem

Seine Arbeit verlange es auch einigen Kunden die Waren zu ganz bestimmten Zeiten zu liefern, er sei sehr dankbar, dass man ihm auch das von Seiten der Justizanstalt Linz ermögliche.

Nach getaner Arbeit heißt es, sich zur vorgegebenen Zeit zurück nach Hause zu begeben. Gerät man dabei in einen Stau, muss man unverzüglich bei der Überwachungszentrale Bescheid geben. Dort würde zunächst kontrolliert, ob die Angaben stimmten und die Ankunftszeit zu Hause an die Verspätung angepasst. Nach der Ankunft ist wieder ein Alkoholtest vorgeschrieben.

Ich möchte wissen, was er in der Zeit, in der er die Fußfessel trägt, am meisten vermisst hat? „Ich weiß, wo ich sonst wäre – das erleichtert das Denken“, hält Stefan fest. „Man hat nicht den Drang, irgendwo hinzugehen, man büßt ja für etwas und ich weiß, wofür ich büße. Das einzige, was mir abgeht, ist etwas Privatleben mit meiner Frau – ich kann nicht am Wochenende schön mit ihr essen gehen oder eine Nacht in der Therme verbringen – das sind die Dinge.“

Und auf was er sich nach der verbüßten Strafe freut? „Ein Ende des stressigen Alltages. Der Druck, immer pünktlich zu sein, das Gefühl, dass einem ständig etwas im Nacken sitzt, die Angst, dass man es nicht pünktlich nach Hause schafft – wenn das wegfällt.“

Die Fußfessel ist eine elektronische Mauer

Die Fußfessel integriert unterschiedliche technische Komponenten. Eine dieser Komponenten ist ein Satellitensignal-Empfänger, der die durchgehende Feststellung des Aufenthaltsortes der überwachten Person ermöglicht (outdoor). Eine andere Komponente erledigt die Datenkommunikation der Fußfessel unter Nutzung der österreichischen Mobilfunknetzwerke. Darüber hinaus verfügt das Gerät über einen Vibrationsalarm, mit dem der Träger aufgerufen werden kann, sich unverzüglich zu melden.

Iris Hofer (r.), Leiterin der Justizanstalt Linz und Bezirksinspektor Manfred Wimmer (l.) haben viel Erfahrung mit der Umsetzung des elektronisch überwachten Hausarrests.Die Kosten für die Fußfessel muss der Strafgefangene selbst tragen, sie belaufen sich auf maximal 22 Euro pro Tag.Links die Station, die die elektronische Mauer erzeugt, in der Mitte der GPS Sender und rechts der Alkomat.
Iris Hofer (r.), Leiterin der Justizanstalt Linz und Bezirksinspektor Manfred Wimmer (l.) haben viel Erfahrung mit der Umsetzung des elektronisch überwachten Hausarrests. ©wosch

Die Fessel kann so eingestellt werden, dass ein bestimmtes Areal (etwa der Arbeitsplatz) nicht verlassen werden darf, oder das bestimmte Orte nicht betreten werden dürfen. Der Träger ist dazu verpflichtet, dass der Akku des Gerätes immer aufgeladen ist. Wird die Fußfessel entfernt oder bricht der Kontakt ab, wird sofort Alarm ausgelöst. Die zweite Komponente ist eine Stationäre Überwachungsstation, die die ordnungsgemäße Anwesenheit in der Wohnung/im Haus überwacht (indoor) und bei Bedarf (erteilter Auflage) wird ein zusätzliches Alkoholkontrollgerät installiert.

Diese funktioniere wie eine elektronische Mauer, die genau auf die Umrisse der Wohnung eingestellt wird, erklärt Bezirksinspektor Wimmer, der die Stationen und Sender für die Justizanstalt Linz einrichtet. Gärten oder Terrassen liegen außerhalb dieser elektronischen Mauer.

Voraussetzungen für die Fußfessel

„Eine elektronische Fußfessel ist dann möglich, wenn die voraussichtliche verbleibende oder verbleibende Haftzeit eine Dauer von 12 Monaten nicht übersteigt“, so Iris Hofer. Sexualstraftäter müssen zumindest die Hälfte ihrer Freiheitsstrafe in einer Justizanstalt verbüßen. Auch muss überprüft werden, dass der Verurteilte die Vollzugsform nicht missbraucht. Der Wohnsitz der Person muss sich in Österreich befinden, sie muss kranken- und unfallversichert sein und über eine geordnete Tagesstruktur verfügen.

Dabei wird grundsätzlich eine Vollzeitbeschäftigung angestrebt. Eine Fußfessel sei aber auch für Mütter mit Erziehungsaufgaben oder Studenten möglich, die ein Studium absolvieren, erklärt Hofer. Pensionisten können eine gemeinnützige Arbeit übernehmen. Bei der Einschätzung, ob die Lebensumstände für einen elektronisch überwachten Hausarrest geeignet sind, arbeitet die Justizanstalt Linz eng mit dem Verein NEUSTART zusammen. Die Entscheidung, ob ein Antrag auf die Fußfessel bewilligt wird, trifft der Leiter der zuständigen Justizanstalt.

Elektronisch überwachter Hausarrest hat Einsparpotenzial

Seit September 2010 ist es möglich, die Strafhaft unter gewissen Umständen in Form eines elektronisch überwachten Hausarrests zu vollziehen. Sie soll gerade in Zeiten des Personalmangels dazu beitragen, die Gefängnisse zu entlasten. Die Kosten für die Fußfessel betragen 22 Euro pro Tag und sind im Prinzip vom Verurteilten zu tragen, ein Tag Haft in einer Justizanstalt kostet rund 120 Euro am Tag.

Derzeit befinden sich in Österreich rund 350 Menschen im elektronisch überwachten Hausarrest. Justizministerin Alma Zadic plant eine Reform, in deren Zuge der elektronisch überwachte Hausarrest auf bis zu 24 Monate verlängert werden soll. Bekanntheit erlangte die Fußfessel auch dank prominenter Träger wie Ex-SK Sturm-Präsident und Ex-Dancing-Star Hannes Kartnig, Ex-Innenminister Ernst Strasser oder Bawag-Direktor Helmut Elsner.

Von Wolfgang Schobesbeger

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