Suizidprävention für Generation Z: „Es geht darum, dass jemand zuhört“

Die zahlreichen Krisen nach der Corona-Pandemie setzen den jungen Menschen weiter psychisch zu

Es gibt ein breites Hilfsangebot für verzweifelte junge Menschen. © Wellnhofer Designs - stock.adobe.com

Der Welttag der Suizidprävention, heute Dienstag, ist Anlass, den Fokus auf die psychische Gesundheit der jungen Generation zu legen. Nach der Pandemie existieren mit den internationalen Konflikten, der angespannten gesellschaftlichen Lage und dem Klimawandel viele Faktoren, die zu sehr pessimistischen Zukunftsperspektiven führen können.

Jeder zehnte Teenager gibt in einer aktuellen Umfrage an, regelmäßig Suizidgedanken zu haben. Zwischen 2018 und 2023 sind suizidale Gedanken und Handlungen von unter 18-Jährigen um das Dreifache angestiegen. Mit dem Beginn des neuen Schuljahres steigt bei vielen Jugendlichen wieder der Stresslevel und damit auch die Suizidgefahr.

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Umso wichtiger sind Angebote wie jene der Krisenhilfe OÖ gemeinsam mit dem Land Oberösterreich. Gerade die Chatberatung der Krisenhilfe OÖ wird von der mit digitalen Medien aufgewachsenen Generation Z verstärkt genutzt. Zu zentralen Themen, die junge Menschen aktuell belasten, zählen u. a. Suizidgedanken, Mobbing, Einsamkeit und Resignation im Angesicht der großen Probleme unserer Zeit.

Es gibt niederschwellige, kostenlose Hilfe

„Suizid ist ein ernstes Thema, über das nicht gerne gesprochen wird. Herausfordernde Zeiten fordern auch unsere psychische Gesundheit. Die gute Nachricht – es gibt Hilfe, niederschwellig, kostenlos und für jeden. Die Krisenhilfe OÖ steht jedem Menschen, der Hilfe benötigt, rund um die Uhr helfend zur Seite. Ängste, Krisen und Unbehagen gehören zum Leben, aber sie müssen nicht alleine durchgestanden werden. Darüber reden hilft, mit professionellen Beratern, aber auch mit Freunden und Bekannten“, betont Sozial-Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer.

„Wir wissen, dass gemeinsam mit all den Herausforderungen des Erwachsenwerdens bei Jugendlichen oft zum ersten Mal der Gedanke auftauchen kann, nicht mehr leben zu wollen. Gerade das Jugendalter ist eine Lebensphase, in der Suizidprävention besonders große Bedeutung hat. Entscheidend ist es, Warnsignale immer ernst zu nehmen“, sagt Katja Sieper, Leiterin der Krisenhilfe OÖ.

„Die sich hartnäckig haltende Meinung: ‚Wer darüber spricht, tut es nicht‘, stimmt nicht. Richtig ist, dass 70 bis 80 Prozent aller vollzogenen Suizide zuvor angekündigt werden. Hat ein Mensch bereits einen Suizidversuch hinter sich, gilt dies als einer der Hauptrisikofaktoren für erneute suizidale Handlungen. Doch es besteht Hoffnung, denn aus früheren Untersuchungen weiß man, dass 95 Prozent aller Personen, die einen Suizidversuch unternommen haben, nicht durch Suizid gestorben sind – genau deshalb ist Krisenintervention so wichtig“, erklärt Sieper.

Angebote für junge Menschen ausgeweitet

Suizidprävention umfasst Maßnahmen zur Verhütung von Suizidgefährdung, Hilfe in akuten suizidalen Krisen für Betroffene und ihr Umfeld sowie Unterstützung nach einem Suizid(versuch). Das Land Oberösterreich und die Krisenhilfe OÖ haben niederschwellige Angebote speziell auch für junge Menschen gezielt ausgeweitet.

Besonders tragisch ist, dass in der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen Suizide nach Verkehrsunfällen die zweithäufigste Todesursache sind. Dazu kommt eine hohe Dunkelziffer an nicht meldepflichtigen Suizidversuchen.

Laut internationalen Studien ist davon auszugehen, dass Suizidversuche die Anzahl der durch Suizid Verstorbenen um das Zehn- bis Dreißigfache übersteigen. Bekannt ist auch, dass Frauen häufiger Suizidversuche unternehmen als Männer.

Insgesamt starben 2023 in Österreich 1.310 Personen durch Suizid – mehr als drei Mal so viele Menschen wie im Straßenverkehr. In Oberösterreich begingen 232 Menschen Suizid. Mehr als drei Viertel der Suizidtoten sind Männer.

