Warum Frauen und Männer oft aneinander vorbeireden

Die Linzer Psychologin Isabella Woldrich nimmt in ihrem neuen Kabarettprogramm wieder Beziehungsprobleme aufs Korn

Isabella Woldrich - Mnnerschnupfen

VOLKSBLATT: Sie beraten in ihrer psychologischen Praxis in Linz seit vielen Jahren Paare mit Beziehungs- und Eheproblemen. Lassen Sie sich von dem dort Erlebten für ihre Kabarettprogramme inspirieren und fließen wahre Begebenheiten ein?

WOLDRICH: In mein Kabarett fließen alle Eindrücke ein, die ich im Leben erhalte, aus meinem privaten Umfeld, meinen eigenen Erfahrungen und natürlich auch von dem, was ich in meiner Praxis erlebe, denn hier bekomme ich immer ein schönes Bild, womit sich Paare und Menschen im Moment beschäftigen und worauf sie Antworten suchen.

Warum finden die Besucher Beziehungsprobleme komisch, schließlich ist damit oft viel Leid und Schmerz verbunden?

Das menschliche Gehirn verfügt über viele Mechanismen, um belastende Zustände ertragbar zu machen und damit handlungsfähig zu bleiben. Dabei sind auch Humor, provokative Übertreibung oder das Erzählen von Geschichten sehr wirksame Distanzierungsmethoden, die auch in vielen Therapieformen zur Anwendung kommen. Wir kennen die CliniClowns, die es schaffen, ein Leuchten in die Augen der kleinen und großen Patienten zu bringen und damit nicht nur das Immunsystem zu stärken. Wir kennen Galgenhumor, schwarzen Humor, früher gab es den Hofnarren, um dem König unliebsame Wahrheiten beizubringen und auch heute ist das Kabarett in schweren Zeiten eine besonders beliebte Kunstform. All dies sind wunderbare Methoden, um Situationen die Schwere zu nehmen. Damit bekommt man wieder Luft, um an Lösungen denken zu können, denn solange wir emotional schwer belastet sind, streikt unser rationales Denken und wir können nur noch kämpfen, fliehen oder erstarren, um uns zu schützen. Genau deswegen habe ich mich schon in meinen Büchern „Artgerechte Männerhaltung“ und „Artgerechte Frauenhaltung“ für einen humoristischen Stil entschieden.

Lachen als Therapie?

Wenn man mit einem Schmunzeln oder Augenzwinkern auf die eigenen Hoppalas bzw. die „Untaten“ der geliebten Person schauen kann, geht alles schon ein bisschen leichter. Und gemeinsam als Paar einen Abend lang über Situationen lachen können, die man vielleicht auch entfernt aus dem eigenen Leben kennt, ist ein schönes, verbindendes Erlebnis. Wenn man dann auch noch die eine oder andere Lösungsidee übernehmen kann, hat es sogar heilsamen Charakter.

Hat sich an den Ursachen für die Probleme in den Jahren, in denen sie beratend tätig sind, etwas verändert?

Ja. Viele knabbern noch an den letzten Jahren, die für Menschen als Familie, Paar oder Single als sehr herausfordernd erlebt wurden. Oft geht es darum, alte, sehr oft auch generationenübergreifende Wunden zu heilen, überholte Muster loszulassen, neue, eigene Rollenbilder zu entwickeln und sich gestärkt dieser ungewissen Zukunft zu stellen. Besonders die neuen bzw. nicht definierten Rollenbilder sind für viele Paare anspruchsvoll, weil keiner mehr davon ausgehen kann, dass der andere weiß, was „zu tun ist“. Viele Klärungsgespräche „Wer macht was?“, „Wer ist wofür zuständig?“ „Wie viel Freiheit, Verpflichtung, Verantwortung gestehen wir uns gegenseitig zu?“ sind zu führen. Das ist zwar wichtig und ermöglicht, dass wir unseren eigenen Stil besser leben können, ist aber auch anstrengend, weil dieses „mit sich und der Beziehung auseinandersetzen“ meist erst erlernt werden muss und häufig mit Streit verwechselt wird.

Welche Fehler sollte man bei der Partnerwahl als Frau bzw. Mann tunlichst vermeiden?

Ich gehe davon aus, dass wir durch jede Person, die in unser Leben tritt, etwas lernen können, und oft waren Menschen, mit denen wir eine Beziehung geführt haben, im nachhinein betrachtet eine Art „Vorbereitungskurs“ für die nächste Beziehung.

Wo die Liebe hinfällt, lässt sich oft nur schwer steuern. Aber wenn es darum geht, mit wem ich mein Leben, meinen Alltag verbringen möchte, sollte man schon auf ein paar Dinge achten: „Gleich und gleich gesellt sich gern“ gilt genauso wie „Gegensätze ziehen sich an“. Eine gute Mischung aus beiden Elementen ist vielversprechend. Ähnlichkeit in langfristigen Themen, wie Werte, Überzeugungen, die Art, wie man sein Leben gestalten möchte oder auch ähnliche Erfahrungswerte sind hilfreich, in anderen Belangen kann genau die Unterschiedlichkeit das Salz in der Suppe sein. Bei vielen Paaren ist ein Teil eher besonnen, der andere abenteuerlustig. Das sind oft sehr gute Kombinationen um eine gute Balance zu finden. Ein Teil ist gut im Handwerk, der andere kann gut haushalten, usw. Diese gegenseitige Ergänzung stellt häufig eine gute Basis für eine gelingende Beziehung dar.

Was sollte von Beginn einer Beziehung an geklärt werden?

