Neue Möglichkeiten in der Krebstherapie: Bestrahlung des Herzen

Durch eine Metastase am Herzen bekam Patient Franz Rechberger kaum noch Luft, jetzt geht es ihm deutlich besser

Eine Bestrahlung dauert nur wenige Minuten, man spürt sie nicht und doch ist diese Form der Krebstherapie sehr wirksam. „Die hochenergetischen Röntgenstrahlen sind für uns, was für die Chirurgen das Skalpell ist“, sagt Prof. Hans Geinitz, Leiter der Radioonkologie im Ordensklinikum Barmherzige Schwestern in Linz. Die Strahlentherapie entwickelt sich zudem stetig weiter.

Was früher undenkbar war, ist heute gelungene Praxis: Franz Rechberger (67) kam wegen Herzmetastasen in die Radioonkologie und wurde erfolgreich behandelt. Nach zehn hoch dosierten Bestrahlungs-Einheiten und gleichzeitiger Immuntherapie ist nur noch Restgewebe vorhanden, das nicht mehr wächst. Der Patient hat seine Lebensqualität zurückbekommen.

65.000 Bestrahlungen werden in der Radioonkologie im Ordensklinikum (OKL) Linz Barmherzige Schwestern jedes Jahr durchgeführt. Es ist die größte Strahlentherapie-Abteilung in Oberösterreich, das Ordensklinikum Linz gilt als onkologisches Leitspital. Neben Operation und Medikamenten sind Bestrahlungen wesentlicher Bestandteil vieler Krebstherapien. Die häufigsten Einsatzgebiete sind das Mammakarzinom (25 Prozent aller Bestrahlungen), Prostatakrebs (17 Prozent), Knochenmetastasen und Lungenkarzinome (je 8 Prozent).

Zwei Drittel der Bestrahlungen sind kurativ

„Rund zwei Drittel der Bestrahlungen haben kurative Intention, das bedeutet, dass die Patientinnen und Patienten potenziell geheilt werden. Die anderen sind palliative Behand-lungen, bei denen es um eine Linderung der Erkrankung geht“, erklärt Geinitz. Behandelt wird mit hochenergetischen Röntgenstrahlen, um auch in der Tiefe gute Wirkung zu erzielen.

„Man erzeugt dabei DNA-Schäden in der Tumorzelle, die sie zum Absterben bringen, beziehungsweise am Weiterwachsen hindern“, so der Radioonkologe. Auf Basis von Computertomographie-Bildern wird ein individueller Bestrahlungsplan erstellt. Bei der Sitzung selbst ist es wichtig, den Patienten oder die Patientin richtig zu lagern.

Die Bestrahlung dauert dann nur wenige Minuten und verläuft schmerzlos. „Natürlich kann es auch Nebenwirkungen geben, besonders der Kopf- und Halsbereich sind sehr empfindlich, meist wird die Bestrahlung aber gut vertragen“, sagt Prof. Geinitz.

Kombiniert werden die Bestrahlungen oft mit Chemo-, Immun- oder Anti-Hormontherapie. Sie kann zudem vor oder nach einem chirurgischen Eingriff erfolgen. Bestrahlen kann man grundsätzlich in allen Regionen des Körpers. „Im Bauchraum ist allerdings der Darm besonders empfindlich, manche Krebserkrankungen sprechen gar nicht an beziehungsweise sind bei den sogenannten flüssigen Tumoren wie Leukämie und Lymphome medikamentöse Therapien wirkungsvoller“, erläutert der Radioonkologe.

Als besondere Herausforderung gilt die Bestrahlung rund um das Herz

Bestrahlung von Herzmetastasen sind selten und je nach Ausdehnung potenziell lebensgefährlich. Auch bei Franz Rechberger (67) aus Linz war die Situation sehr kritisch. Kurz nach seiner Pensionierung erhielt er die Diagnose: Ohrspeicheldrüsenkrebs. Er wurde mehrfach operiert und bestrahlt. Knapp zwei Jahre später entdeckte man eine Herzmetastase, die sich vor allem in den Vorhöfen ausgebreitet hatte.

„Der Patient hatte bereits eine schlechte Herzleistung und das Risiko für Herzrhythmusstörungen war hoch“, erklärt Radioonkologe Oberarzt Lukas Kocik, der ihn behandelte. Nach einem eingehenden Beratungsgespräch entschied sich Franz Rechberger für die Bestrahlung.

„Es gab keine Alternative. Ich hatte Wasser in der Lunge und bekam daher im Liegen keine Luft mehr“, erinnert sich der Linzer. Die Bestrahlung des Herzens erfolgte in enger Zusammenarbeit mit den Ärztinnen und Ärzten der Kardiologie und der Internistischen Onkologie.

Hohe Bestrahlungsdosis und Immuntherapie

„Die Dosis war sehr hoch, um den Tumor langfristig kontrollieren zu können. Wir entschieden uns für zehn Sitzungen innerhalb von zwei Wochen, bereits in dieser Zeit kam es zu einer deutlichen Besserung der Atemnot“, betont Geinitz. Gleichzeitig erhielt der Patient eine Immuntherapie.

Seit einem dreiviertel Jahr hat Rechberger nun die Immuntherapie ausgesetzt. Auf den CT-Bildern ist rund um das Herz nur noch Restgewebe zu sehen, das nicht wächst. Beobachtet wird derzeit aber Tumorgewebe an der Niere.

„Dennoch: Es geht mir im Großen und Ganzen gut, ich ernähre mich salzarm, versuche Zucker und Fett zu reduzieren und bewege mich als Hobby-Jäger gern im Wald und im Gelände – auch wenn ich heute mehr Pausen brauche als früher“, erzählt der Patient. Geholfen hat ihm in der schwierigen Zeit seine Familie, seine Frau, die vier Kinder und fünf Enkerl und seine mentale Stärke.

„Auf der Jagd und als Sportschütze habe ich gelernt, ruhig und konzentriert zu sein“, sagt Rechberger. Dem Team im Ordensklinikum streut er Rosen: „Ich war top betreut und beraten, das gesamte Team ist sehr professionell.“

Höhere Dosen, weniger Sitzungen

Nicht nur im Bereich des Herzens entwickelt sich die Radioonkologie stetig weiter. „Früher wurden fast alle Tumore mit der gleichen Dosis pro Sitzung (Fraktion) bestrahlt, nun gibt es immer mehr Daten, die zeigen, dass man bei vielen Tumoren auch mit höheren Dosen pro Fraktion und weniger Sitzungen behandeln kann. In einigen Fällen ist das sogar schonender und in jedem Fall steigern kurze Behandlungsschemata den Patientenkomfort“, erklärt Prof. Geinitz.

Außerdem besteht hierdurch die Möglichkeit, die Bestrahlung zwischen den Chemo-therapie-Zyklen zu platzieren. Ein weiteres, neues Konzept, ist die gezielt inhomogene Be-strahlung des Tumors. Dabei werden einzelne Regionen innerhalb des Tumors mit höheren Dosen behandelt als der Rest des Krebses.

„Wir bieten diese Behandlung insbesondere dann an, wenn die Tumoren zu groß sind, als dass man sie im Ganzen mit einer hohen Dosis bestrahlen könnte. Warum diese Tumore kleiner werden, wenn man sie nur in kleinen Arealen mit einer hohen Dosis bestrahlt, ist noch nicht vollständig geklärt“, sagt der Radioonkologe.

Höhere Einzeldosen hätten oft eine andere biologische Wirkung als bisher bekannt. Und daraus würden sich neue Behandlungskonzepte ergeben. Individueller und vielfältiger.

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