„Suizid und Suizidgedanken sind in unserer Gesellschaft nach wie vor Tabuthemen, bei denen oftmals lieber weggeschaut wird, meist aus Scham, oder weil man nicht weiß, was man tun kann. Angesichts dieser alarmierenden Zahlen muss sich das ändern“, sagt Sieper mit Nachdruck.

„Denn gerade die Scham erschwert es Betroffenen, dringend benötigte Hilfe zu suchen. Als Ziel sehe ich die Schaffung eines öffentlichen Bewusstseins dafür, dass schon allein das Ansprechen von Suizidgedanken eine schützende, vorbeugende Wirkung entfalten kann“, betont Katja Sieper.

Wie helfe ich gefährdeten jungen Menschen?

„Die Äußerung von suizidalen Gedanken und Absichten ist keine emotionale Erpressung, sondern stets ein Hilferuf und Ausdruck großer psychischer Not. Wer sich Sorgen macht, dass jemand im Umfeld suizidgefährdet sein könnte, sollte deshalb unbedingt hinschauen, nachfragen und da sein – auch wenn das oft gar nicht so einfach ist, wie es klingt“, sagt die Leiterin der Krisenhilfe.

„Es geht darum, dass jemand zuhört. Die meisten potenziell suizidgefährdeten Jugendlichen oder jungen Erwachsenen suchen Unterstützung – und je konkreter ich das Thema anspreche, desto besser ist es. Die Krisenhilfe OÖ unterstützt auch Menschen, die befürchten, eine nahestehende Person könnte sich das Leben nehmen“, so Sieper.

Wachsam sein bei Persönlichkeitsveränderungen

Sich ernsthafte Gedanken über den Sinn des Lebens zu machen, gehört zum Reifungsprozess junger Menschen. Das macht es mitunter sehr schwierig, Stimmungen richtig zu deuten. Treten Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen auf, sollte man wachsam werden. Diese Wandlungsprozesse gestalten sich von Person zu Person unterschiedlich.

Klassische Anzeichen können Antriebslosigkeit, Rückzug, Schlafstörungen, verminderter Appetit, Ohnmachtsgefühle oder Selbstverachtung sein. Sätze wie: „Es ist doch egal, ob es mich gibt oder nicht“, oder: „Ich möchte einschlafen und nie mehr aufwachen“, sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

„Wenn man seine Besorgnis ausdrücken möchte und das Thema anspricht, gibt es keine richtige oder falsche Wortwahl. Es zählt die ehrliche Anteilnahme. Gleichzeitig geht es darum, rasch professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Unsere Empfehlung ist, gemeinsam mit dem Betroffenen bei der Krisenhilfe OÖ anzurufen und den Lautsprecher einzuschalten, um diesen häufig schwierigen ersten Schritt leichter zu machen. Im Rahmen der Beratungsgespräche, ob telefonisch, online oder persönlich, erhalten junge Menschen Raum für ihre Gedanken, können Vertrauen aufbauen und sich öffnen. Stück für Stück werden sie individuell begleitet und unterstützt“, sagt Sieper.

Vielseitige psychosoziale Akutversorgung für junge Menschen

Die Bandbreite der Unterstützungsleistungen der Krisenhilfe OÖ reicht von Hausbesuchen über persönliche Gespräche, Online- und Chatberatung bis zur telefonischen Krisenintervention rund um die Uhr.

In den vergangenen Jahren hat das Land Oberösterreich mit seinen Einrichtungen und Partnern das Angebot für junge Menschen bereits mehrfach ausgebaut. Das JugendService des Landes bietet zahlreiche Kontakt- und Beratungsmöglichkeiten. Unter www.bittelebe.at sind die wesentlichsten Informationen und Anlaufstellen für Jugendliche, Freunde von Betroffenen und Eltern kompakt zusammengefasst.

Mit der start.box von pro mente OÖ wurde eine Erstanlaufstelle für junge Menschen mit psychischen Problemen geschaffen, die maßgeschneiderte Leistungen bietet – von Psychotherapie über fachärztliche Versorgung bis zu psychosozialer Beratung und Sozialarbeit.

Die Krisenhilfe OÖ hat pro Jahr rund 30.000 Kontakte (Stand 2023). Das Stammteam des Journaldiensts am Standort Linz besteht aus 26 Mitarbeitern. Das Team der mobilen Einsätze umfasst insgesamt 85 Mitarbeiter.

Um die Krisenversorgung in Oberösterreich flächendeckend und noch umfassender gewährleisten zu können, haben sich pro mente OÖ, EXIT-sozial, Rotes Kreuz, Telefonseelsorge OÖ und Notfallseelsorge unter dem Namen Krisenhilfe OÖ zusammengeschlossen.