Die Fragen „Kinder ja oder nein?“, „Wer arbeitet wie viel“, „Wie teilen wir uns die Hausarbeit auf?“, „Nach welchen Werten wollen wir unsere Kinder erziehen?“, sollten geklärt sein, bevor man vor den Traualtar tritt, um unliebsame Überraschungen oder „Dauerbaustellen“ zu vermeiden. Der Grundsatz „Den richte ich mir schon noch“ ist wenig erfolgversprechend und ein gemeinsames Leben als Familie zu führen ist mehr als „und sie lebten glücklich bis an ihr Ende“.

Stimmt es, dass sowohl Frauen als auch Männer sich zum selben Typ von Partner hingezogen fühlen, auch wenn sie bereits schlechte Erfahrungen gemacht haben?

Unsere „Liebesobjekte“ haben viel mit unseren vergangenen, oft sehr frühen Bindungsmustern zu tun. Auch wenn die Erfahrungen schlecht sind bzw. waren, versucht das Unbewusste, „diese Nuss zu knacken“, deswegen fühlen wir uns oft immer wieder vom gleichen Typus angezogen. Dies kann man wunderbar in der psychologischen Behandlung herausarbeiten und auflösen, so dass man sein eigenes „Liebesradar“ neu justieren kann, um für besser passende Personen empfänglich zu werden. Achtung – es nur zu wissen, hilft leider nicht, dazu brauchen wir all unsere Hirnregionen, v. a. die Unbewussten. Es gibt aber sehr effektive Therapiemethoden, um diese zu erreichen.

Zudem höre ich oft „Ja, aber am Anfang war er/sie ganz anders“. Auch das ist möglich: Man schafft es auch durch das eigene Zutun, die andere Person in eine Rolle zu drängen, unter der man dann leidet, ganz einfach, weil keine anderen Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Auch dies kann man schön erkennen und innerhalb einer Paartherapie behandeln.

Woran liegt es, dass Frauen und Männer oft aneinander vorbeireden?

Jeder Mensch nimmt seine Welt und seine Umgebung durch seine eigene Brille wahr. Ein und der selbe Satz kann als Information, Angriff, Aufforderung oder Information über die sprechende Person verstanden werden. Wenn jemand sagt „Ich habe Durst“ kann man auf diese Information z. B. antworten: „Ja, es ist wirklich sehr heiß heute, ich habe auch Durst“ oder genervt aufstehen und der Person ein kühles Getränk hinstellen, weil man verstanden hat: „Bring mir etwas Kaltes zu trinken“, oder man kann sie gekränkt anpfauchen „Jetzt hab ich extra so viel Saft gemacht, und es ist dir noch immer zu wenig“, weil man verstanden hat: „Es ist zu wenig Saft da“, oder man kann erfreut rufen: „Das ist gut, bitte nimm mir auch etwas mit, wenn du dir etwas zu trinken holst!“, weil man verstanden hat, dass sich die Person gleich etwas zu trinken holen möchte, weil sie durstig ist.

Somit ist es ja schon ein Wunder, dass wir verbal überhaupt auf einen Nenner kommen. Und dann gibt es natürlich noch Unterschiede im Kommunikationsverhalten zwischen Mann und Frau. Während wir Frauen nachdenken, während wir reden, spricht ein Mann meist erst, wenn er schon nachgedacht hat. Das ist nichts Böses, was ich hier sage, sondern lässt sich hirnphysiologisch schön abbilden und liegt an der unterschiedlichen Art, wie unsere Gehirnhälften miteinander verbunden sind. Wir Frauen haben meist auch einen direkteren Zugang zu unseren Emotionen und können dies besser kommunizieren. Viele Männer merken oft nur, dass sie genervt ist, stellen aber selten Zusammenhänge her, womit das zu tun haben könnte, sie gehen lieber erst mal laufen oder in die Werkstatt, danach sind sie weniger grantig.

Sind Beziehungen, die online angebahnt werden, stabiler?

Dazu gibt es meines Wissens keine Belege. Wie sich Paare finden, ist sicher weniger wichtig, als was sie dann aus der Beziehung machen und ob sie sich bewusst entscheiden, eine Beziehung führen zu wollen.

Gibt es ein Rezept für eine glückliche Beziehung/Ehe?

Das gibt es in der Tat. Der amerikanische Paarforscher John Gottmann gibt sehr wertvolle Einblicke in in das Verhalten von glücklichen Langzeitpaaren und leitet daraus sieben Geheimnisse einer glücklichen Beziehung ab. Auch darüber spreche ich in meinem Kabarett. Am Ende erhalten sie ein „Rezept für eine glückliche Beziehung“.

Gibt es den Männerschnupfen wirklich?

Natürlich nicht. Aber Männer neigen eher zu Extremen in ihrem Verhalten. Entweder sie beißen die Zähne zusammen, bis sie mit einer schweren Lungenentzündung zusammenbrechen, oder sie werden zu einem Dreijährigen, weil sie ein bisschen Halsweh haben. Es gibt im männlichen Krankheitsverhalten genau so viele „einsame Wölfe“, die sich am liebsten einfach nur zurückziehen und ihre Ruhe haben wollen, wie die klassischen Armen aus der Werbung: „Schatz, holst mir´s bitte?“

Halten Sie sich auch persönlich an die Ratschläge, die sie ihren Klienten geben?

Ja, natürlich. Und ich muss mich natürlich auch immer wieder selber daran erinnern. Drum tut es mir immer wieder gut, mein Kabarett anzuhören, um mich wieder selber am Schopf zu nehmen – denn etwas liebevolles Verständnis, Gelassenheit, Freundlichkeit und guter Wille, auch wenn man vielleicht grad ein bisschen im Stress ist, hat noch nie einer Beziehung geschadet.

Die Fragen an die Psychologin, Kabarettistin und Autorin stellte Heinz Wernitznig

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