Sprachstörungen von Kindern werden immer komplexer

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3.427 Kinder in 188 Betreuungseinrichtungen wurden vergangenen Herbst von Logopädinnen der Caritas auf Sprachprobleme getestet. Das Ergebnis 33 Prozent der Vier- bis Fünfjährigen zeigten Auffälligkeiten, die eine logopädische Therapie erfordern. Diese Zahl ist seit den Vorjahren in etwa gleich geblieben, allerdings nimmt die Komplexität der Störungsbilder zu.

Bei den Ergebnissen der beiden standardisierten Sprachscreenings, die für Kinder mit Deutsch als Muttersprache und Deutsch als Zweitsprache zur Anwendung kommen, bemerkten die Logopädinnen, dass es immer mehr Kinder mit pragmatisch-kommunikativen Störungen gibt. „Das bedeutet, dass es den Kindern mitunter nur mangelhaft gelingt, ihre Sprache der jeweiligen Situation angemessen einzusetzen, z. B. Blickkontakt mit dem Gegenüber zu halten oder Gesprächspartner ausreden zu lassen“, erklärt Barbara Kraxberger, Leiterin der Logopädie der Caritas OÖ.

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Gemeinsam mit ihren 13 Kolleginnen führt die Expertin diese Auffälligkeiten u.a. auf die langen Lockdowns und die Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie zurück. In dieser Zeit habe der so notwendige soziale Input in den ersten Lebensjahren der heutigen Kindergartenkinder großteils gefehlt bzw. sei oft auch durch ausgedehnte Mediennutzung ersetzt worden. „Fernsehen, Youtube & Co. sind jedoch keine interaktiven Tätigkeiten, sondern Einbahnstraßen in Bezug auf Kommunikation“, sagt Kraxberger. Durch die Masken hätten die Kinder auch weniger Möglichkeit gehabt, Mimik zu erkennen und Mundbilder abzulesen. Vor allem bei mehrsprachig Aufwachsenden hätte durch den unregelmäßigen Kindergartenbesuch der notwendige deutschsprachige Input gefehlt. Der Anteil der auffälligen Kinder hätte sich um mehr als fünf Prozent erhöht.

Spätzünder in der Sprachentwicklung

Kinder, die bis zum 2. Geburtstag bestimmte Meilensteine in der Sprachentwicklung nicht erreicht haben, nennt man „Late Talker“. Sie haben die Wortschatzgrenze von 50 Wörtern noch nicht erreicht und zeigen auch noch keine Zwei-Wort-Sätze wie beispielsweise „Da, Ente!“. Rund ein Drittel dieser Kinder holen die Defizite in der Sprachentwicklung bis zum dritten Lebensjahr auf (Late Bloomer) und entwickelt sich danach sprachlich unauffällig.

Elektronische Medien sollten bis zum 3. Lebensjahr tabu sein

Auf Fernsehen, Videos oder Apps sollten die Eltern in den ersten zwei Lebensjahren ihrer Kinder verzichten, weil die für das Lernen wichtige Interaktion mit anderen fehlt. „Selbst ein kurzer, aber regelmäßiger Medienkonsum kann die Sprachentwicklung verzögern. Auch das Denken und der Umgang mit ‚ Langeweile‘ wird nicht gefördert. Ab dem 3. Lebensjahr können die sogenannten neuen Medien 15-30 Minuten pro Tag angeboten werden. „Die Kinder brauchen allerdings einen Erwachsenen, der ihnen die Inhalte erklärt und bei sprachlichen Verständnisproblemen weiterhilft. So können Kinder über das Gesehene sprechen und dadurch in Kommunikation treten“, erklärt Logopädin Kathrin Schölmberger. Fernsehen ist übrigens keine Beruhigung für Kleinkinder, sondern eine aufregende Aktivität und sollte daher nicht vor dem Schlafengehen stattfinden. Die gemeinsame Betrachtung eines Bilderbuches wäre die wertvollere Sprachförderung.

Lange Wartelisten

Die Wartelisten bei der Caritas OÖ und den Logopäden mit Kassenvertrag sind lang. „Durch die genauere Abklärung kommen die Kinder schon früher in Therapie, was grundsätzlich positiv ist“, so Kraxberger. Bei Auffälligkeiten wie Autismusspektrumstörungen, Sprachentwicklungsstörungen oder „Late Talkern“ benötigen die Kinder häufig eine logopädische Langzeittherapie. Dadurch bleiben die Therapieplätze viel länger besetzt.

Mit Blocktherapien und der Stärkung der elterlichen Kompetenz wird versucht, der langen Warteliste etwas gegenzusteuern. Logopäden seien aber ein Mangelberuf.